Siebter Saisonsieg für den Weltmeister:Vettel riskiert viel - und gewinnt alles

Blasen auf den Reifen, dazu eine gewagte Strategie: Für seinen ersten Sieg beim Großen Preis von Belgien muss Sebastian Vettel viel riskieren. Die Botschaft an die WM-Konkurrenten ist klar: Nicht einmal Reifenprobleme können den Red-Bull-Piloten vom zweiten Titel abhalten.

Michael Neudecker, Spa-Francorchamps

Zwei Runden noch, da gab Jenson Button noch mal Gas. Im Bereich vor Start und Ziel fuhr er an Fernando Alonso vorbei, es war ein gutes Überholmanöver, und Button, der wegen eines Strategiefehlers in der Qualifikation lediglich von Rang 13 ins Rennen gegangen war, er war jetzt Dritter. Mit dem Sieg hatte der Brite nichts zu tun: Sebastian Vettel gewann das Formel-1-Rennen von Spa souverän vor seinem Teamkollegen Mark Webber.

Formula One Grand Prix of Belgium

Erster Sieg in Spa: Sebastian Vettel.

(Foto: dpa)

Das war eines unserer dominantesten Rennen überhaupt", befand Red-Bull-Teamchef Christian Horner, "es war ein phänomenales Rennen." Erwartungsgemäß noch emotionaler reagierte Sebastian Vettel: "Thank you boys", rief er in den Teamfunk, dann jubelte er, da überschlugen sich die Lautsprecher.

Jubel ist oft auch Ausdruck von Erleichterung: Vettel hatte schließlich schon einfachere Arbeitstage als diesen. "Es war mehr Management nötig als sonst", sagte Vettel, und das lag vor allem an seinen Vorderreifen. Erst am Sonntagvormittag hatten der Automobil-Weltverband Fia und Reifenhersteller Pirelli bekanntgegeben, dass es im Qualifying am Samstag Schwierigkeiten mit den Vorderreifen gegeben hatte: Bei einigen Teams verschlissen die Reifen viel zu schnell. Sogar von Blasenbildung war die Rede, weshalb für das Rennen das Bereitstellen eines neuen Reifensatzes erwogen, dann aber doch nicht genehmigt wurde.

Vor allem die beiden Red-Bull-Autos waren betroffen; die Reifenstellung ist bei Vettels und Webbers Fahrzeugen aggressiver als bei den meisten anderen Rennwagen, also steiler nach innen geneigt. Vettel sichert - unter anderem - genau dieser Umstand zwar regelmäßig Bestzeiten, die Reifen aber werden stärker beansprucht.

Und deshalb, berichtete Vettel nachher, habe das Team Samstagabend und auch Sonntagvormittag viel diskutiert und nachgedacht. Man habe sogar überlegt, das Auto umzubauen und - wie in so einem Fall im Regelbuch vorgesehen -, als Letzter aus der Box zu starten. "Wir haben uns nicht gut gefühlt mit den Reifen", sagte Vettel.

Sie entschieden dann aber doch, Vettels 24. Pole Position in seiner Karriere (womit er in der Historie mit Niki Lauda gleichzog) zu behalten, und das war die richtige Entscheidung. Wenngleich es zunächst schien, als könnten die Reifen das große Thema dieses Rennens werden: Nach sechs Runden schon kam Vettel erstmals an die Box. Er musste wechseln, es ging nicht mehr.

Vettel lag da in Führung, er hatte beim Start die Pole Position zunächst verteidigen können. Hinter ihm aber war viel passiert, der auf Rang drei liegende Webber kam augenscheinlich kaum vorwärts, und Nico Rosberg nutzte das aus. Er zog von Rang fünf vor auf den zweiten Platz.

Noch weiter hinten waren Bruno Senna, der im Qualifying eine beachtliche siebte Startposition herausgefahren hatte und am Ende Dreizehnter wurde, und Jérôme Alguersuari in einen Zusammenstoß verwickelt, und der als Letzter gestartete Michael Schumacher machte gleich zehn Plätze gut.

Rosberg kurzzeitig vorne

In Runde eins verlor Vettel dann seine Führung kurzzeitig an Rosberg, der von der Motorkraft des Mercedes auf der Geraden profitierte; Rosbergs Führung hielt allerdings nur zwei Runden. So ging das weiter: Als das Rennen 20 Runden alt war und damit fast zur Hälfte absolviert, hatte es bereits vier verschiedene Führende gegeben: Rosberg, Vettel, Lewis Hamilton und Fernando Alonso.

Nach 13 Runden war jedoch für Hamilton das Rennen zu Ende: Nach einer Kollision mit Kamui Kobayashi flog der Brite von der Strecke, es folgte eine Safety-Car-Phase. Am längsten aller Führenden hielt sich Vettel - trotz der Probleme mit den Reifen. "Es war schon beängstigend", sagte Vettel, man habe sogar vom Auto aus gesehen, wie mitgenommen die Reifen waren. Aber, naja, er zuckte mit den Schultern, "offenbar war ich in der Lage, die Reifen lange genug zu halten." Letztendlich, resümmierte Vettel, habe es "großen Spaß gemacht heute". Man sah ihm den Spaß an: Er fuhr immer wieder Rundenbestzeiten.

Und Rosberg? Der hatte sich lange erfolgreich gegen Button gewehrt, war aber doch irgendwann ohne Chance, wie auch am Ende gegen Schumacher. Rosberg wurde Sechster, mit dem Sieg hatte er nichts zu tun: An der Spitze lieferten sich Alonso, Webber und Button einen spannenden Dreikampf um den ersten Verfolgerplatz hinter Vettel.

In Runde 37 ging Webber an Alonso vorbei auf Platz zwei, Button lag nun auf Rang vier - und Vettel profitierte von den Duellen der Verfolger. Er lag danach rund acht Sekunden vor Webber auf Rang eins.

Als Vettel nach zuvor drei sieglosen Rennen schließlich wieder als Erster die Ziellinie überquerte, waren immerhin noch knapp vier Sekunden vor Webber übrig geblieben. Es war Vettels erster Sieg in Spa. In der WM-Wertung hat er seinen Vorsprung auf 97 Punkte vor Webber ausgebaut, der ihm auch im kommenden Jahr als Teamkollege erhalten bleibt. Natürlich strahlte Vettel, als er nach dem Rennen zu den Interviews erschien. "Ich hoffe, dass es so weitergeht", sagte er.

Einen Bericht zu Michael Schumachers Aufholjagd lesen Sie hier.

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