Sieben Kurven zur Formel 1:Nur noch Wunder und Wetter können Vettel helfen

Der Deutsche wird Dritter, doch Ferrari entwickelt sich immer weiter zurück. Lewis Hamilton schämt sich fast für seinen Sieg. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Sotschi

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Valtteri Bottas

F1 Grand Prix of Russia

Quelle: Getty Images

Lewis Hamilton legt ihm von oben auf dem Siegerpodest eine Hand auf die Schulter, der Finne hat dabei einen Gesichtsausdruck, fast so verkniffen wie der von Wladimir Putin, dem Großmeister der Stallregie. Mit dem ersten Saisonsieg an der Stelle seines ersten Formel-1-Siegs überhaupt wurde es trotz Pole-Position und gewonnenem Start nichts mehr für den Flügelmann bei den Silberpfeilen. In Runde 25 kam die Order, Hamilton durchzulassen, und das Flehen kurz vor Schluss, das Ergebnis doch wieder umzudrehen, wurde nicht erhört. Der Zweite als erster Verlierer, das ist Gesetz der Formel 1, und es trifft jetzt auch bei Mercedes intern zu. Bottas weiß um seine Rolle, vermutlich sitzt er vor allem deshalb in diesem Cockpit. Auch weil er charakterstark ist, da braucht es wenig Trost. Lediglich eine bessere Kommunikation hätte er sich gewünscht: "Erst hieß es, ich solle Gas geben und Verstappen überholen, dann kommt die Anweisung, Lewis vorbeizulassen. Das ist für mich als Sportler und Mensch nicht optimal, aber es ist ein Fakt." Die gute Lösung, die Teamchef Toto Wolff für alle Beteiligten finden wollte, ist damit klar: Alle für einen. Bottas, der andere, sagt: "Es ist, wie es ist."

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Toto Wolff

F1 Grand Prix of Singapore

Quelle: Getty Images

Den Moralisten in diesem Sport mag es nicht gefallen, aber dass Mercedes im Titelrennen gegen Ferrari den Sieger von Sotschi selbst bestimmt, erklärt sich durch eine Aussage von Toto Wolff, dem Herrn über die Silberpfeile: "Man muss nur abwägen: Will ich am Sonntagabend aus verständlichen Gründen der böse Bube für viele sein, oder will ich beim Saisonfinale in Abu Dhabi als Idiot dastehen?" Natürlich will der Österreicher Ende November am liebsten zum fünften Mal in Folge in Fahrer- und Konstrukteurswertung den Weltmeistertitel geholt haben. Deshalb der Druck auf den roten Taktik-Knopf, Stallregie ist eines der ältesten Instrumente im Mannschaftssport Formel 1. Und immer wieder neu umstritten. Auch deshalb, weil Mercedes selbst während der "Inteamfeindschaft" Hamilton/Rosberg immer auf Fairplay plädiert und so gehandelt hat. "Rational war es die richtige Entscheidung", gibt Manager Wolff den Zielkonflikt zu, "aber unser Sportlerherz sagt trotzdem Nein."

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Sebastian Vettel

Formula One F1 - Russian Grand Prix

Quelle: REUTERS

Wer weiß, vielleicht hätte sich der Heppenheimer insgeheim auch so klare Verhältnisse gewünscht wie beim Platztausch von Mercedes in Sotschi, in Monza hatte ihm Ferrari diese verweigert, weshalb er wichtige Punkte und ein bisschen auch das Vertrauen verlor. Viele der kritischen Fragen an den Gegner hält Vettel deshalb auch für übertrieben: "In der Position von Mercedes war es völlig klar, was sie tun mussten. Die beiden haben als Team sehr gut zusammengespielt." Ihm selbst können mit 50 Punkten Rückstand bei noch fünf Rennen nur noch ein paar sportliche Wunder helfen, unberechenbare Wetterverhältnisse oder technische Probleme an den Silberpfeilen ("Nicht, dass ich ihnen Böses wünsche"). In den Diskussionen um den Platztausch ging völlig unter, dass sich Ferrari rückwärts entwickelt hat. Im Rennen war das schwer zu sehen, Vettel war aggressiv wie eh und je - aber in der Qualifikation lag der Abstand bei einer halben Sekunde pro Runde. Wo ist er hin, der beste Rennwagen im Feld? "Mercedes hat das clever kommuniziert", sagt Vettel. Soll heißen: Ganz so stark fühlt man sich in Maranello nicht mehr.

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Lewis Hamilton

F1 Grand Prix of Russia

Quelle: Getty Images

Er hat den Hattrick perfekt gemacht: in dieser Saison wie auch in Sotschi, insgesamt war Hamilton zum 70. Mal Sieger in der Formel 1, der Titelverteidiger hat damit sein Sommerhoch mit in den Herbst genommen. Trotzdem spricht der WM-Führende von "einem der seltsamsten, widersprüchlichsten Tage" seiner Karriere. Denn: "Noch nie habe ich mich so schlecht gefühlt nach einem Sieg." Beinahe rührend ist er um das Wohl seines Nebenmannes Bottas besorgt, bezeichnet den Gehilfen als ultimativen Gentleman: "Es gibt nicht viele Teamkollegen, die so etwas für einen tun würden." Bei aller Abgebrühtheit auf der Piste ist der Brite auch Gefühlsmensch, genau diese Kombination macht ihn so stark. Nochmal erklärt er die schlechten Vibrationen des Renntags: "Der Killerinstinkt in mir sagt: Hör auf, das Weichei zu geben, ist doch richtig so. Aber das ist nicht der Weg, wie ich ein Rennen gewinnen will, deswegen würde ich mein Team auch nie nach einer Stallorder fragen. Das habe ich bei Valtteri so klargestellt. Als Rennfahrer wollen wir immer gewinnen und wenn man uns sagt, dass wir nicht gewinnen dürfen, nimmt man uns die Luft zum Atmen."

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Max Verstappen

F1 Grand Prix of Russia

Quelle: Getty Images

Die besten Geburtstagsgeschenke macht man sich manchmal selbst, allein dass der Niederländer an seinem Ehrentag ein Rennen fahren durfte, sorgte bei dem jetzt 21-Jährigen für große Freude. Und das, obwohl der neuerliche Motorentausch bei Renault ihn auf den vorletzten Startplatz zurückwarf. Aber es brauchte nur eine Handvoll Runden, um mit den sehr haltbaren Reifen wieder in die Top Fünf zu kommen. Als Mercedes und Ferrari früh die Pneus wechseln mussten, übernahm der Red-Bull-Pilot die Spitze und gab diese erst zehn Minuten vor Schluss wieder her, als die Gummis verschlissen waren: "In Führung zu liegen, das war doch etwas unerwartet. Es lief daher besser als wir dachten." Mit einer Safety-Car-Phase hätte er sogar gewinnen können. Am Ende wurde er Fünfter, was einmal mehr sein Talent zeigt und die exzellente Fahrzeugbeherrschung. Um nochmal auf die Geschenke zurückzukommen: Bis zu seinem 30. Geburtstag, sagt Verstappen, wünsche er sich vier Weltmeistertitel.

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Niclas Leclerc

F1 Grand Prix of Russia

Quelle: Getty Images

Der Rückhalt für Kimi Räikkönen unter den Ferrari-Fans ist immer noch groß, auch wenn der Finne zum Saisonende ins Sauber-Team abgeschoben wird. Der Mann, der dafür von der Schweiz nach Italien befördert wird, hat in Sotschi gezeigt, warum er als die größte Hoffnung seit Jahren gilt. Der siebte Platz von Sotschi ist rein statistisch zwar nicht das beste Ergebnis Leclercs in seinem Debütjahr, er war schon mal Sechster. Aber dass der Monegasse im Sauber-Ferrari seinen siebten Startplatz ins Ziel gebracht hat, bedeutet, erstmals "best of the rest" hinter den drei Top-Teams und ihren Fahrern zu sein - ohne dass einer von diesen ausgefallen ist. "Es fühlt sich an wie ein Sieg", jubelte er über Boxenfunk. Dass Räikkönen überhaupt mitgefahren ist, konnte man nur den Ergebnislisten entnehmen, als Vierter gestartet, als Vierter gewertet. Leclerc hingegen hatte sich zwischenzeitlich sogar auf Platz fünf vorgekämpft. Damit ist klar, wie er sich bei der Scuderia Respekt verschaffen will - indem er voll auf Angriff setzt.

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Daniil Kwjat

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Quelle: Geert Vanden Wijngaert/AP

Die Frage, wie oft in einem Rennfahrerleben man in einem Rennstall neu anfangen kann, kann beim Großen Preis von Russland von einem Einheimischen kompetent beantwortet werden: Daniil Kwjat ist in Sotschi als neuer Toro-Rosso-Pilot für die Saison 2019 präsentiert worden. Aber was heißt schon neu? Neu wäre, wenn der ehemalige Mercedes-Schützling Pascal Wehrlein dort ebenfalls anheuern würde. Aber Kwjat ist jetzt zum dritten Mal in Faenza. Es ist das Comeback eines Talents, oder eines Aussortierten - ganz wie man will. 2014 bei seinem richtigen Debüt war er mit 19 der jüngste Punktgewinner der F1-Geschichte, wurde danach sofort in den großen Bullen-Stall befördert, später aber gegen Konzernliebling Max Verstappen ausgetauscht. Was verständlich, aber trotzdem ungerecht gegenüber dem Mann aus dem russischen Ufa war. Der geriet ins Straucheln, wurde aus dem Förderkader genommen und schlüpfte als Testfahrer bei Ferrari unter. Teamchef Franz Tost glaubt an die Rückkehr des 25-Jährigen: "Ich bin davon überzeugt, dass er abseits der Rennen Zeit hatte, um als Person zu reifen." Kwjat behauptet: "Ich bin noch jung und stärker geworden. Ich habe auf meine Chance gelauert, jetzt ist sie da."

© SZ.de/jbe/rus
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