Sieben Kurven der Formel 1:Vettel deutet seinen Unfall in einen Erfolg um

Der deutsche Ferrari-Pilot gibt sich nach dem Fauxpas in Hockenheim kämpferisch. Und Lewis Hamiltons Gebete werden erhört. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Hockenheim

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Dieter Zetsche

Formula One F1 - German Grand Prix

Quelle: REUTERS

Es wäre der zweite große deutsche Ausrutscher des Tages gewesen, aber der Daimler-Konzernlenker, der schon unangenehmere Termine mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hatte als bei der Siegerehrung in Hockenheim, konnte auf dem rutschigen Podest gerade noch die Balance halten. Das Team hatte ihn hochgeschickt, den Konstrukteurspokal entgegenzunehmen, der Manager ist schließlich ein bekennender Racer. Mit Lewis Hamilton hatte er schon vor der Zeremonie spontan ein flottes Tänzchen hingelegt, der Brite gewann zum 44. Mal mit dem Werksteam, zum 66. Mal insgesamt mit einem Mercedes-Motor. Vom heftigen Schulterklopfen dürften wohl beide blaue Flecke davontragen. Stratege Zetsche spürte, wie wichtig der Doppelerfolg für das Werksteam nach zwei Problemsonntagen und dem Pannensamstag von Hockenheim war. Als Hamilton seinen Silberpfeil nach einem Hydraulikdefekt schieben musste, rief Zetsche umgehend bei Teamchef Wolff in der Garage an. Der Österreicher: "Dieter ist auch der einzige, bei dem ich rangehen würde."

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Charlie Whiting

2018 French GP CIRCUIT PAUL RICARD FRANCE JUNE 23 Charlie Whiting Race Director FIA during the; Charlie Whiting

Quelle: imago/Motorsport Images

Neben Vettels großem Ausrutscher war es die rennentscheidende Szene, als Lewis Hamilton zum Reifenwechsel befohlen wurde, die Strategen ihn dann wieder auf der Piste lassen wollten, und schließlich panisch "Rein, rein, rein" brüllten. Da hatte Hamilton aber schon seine eigene Taktik gemacht, und den Silberpfeil quer über das Rasenstück aus der Boxeneinfahrt wieder auf die Piste gelenkt. Mehr als eine Stunde nach Rennende begann damit das Zittern beim Sieger, den Renndirektor Charlie Whiting bat zur Anhörung, Verstoß gegen den Sporting Code des Automobilweltverbandes. Demnach darf die Boxenlinie nicht überfahren werden. Zum möglichen Strafmaß sagte der Ermittler: "Alles ist möglich. Zehn Sekunden Zeitstrafe, fünf Sekunden, Verwarnung..." Bei ganz strenger Auslegung wäre auch eine Disqualifikation möglich gewesen. Aber die Funktionäre des Schnellgerichts werteten das allgemeine Chaos als strafmildernd, es blieb bei einer Ermahnung. Hamilton: "In der Phase war ich wohl derjenige, der am gelassensten war."

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Nico Hülkenberg

Formel 1 - GP Deutschland

Quelle: dpa

Er ist der Mann mit den meisten siebten Plätzen der Formel-1-Geschichte, 16 insgesamt. Aber es scheint so, als ob der Renault-Werksfahrer aus Emmerich sich langsam wieder nach oben arbeitet: Sechster in Silverstone, Fünfter in Hockenheim. Hülkenberg sieht seine Position als "Best of the rest", hinter den Fahrerpaarungen von Mercedes, Ferrari und Red Bull. In der Tat wäre er auch beim Heimspiel im Motodrom, wo er 2007 sein erstes Formel-Rennen überhaupt bestritten hatte, ohne die Ausfälle von Vettel und Daniel Ricciardo wieder auf seinem Stammplatz gelandet, von dem aus er gestartet war. Aber ein guter Start, ein ordentliches Tempo und die richtigen Boxenstopps trugen zum Resultat bei, dass er als "verdient" empfindet. Dieser fünfte Platz ist seine beste Platzierung, seit er für die Franzosen fährt, und bringt ihn in der Gesamtwertung der Weltmeisterschaft wohin wohl? Richtig, auf Position sieben. Hülkenberg sollte es mit Lottospielen probieren, eine Glückszahl hat er schon.

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Sebastian Vettel

***BESTPIX*** F1 Grand Prix of Germany

Quelle: Getty Images

Hocken-Heim-Spiel. Wunderbarer Kalauer. Aber als Mercedes seinen Hocken-Heim-Sieg einfährt, ist der Favorit schon wieder in Zivil, entschuldigt sich bei den Strategen am Ferrari-Kommandostand. Sie legen sich die Arme um die Schultern, trösten sich gegenseitig. Die Erkenntnis, dass da 15 Runden vor Schluss mehr als die Chance auf den ersten Sieg Vettels in Hockenheim in einem Reifenstapel abrupt zerstört wurde, will der Unglücksfahrer nicht zulassen. Natürlich weiß er, dass ihm die verlorenen 25 Zähler nach seiner ersten Nullnummer des Jahres am Ende zum ersten WM-Titel mit Ferrari fehlen können. Aber der Trotz siegt: "Ich werde trotzdem gut schlafen. Es war nicht der schlimmste Fehler, den ich je gemacht habe, aber vielleicht der mit der größten Wirkung." Kalte Reifen, etwas zu spät gebremst, Hinterräder blockiert. Dann viel Kies und ein tränenersticktes "Sorry, guys." Lenkrad hätte man in diesem Moment nicht sein wollen, so wie Vettel darauf eingehämmert hat. Er gibt zu, dass er es mit dem Patzer "weggeworfen" habe, aber es würde absolut nichts verändern beim nächsten Rennen am nächsten Wochenende: "Wir können zuversichtlicher sein als alle anderen..."

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Sergio Marchionne

FILE PHOTO: Fiat Chrysler Automobiles CEO Sergio Marchionne speaks during a media conference in Balocco

Quelle: REUTERS

Es muss etwas Besonderes sein, wenn die Kommunikationsabteilung von Ferrari sich herablässt, eine Medienmitteilung herauszugeben. Am Samstag war das der Fall, es war etwas besonders Dramatisches passiert: Fiat-Lenker Sergio Marchionne (66), der zum Ausklang seiner Amtszeit unbedingt den Weltmeistertitel mit der Scuderia feiern wollte, kämpft nach einer Schulteroperation offenbar mit lebensgefährlichen Komplikationen. Das hat Auswirkungen auf die Sportabteilung von Ferrari, für die ganze Formel 1. Der Italo-Kanadier hatte zuletzt die anstehenden Reglementsänderungen und vor allem die drastische Budgetreduzierung torpediert. Er war auch derjenige, der Vettels Nebensitzer Kimi Räikkönen lieber durch den monegassischen Ferrari-Junior Charles Leclerc ersetzt haben wollte. Wie der neue Ferrari-Präsident Louis C. Camilleri das alles sieht? Er dürfte die Position von Teamchef Maurizio Arrivabene stärken, die beiden hatten zusammen beim Tabakriesen Philip Morris gearbeitet.

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Georg Seiler

Georg Seiler

Quelle: Jens Büttner/dpa

Die Macht der Bilder könnte dem Geschäftsführer der Hockenheimring GmbH helfen, sein Lebenswerk zu krönen. Seit Wochen sprechen alle, vor allem der 65 Jahre alte Seiler selbst, vom Abschiedsrennen der Formel 1 im Motodrom, dem Ende des Großen Preises von Deutschland gar. Wohlwissend, dass die 70 000 Besucher ein Plus in die Kasse spielen dürften. Das dramatische Wochenende mit Vettel-Triumph (Samstag) und Vettel-Tragik (Sonntag) und die Luftaufnahmen eines proppenvollen Motodroms haben Stimmung gemacht für weitere Gastspiele im Wäldchen an der A6. Mit Liberty Media, dem Rechteinhaber der Rennserie, gab es noch einmal Gespräche, ob sich das Startgeld künftig tatsächlich von zwölf auf 25 Millionen Dollar erhöht. Aber das noch wichtigere Argument für eine Rückkehr kommt aus der Heimat des US-Medienkonzerns: Miami, wo das erste neue Rennen unter Regie der Ecclestone-Nachfolger ausgetragen werden soll, ist bis kommenden Herbst wohl noch nicht so weit. Seiler wäre dann 66, aber grundsätzlich bereit für ein weiteres Rennen. Und plötzlich nicht mehr in Not, sondern Retter.

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Lewis Hamiliton

F1 Grand Prix of Germany

Quelle: Getty Images

Zum zweiten Mal in Folge von ziemlich weit hinten ganz nach vorn zu fahren, das hatte er selbst nicht für möglich gehalten. Jeder Platz unter den Top Ten wäre ein Stück Schadensbegrenzung gewesen, nachdem die Hydraulik seines Silberpfeils ihn samstags im Stich gelassen hatte. Sein ehemaliger Rivale Nico Rosberg befand, dass es Hamiltons Fehler war, der deutsche Weltmeister von 2016 bezweifelte die Darstellung des Teams. Der Brite hatte weinend den Kopf auf die Fahrzeugnase des havarierten Dienstwagens gelegt. Nach den 67 Runden am Sonntag flossen wieder die Tränen, aber aus der Fassungslosigkeit des Triumphes unter schwierigsten Bedingungen heraus: "Es war unwahrscheinlich, dieses Rennen zu gewinnen. Ich habe lange gebetet vor dem Start, habe mich konzentriert. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas überhaupt möglich ist. Man kann nur Druck machen und an die Chance glauben, genau das habe ich getan." Nach den Hymnen faltete der Sieger noch einmal die Hände hoch zum Regenhimmel. Der Rennfahrer, der erhört worden war, hatte auch noch eine Botschaft: "Das stärkt den Glauben des Teams an mich und meinen Glauben ans Team. Wer mich nicht kannte, hat mich jetzt kennengelernt."

© sz.de/schma
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