Siebenkampf der Frauen:Bestleistungen für Lilli Schwarzkopf

Leichtathletin Lilli Schwarzkopf erlebt einen herausragenden ersten Tag im Siebenkampf. Sie kämpft am Samstag um eine Medaille, weil ihre beste Disziplin noch kommt. In Führung liegt Jessica Ennis, das britische Gesicht dieser Spiele, die von Beginn an magische Momente bietet.

Jürgen Schmieder, London

Wer am Freitag mit dem Flugzeug nach London kam, der konnte - so er einen Fensterplatz hatte - Jessica Ennis sehen. Ein paar Künstler hatten mit 600 Litern Farbe ein Bild von Ennis auf eine Wiese gemalt, das so groß ist wie 15 Tennisfelder. Wer nicht mit dem Flugzeug kam, der sah Ennis auch, weil sie quasi auf jedem Plakat oder der Titelseite jeder Zeitung abgebildet war. Ennis ist Siebenkämpferin, die mit der besten Punktzahl in diesem Jahr, sie startete am ihren Wettkampf.

London 2012 - Leichtathletik

Lilli Schwarzkopf.

(Foto: dpa)

Am Ende des ersten Tages war Ennis dann auch zu sehen, auf der Großleinwand des Olympiastadions. Sie lächelte, neben ihr wurde auf der Anzeigetafel das Zwischenergebnis nach vier Disziplinen eingeblendet. Dort war zu lesen: Sie führt nach dem ersten Tag mit der höchsten Punktzahl, die jemals bei einem Siebenkampf erzielt wurde. Dort war aber auch zu lesen: Lilli Schwarzkopf schaffte bei den vier Disziplinen zwei persönliche Bestleistungen und zwei Saisonbestmarken, sie kämpft um eine Medaille, zumal ihre beste Disziplin, das Speerwerfen, erst am Samstag ausgetragen wird.

"Ich denke, dass es normal ist, wenn die Öffentlichkeit dir schon vorher Medaillen um den Hals hängt, weil sie dich vorne sehen will", sage Ennis vor der ersten Disziplin, "aber ich versuche, die Dinge in der richtigen Perspektive zu behalten, fokussiert zu bleiben und mich nicht ablenken zu lassen." Das Training hatte sie nach Portugal verlegt, um dem Rummel ein wenig zu entgehen.

Der Rummel ging am Freitagmorgen weiter: Zum ersten Mal seit der Eröffnungsfeier waren wieder Zuschauer im Stadion, das Olympische Feuer brannte friedlich am Rand - und die britischen Zuschauer warteten auf den ersten Auftritt der Frau, die sie nun mehr als eine Woche lang auf Plakaten, Titelseiten und Wiesen gesehen hatten.

Der erste Tag begann - und die 26 Jahre alte Ennis stürmte über die Hürden und kam nach nur 12,54 Sekunden ins Ziel - das war die schnellste Zeit, die jemals eine Siebenkämpferin während eines Wettkampfes über diese Strecke gelaufen ist. "Das war ein magischer Moment für alle im Stadion", sagte Ennis' Vater Vinnie, "ich hoffe, dass noch ein paar kommen." Tschernowa brauchte 13,48 Sekunden, ein für die Russin ordentliche Zeit. Lilli Schwarzkopf schaffte mit 13,26 Sekunden eine persönliche Bestleistung ("Der Sprint war fantastisch. Es hat sich sehr gut angefühlt."), Jennifer Oeser mit 13,42 Sekunden immerhin Saisonbestleistung.

Schwarzkopf zwischenzeitlich Dritte

Dann gingen die Frauen zum Hochsprung. Oeser schaffte die ersten Höhen souverän, scheiterte jedoch an 1,80 Metern und lag auf dem zwölften Rang. "Die Vorzeichen waren nicht gut, ich gebe mein Bestes", sagte Oeser danach. Lili Schwarzkopf erreichte mit 1,83 Metern auch in der zweiten Disziplin eine persönliche Bestleistung, was zunächst für Platz sieben reichte.

Im Stadion wurde es beim Hochsprung jeweils zwei Mal hintereinander richtig laut, weil die zweite britische Starterin, Katarina Johnson Thompson (1,89 Meter), direkt vor ihr startete. Weil die beiden meist im gleichen Versuch scheiterten oder übersprangen, ergab es sich eine doch sehr schöne Choreographie aus "Oooooh" und "Yeahhhh". Als sich Ennis zum zweiten Mal an 1,89 Metern versuchte, gab es ein "Yeahhhh- Oooooh". Sie hatte die Latte übersprungen, doch die tropfte kurz darauf doch noch zu Boden. Sie riss auch den dritten Versuch. "Das war nicht optimal, aber ich bin zufrieden", sagte Ennis.

Der Abend begann dann mit dem Kugelstoßen - und weil Lilli Schwarzkopf ohnehin den ganzen Tag Bestleistungen aufstellte, machte sie einfach weiter. Mit 14,77 Metern schaffte sie ihren weitesten Stoß in dieser Saison und schob sich auf den dritten Platz vor. Ennis schaffte 14,28 Meter und fiel auf den zweiten Platz zurück. Es führte Austra Skujyte aus Litauen, die sowohl den Hochsprung als auch das Kugelstoßen gewann.

Zum Abschluss des ersten Tages liefen die Frauen noch über 200 Meter. Vor dem Rennen schickte Lilli Schwarzkopf virtuelle Küsschen an die Zuschauer, nach dem Rennen stand sie entkräftet auf der Tartanbahn, doch sie lächelte: 24,77 Sekunden brauchte sie, wieder Saisonbestleistung. Jessica Ennis schaffte die Strecke in 22,83 Sekunden - in den vier Disziplinen sammelte die Britin mit 4158 Punkte mehr als jemals eine Athletin zuvor am ersten Tag eines Siebenkampfes.

Vor den abschließenden Disziplinen lässt sich feststellen: Jessica Ennis hat sich ein Polster auf Tatjana Tschernowa (309 Punkte Rückstand/Rang neun) erkämpft, das recht komfortabel wirkt - und Lilli Schwarzkopf kämpft um eine Medaille, zumal ihre stärkste Disziplin, das Speerwerfen, noch kommt. Sie liegt mit 3855 Punkten auf Rang acht, der Rückstand auf Platz drei (Jessica Zelinka) beträgt gerade einmal 48 Punkte.

"Ich habe ich gut vorbereitet, aber dass es derart großartig werden würde, das hätte ich nicht gedacht", sagte Ennis. Am Samstag werden die sportbegeisterten Menschen in London wohl nicht ins Flugzeug steigen, um das Wiesengemälde von Ennis zu sehen. Sie werden ins Stadion kommen oder vor dem Fernseher sitzen, um womöglich weitere magische Momente zu erleben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: