Sieben Kurven der Formel 1:Vettel vergisst seine Schmerzen

Der Deutsche ist beim Sieg in Silverstone voller Adrenalin. Mercedes unterstellt Ferrari eine böse Taktik - und alle vermissen den Hund von Lewis Hamilton. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Philipp Schneider, Silverstone

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Lewis Hamilton

Grand Prix von Großbritannien

Quelle: dpa

Wer von ganz hinten noch vorfährt auf Platz zwei, der kann ja theoretisch auch mal lächeln. Nach dem Rennen in Silverstone hatte Lewis Hamilton aber nicht einmal Lust zu reden. Zumindest nicht in jenem Moment, als ihn Martin Brundle gleich nach Zieldurchfahrt interviewen wollte. Hamilton lief schnell weg, hinein in die Abgeschiedenheit des Bereitschaftsraums vor der Siegerzeremonie. Geärgert haben dürften ihn gleich zwei Dinge: Er hatte den Start völlig verschlafen und sich auf der Pole-Position liegend von Sebastian Vettel überholen lassen. Und Kimi Räikkönen im zweiten Ferrari hatte ihn dann bei seinem Überholmanöver auch noch um 180 Grad gewendet, weswegen sich Hamilton plötzlich auf Position 18 befand. Als er dann später doch noch von den Journalisten gestellt wurde, die auf der Pressekonferenz von ihm wissen wollten, ob sein Grad an innerer Verärgerung einen bedenklichen Höchststand erreicht habe, da sagte er: "Für euch ist es einfach, das in eine Situation hineinzuinterpretieren. Ich habe mir den Arsch abgefahren heute, da hatte ich am Ende keine Lust, zu lächeln und den Fans zu winken. Ich war nach dem Rennen fix und fertig und wollte zuerst mal durchatmen." Dazu hat er jetzt 14 Tage Zeit. Dann muss er ausgerechnet bei Vettels Heimrennen auf dem Hockenheimring antreten.

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Sebastian Vettel

Formula One F1 - British Grand Prix

Quelle: REUTERS

Nicht einmal an seinen lädierten Nacken dachte Sebastian Vettel nach der Zieldurchfahrt. 24 Stunden, nachdem er das dritte Training wegen Verspannungserscheinungen hatte abbrechen müssen, waren seine Schmerzen vorerst weg. "Ich glaube, wenn das Adrenalin fließt, vergisst du die Beschwerden. Am Abend wird das wohl anders sein, aber das ist mir derzeit herzlich egal", sagte Vettel nach seinem Sieg in Silverstone. Der Ferrari-Pilot war am Sonntag gedanklich nicht bei seinem Nacken, sondern bei einer Flagge, in diesem Fall der britischen. Man mochte ihm das nachsehen, hatte er doch nach 2009 erst zum zweiten Mal den Großen Preis von England gewonnen. "Wir haben sie im eigenen Haus geschlagen!", funkte er an sein Team - und fragte: "Haben wir in Maranello eine englische Flagge?" Diese Frage wiederum könnte der an diesem Wochenende glücklose Hamilton schnell in den falschen Hals bekommen.

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Die Strategie

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Quelle: AP

Die Ereignisse in diesem Rennen hätten eine "interessante Strategie" offenbart, sagte Lewis Hamilton auf der Pressekonferenz. Seine Zuhörer wussten nicht sofort, ob das eine zynische Betrachtung der Entscheidungen seiner eigenen Strategie-Abteilung gewesen war. Oder ob er sich auf die Strategie von Ferrari bezog. Hamilton und sein Teamkollege Valtteri Bottas hatten sich als einzige Fahrer aus der Spitzengruppe keine neuen Reifen geholt, als sich das Fahrerfeld nach 32 Runden hinter Bernd Mayländers Bremsfahrzeug sortierte. War es ein Fehler, nicht frischen Gummi abzuholen, so wie das Ferrari getan hat? "Nein", sagt Hamilton. "Nicht reinzukommen, das bedeutete, dass ich Plätze gutmachen konnte. Hätte ich das nicht getan, wäre ich auf identischen Reifen hinter meinen Rivalen gelegen. Also war das hundertprozentig die richtige Entscheidung." Das war immerhin ein kleiner Trost für die Strategen von Mercedes, die in dieser Saison immerhin schon dreimal die falsche Entscheidung getroffen hatten.

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Kimi Räikkönen

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Quelle: AP

Es gibt Menschen, mit denen lässt es sich nicht sonderlich gut streiten. Die wenigsten kämen etwa auf die Idee, sich mit dem Papst anzulegen. Das gehört sich schlicht nicht. Oder mit Mike Tyson. Das ist viel zu gefährlich. Der Rennfahrer Kimi Räikkönen wiederum ist ebenfalls nicht sonderlich gut dazu geeignet, mit ihm einen Disput auszutragen. Man kann ihn reizen, aber es passiert nichts. Der schweigsame Finne verhält sich da wie eine Gummiente in der Badewanne. Es bringt nichts, sie kurzzeitig unter Wasser zu drücken, langfristig bleibt sie da, wo sie ist. "Es war mein Fehler, also geht das in Ordnung", sagte Räikkönen zu der Zehn-Sekunden-Strafe, die er für seinen Rempler in der ersten Runde erhalten hatte, mit dem er Hamilton ans Ende des Feldes befördert hatte. Dass ihn Hamilton möglicherweise scharf kritisiert haben könnte, als er von jener "interessanten Strategie" sprach, ließ sich Räikkönen nicht anmerken. Hamilton spielte wohl auf die Tatsache an, dass bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr ein Silberpfeil von einem Ferrari-Piloten aller Siegchancen beraubt worden war. In Le Castellet hatte Vettel Bottas abgeräumt. Der Silverstone-Sieger jedenfalls sprang Räikkönen zur Seite. "Es wäre verrückt, anzunehmen, dass das Absicht war." Das sah Toto Wolff anders. "Ich finde das überhaupt nicht okay, denn wir sind es leid, in der ersten Runde abgeräumt zu werden", schimpfte der Mercedes-Boss.

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Brendon Hartley

F1 Grand Prix of Great Britain

Quelle: Getty Images

Wer zum vierten Mal in zehn Rennen in einen schweren Unfall bei hoher Geschwindigkeit verwickelt ist, der stellt sich entweder nicht sonderlich geschickt an, oder er hat Pech. Brendon Hartley konnte zum dritten Mal nichts dafür. Am Samstag hat der 28-jährige Neuseeländer zu Beginn des dritten Trainings bei einer Geschwindigkeit von 305 km/h vor der Kurve gebremst, als links vorne eine Aufhängung im Radträger seines Toro Rosso brach. Sein Wagen fuhr weiter, Hartley konnte nicht mehr lenken, er konnte nur noch abwarten. "Ich habe noch versucht, so viel Speed abzubauen wie möglich. Kurz vor dem Aufprall habe ich alles angespannt und mich ganz klein gemacht."

In Monte Carlo war Hartley von Charles Leclerc von der Strecke befördert worden, in Montreal hatte ihn Lance Stroll in die Streckenbegrenzung gedrückt. Nur beim Rennen in Barcelona war er selber schuld, dass er in einen Unfall verwickelt war. Toro Rossos Technikchef James Key entschuldigte sich in Silverstone bei seinem Fahrer: "Dieser Vorfall darf nicht passieren. Es ist uns auf diese Weise auch noch nie vorher passiert."

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Williams

F1 Grand Prix of Great Britain

Quelle: Getty Images

Neun Konstrukteurs-Meisterschaften und sieben Fahrer-Titel hat die britische Traditionsmarke Williams in ihrer langen Geschichte gewonnen. In dieser Saison ist sie nach Jahren, in denen es stetig abwärts ging, ganz unten angekommen. In der Teamwertung liegt Williams nach zehn von 21 Rennen mit vier Punkten auf dem letzten Platz. Ihre Farbgebung sei die größte Stärke der Williams-Rennwagen, sagte Ersatzfahrer Robert Kubica in Silverstone. 2014 und 2015 war Williams noch das drittbeste Team der Rennserie, in den vergangenen zwei Jahren immerhin noch das fünftbeste. Insofern seien die vergangenen Monate nur schwer zu verkraften gewesen, sagte Teamchefin Claire Williams am Freitag. "Für mich persönlich ist die Situation sehr schwierig. Sie bricht mir das Herz und zerstört meine Seele. Williams ist das Team meiner Familie, seit vier Jahrzehnten. Wir alle haben viel geopfert für das Team und haben stets viel zurückbekommen." Einen Tag nach diesem ergreifenden Eingeständnis wurde es dann richtig bitter für Williams in Silverstone. Erst erwischt es Lance Stroll, der seinen FW41 im Qualifying ins Kiesbett fuhr, dann flog auch noch Sergey Sirotkin ab. Für die Fahrer war das Rennen damit schon gelaufen. Nur Brendon Hartley ging noch hinter den Williams-Piloten ins Rennen.

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Roscoe

Lewis Hamilton mit seinem Hund Roscoe

Quelle: Instagram/Screenshot

Lewis Hamiltons Bulldogge war das große Thema in Silverstone, obwohl sie nicht einmal anwesend war. Ausnahmsweise. Roscoe ist Model. Und Roscoe hatte kürzlich eine Gelegenheit für einen Job. "Er ist jetzt bei einer Agentur und muss vorsprechen", sagt Herrchen Hamilton: "Er tritt gegen 15 andere Bulldoggen an. Sie brauchen eine Bulldogge für ein neues Produkt." Weil Roscoe offenbar ganz gut ist in dem, was er tut, erhält er für sein Modeln 700 Dollar Tagessatz. "700 Dollar am Tag. Das ist doch irrwitzig", findet Hamilton, dessen geschätzter Jahresverdienst sich auf 51 Millionen Dollar beläuft. Nicht weniger verwunderlich ist Hamiltons Erklärung, warum er Roscoe kastrieren ließ. Die Bulldogge wäre immer wieder aufgewacht und hätte "unkontrolliert überall hinejakuliert", erklärte er im Podcast Beyond the Grid. Roscoe sei danach ganz verängstigt gewesen, weil er nicht wusste, was passiert war. "Das war sehr witzig", sagte Hamilton, "aber auch sehr schlimm, weil das Zeug überall war."

© SZ.de/tbr
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