Sieben Kurven der Formel 1:"Es muss furchtbar für ihn sein"

Lewis Hamilton hat Mitleid mit Sebastian Vettel. Und dann beweisen auch noch die sonst so großartigen Ferrari-Fans ihre Kleingeistigkeit. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Philipp Schneider, Monza

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Lewis Hamilton

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Quelle: AP

Der Brite hat in Monza bewiesen, dass er in der Formel 1 noch immer den Unterschied machen kann, selbst dann, wenn die Technik des Gegners überlegen ist. Eine Woche, nachdem Sebastian Vettel in Spa-Francorchamps in der ersten Runde an ihm vorbeigezogen war, "als wäre ich gar nicht da", wie Hamilton sagte, entschied er das Duell mit seinem WM-Rivalen in Monza für sich. Ebenfalls in der ersten Runde. Und diesmal spürte Vettel ganz genau, dass Hamilton da war. Er spürte ihn etwas zu sehr. In der zweiten Schikane, "Roggia", schob sich Hamilton an Vettel vorbei, der in den Kurven davor vor allem damit beschäftigt war, irgendwie an dem vor ihm gestarteten Teamkollegen Kimi Räikkönen vorbeizukommen. Vettel wollte Hamilton den Weg blockieren, als es schon zu spät war. Er rempelte mit seinem Ferrari in die Seite des Mercedes und drehte sich um 180 Grad.

"Ich bin sehr stolz auf das Manöver", sagte Hamilton. Und das durfte er auch sein. Er hatte eine Chance genutzt, die er gar nicht hätte haben dürfen. Eine Chance, die ihm die roten Autos vor ihm mit ihren Positionskämpfen erst geboten hatten. Hamilton hatte Vettel in einen Fehler getrieben, indem er antizipierte, wie sich Räikkönen und Vettel auf der Strecke verhalten würden. "Es muss furchtbar für ihn sein", sagte Hamilton über Vettel, wohlwissend, dass es wirklich furchtbar war. Und manchmal ist gespieltes Mitleid ja die schlimmste aller Erniedrigungen.

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Sebastian Vettel

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Quelle: AFP

Sebastian Vettels Stimme war im Funk nach seinem Dreher klar zu vernehmen. Hamiltons Manöver beschrieb er dort als "dumm" - allerdings nu in einer ersten, emotionalen Reaktion nach dem Crash. Später wiederholte er diese Formulierung nicht mehr. Stattdessen sagte er, Hamilton habe ihm "nicht genug Platz gelassen". Konfrontiert mit dem Vorwurf der Dummheit konterte Hamilton trocken: "Nun, das Manöver hat funktioniert, nicht wahr? Ich meine, die Leute erwarten von uns, dass wir Rad-an-Rad-Kämpfe zeigen. Das haben wir getan." Die Rennkommissare werteten die Szene als normales Rennmanöver. Vettel wird sich vor allem darüber geärgert haben, dass er sich in Monza nach dem Start überhaupt in einer Situation befand, in der er schon in der ersten Runde mit Hamilton aneinandergeraten konnte.

Ferrari hatte im Qualifying zunächst ihn, dann Räikkönen auf die Strecke geschickt. Der Finne war also in Vettels Windschatten - aber auch dank einer nicht perfekten Schlussrunde von Vettel - auf die Pole Position gefahren. So also kam es, dass Vettel im Rennen der Puffer zwischen Hamilton und Räikkönen war. Und nicht Räikkönen der Puffer zwischen Vettel und Hamilton. Und bei drei rivalisierenden Autos ist jenes in der Mitte dasjenige, das mit dem Vorder- und Hintermann aneinandergeraten kann. "Ich habe den Leuten, die es betrifft, meine Meinung gesagt", sagte Vettel auf die Frage, ob ihm im engen WM-Duell mit Hamilton eine Stallorder nicht helfen würde: "Ich erwarte mir nichts, habe noch nie etwas geschenkt bekommen." Im Übrigen sei es für ihn "okay", in der Spitze gegen drei Autos zu fahren. Er meinte die beiden Mercedes und den zweiten Ferrari. Nach einer Aufholjagd war Vettel Vierter geworden.

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Al Bano

Al Bano und Romina Power

Quelle: Jörg Carstensen/dpa

Und dann erhob Al Bano Carrisi seine Stimme, die ja so unvergleichlich ist, weil sie sanft und mächtig zugleich ist, um "Il canto degli Italiani" zu singen, die italienische Nationalhymne. Wie einer der drei Tenöre stand Al Bano da. Weißer Hut, blaues Sakko. Dazu die gute, alte Brille. Und seine Stimme erwärmte selbst die Zuschauer mit kalten Herzen. Kurz darauf donnerten Düsenjets über die Rennstrecke, um auch noch die italienische Nationalflagge in den Himmel zu pinseln. Ende des Jahres, das hat er angekündigt, will sich Al Bano für immer von den Bühnen dieser Welt auf seine privaten Weingüter zurückziehen.

Insofern war das ein schöner Marketing-Kniff der Formel 1, den 75-jährigen Barden nochmal in die Startaufstellung von Monza zu zerren. Überhaupt wird ja unter den neuen Besitzern der Formel 1 mehr gesungen als früher. Eigentlich soll das Publikum damit aber verjüngt werden, was bei Al Bano - ob nun mit oder ohne seine ehemalige Gattin Romina Power - nur eingeschränkt funktioniert. Beim Rennen in Texas in wenigen Wochen wird nicht Al Bano singen, sondern Bruno Mars und Britney Spears.

(Archivbild)

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Kimi Räikkönen

F1 Grand Prix of Italy

Quelle: Getty Images

Was war das für ein ereignisreiches Wochenende für Kimi Räikkönen. Da hat er in Monza zunächst tapfer den Inhalt seiner bislang nur auf Finnisch veröffentlichten Biografie verteidigt, in der es nur so wimmelt vor Episoden übers Fremdgehen und Vieltrinken. In dem Buch erzählt Räikkönen etwa davon, wie er im Jahr 2012 mal 16 Tage in Serie betrunken gewesen sei. Nachdem ihn der Prinz von Bahrain nach dem Rennen zu einer Party eingeladen hatte, war er gemeinsam mit einem Kumpel, dem Eishockeyprofi Kimmo Pikkarainen, wohl in einer einzigen durchgängigen Sauftour ohne Unterbrechung bis zum nächsten Rennen in Barcelona alkoholisiert. Dort wurde er Dritter. "Es hat meiner Karriere nicht geschadet", heißt es in dem Buch: "Ich habe halt auch noch für die anderen getrunken. Heute bin ich nicht mehr hinter Alkohol her. Ich habe genug gesoffen."

Berauscht von dieser Lebensbeichte fuhr er in Monza im Qualifying die schnellste jemals gefahrene Runde und schnappte sich noch vor seinem Teamkollegen Sebastian Vettel die Pole Position. Im Rennen dann lag er bis acht Runden vor Rennende in Führung, am Ende rettete er seinem Team mit seinem zweiten Platz wichtige Punkte. Und all diese Taten vollbrachte der 38-jährige Weltmeister von 2007, obwohl ihn Ferrari im Spätherbst seiner Karriere vor die Türe zu setzen gedenkt. Räikkönens Vertrag läuft Ende des Jahres aus. Und in Monza verdichteten sich die Zeichen, dass Ferrari den 20-jährigen Charles Leclerc an seiner Stelle ins zweite Cockpit neben Vettel setzen möchte. "Es gibt immer Möglichkeiten, auch generell im Leben", dichtete Räikkönen.

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Kevin Magnussen

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Quelle: AFP

Kevin Magnussen lieferte sich im Qualifying zum Groß Preis von Italien ein kleines Privatduell mit Fernando Alonso. Und so ein Duell mit Alonso muss man bekanntlich nicht nur auf der Strecke austragen, sondern vor allem mit Worten. Der 25-jährige Däne, der für den Haas-Rennstall startet, schlug sich dabei beachtlich. Alonso wollte im zweiten Abschnitt der Zeitennahme vorbei an Magnussen, beide rasten auf die erste Schikane zu, Magnussen innen und Alonso außen, keiner gab nach und schließlich berührten sich die Autos. Alonso lachte am Funk: "Magnussen will in Kurve eins ein Rennen fahren, hahahahaha!"

Magnussen wiederum fand Alonsos Verhalten "nur dumm und unnötig". Er werde doch nicht eine seiner eigenen Runde für Alonso opfern, "keine Chance, da hänge ich mir vorher auf!" Und es sei auch so: "Ich weiß, Fernando Alonso hält sich für Gott." Diese Aussage ließ Alonso unwidersprochen so stehen.

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Renault

F1 Grand Prix of Italy - Final Practice

Quelle: Getty Images

Wie hart der Kampf geführt wird auch, in den hinteren Reihen der Formel 1, das hat am Sonntag das Team von Renault vorgelebt. Wenige Stunden nach Rennende verschickte der Weltverband Fia die Nachricht, dass der Rennfahrer Romain Grosjean vom Team Haas nachträglich vom Rennen in Monza ausgeschlossen worden sei. Damit verlor er seinen sechsten Platz. An seinem Rennwagen hatten die Rennkommissare am Sonntag einen illegalen Unterboden festgestellt. Beziehungsweise: Sie hatten ihn festgestellt, nachdem sie von Renault auf den illegalen Unterboden hingewiesen worden waren.

Grosjeans Team hatte nach dem Rennen in Monza kurzzeitig auf dem vierten Platz der Konstrukteurs-Wertung gestanden, nun ist dort wieder Renault (im Bild Nico Hülkenberg) zu finden. Bei dem Verstoß geht es letztlich um eine kleinkarierte Auslegung von Richtwerten, die den Radius eines Teiles an der Bodenplatte festlegen. Aber Renault geht es ja auch nicht um Bodenplatten, sondern um den Platz in der Konstrukteurs-Wertung.

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Die italienischen Fans

F1 Grand Prix of Italy

Quelle: Getty Images

Die Tifosi, die italienischen Fans in Monza, könnten die besten der Welt sein. Sie erfüllen fast alle Kriterien, die Fans großartig machen können. Sie sind viele, sie sind laut, sie sind kreativ. Und sie sind in erster Linie Anhänger einer Marke, von Ferrari, und nicht einer Nationalität. Am Sonntag aber bewiesen die sonst so großen Ferraristi im Autodromo Nazionale von Monza ihre Kleingeistigkeit. Zumindest sehr viele von ihnen. Sie pfiffen den Gewinner aus, Lewis Hamilton, den viermaligen Weltmeister im Mercedes.

Natürlich war es emotional betrachtet ein harter Moment für die Menschen, die gekommen waren, um den ersten Sieg eines roten Rennwagens in Monza seit acht Jahren zu erleben. Der Moment war vor allem deshalb so hart, weil alles angerichtet war für diesen Sieg, die Ausgangslage war nie besser, der Ferrari so schnell wie seit Jahren nicht. Und zum ersten Mal seit 18 Jahre waren zwei Ferrari aus der ersten Reihe gestartet. Im Autodrom hängen zu Recht Banner an den alten Tribünen mit der Aufschrift: "Man kann die Leidenschaft nicht beschreiben, man kann sie nur leben." Man sollte die Leidenschaft nur nicht pfeifen.

© SZ.de/ebc/biaz
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