Süddeutsche Zeitung

Verunglückter Basketballer Shawn Bradley:Tragik um Siggi

2,29 Meter lang und ein kurioser Spitzname: Der frühere NBA-Profi Shawn Bradley ist nach einem Unfall querschnittsgelähmt. Der Nowitzki-Kumpel lief auch für Deutschland auf - jetzt hat er trotz Behinderung ein großes Ziel.

Von Jonas Beckenkamp

Als Shawn Bradley für die deutsche Basketball-Nationalmannschaft auflief, war die Sache mit einem Spitznamen für ihn schnell geklärt. "Siggi", so nannten sie ihn beim Deutschen Basketball Bund (DBB) scherzhaft, und natürlich steckt hinter Spitznamen immer auch ein Funken Wahrheit. Bradley, ein US-Amerikaner, der im pfälzischen Landstuhl zur Welt kam, war um die Jahrtausendwende kurzfristig eingebürgert worden. Er hatte eine deutsche Mutter, und als Willkommensgeschenk gab es von den Mitspielern eben einen typisch deutsch klingenden Kosenamen.

Einen wie Siggi konnten sie 2001 gut gebrauchen im deutschen Basketball. Er kam aus der NBA, maß sagenhafte 2,29 Meter und war ein Kumpel und Teamkollege von Dirk Nowitzki. Gemeinsam erlebten die zwei Mavericks aus Dallas eine durchaus erfolgreiche Europameisterschaft in der Türkei. Deutschland wurde Vierter, Nowitzki traf vorne die Dreier, Bradley räumte hinten unter dem Korb mit seiner schieren Präsenz auf. Alles ewig her, beide sind längst in Sportlerrente. Doch die gestaltet sich bei Bradley nun auf tragische Weise anders als geplant.

Wie jetzt bekannt wurde, war der 48-Jährige am 20. Januar wenige Meter von seinem Zuhause in St. George im US-Bundesstaat Utah mit dem Fahrrad unterwegs, als ihn ein Auto von hinten erfasste. In den USA ist von einem "biking accident" die Rede, sein Ex-Verein Dallas Mavericks hat erklärt, der Radler Bradley sei einfach von hinten umgefahren worden. Dabei erlitt er eine traumatische Rückenmarkverletzung. Der neunmalige Nationalspieler muss den Rest seines Lebens mit einer Querschnittslähmung verbringen.

"Er ist einer der nettesten Typen der ganzen NBA"

"Nach einer Halsfusionsoperation hat Bradley die vergangenen acht Wochen im Krankenhaus verbracht", heißt es in dem Statement, das der NBA-Klub veröffentlichte, der frühere Center begebe sich nun in eine langwierige Reha. Die Ärzte hätten ihm mitgeteilt, dass es ein zeitraubender und mühsamer Kampf werde, wieder ins Leben zurückzufinden, aber, immerhin: Bradley ist offenbar nicht demoralisiert, er sei bei guter Laune.

Die Bestürzung bei seinen Wegbegleitern ist trotzdem groß. "Das trifft uns alle hier bei den Mavs sehr, wir hoffen, dass es ihm bald besser geht", sagte Dallas-Coach Rick Carlisle über die tragische Nachricht. Ähnlich emotional äußerte sich auch Mavs-Teambesitzer Mark Cuban: "Der Unfall macht uns traurig. Shawn hatte immer einen starken Willen, er ist ein Kämpfer. Wir wünschen ihm die bestmögliche Genesung."

Bradley galt in seiner aktiven Zeit als sanfter Riese, er war keiner, der in der NBA dem Trash Talk frönte, meist lief es eher andersrum: Jüngere, athletischere Profis brüsteten sich auf dem Parkett lautstark damit, wenn ihnen seltenerweise ein "Poster-Dunk" gelang - und sie den Ball fotografengerecht über den Giganten Bradley in den Korb stopften. Bradley nahm solche Aktionen mit Humor (er spielte sogar im Kinofilm "Space Jam" mit). Manche empfanden sein Spiel angesichts seiner enormen Größe als zu soft, zu unentschlossen - dabei hatte er durchaus seine Qualitäten. Einmal gelang ihm das Kunststück eines sogenannten "Triple Doubles" aus 22 Punkten, 22 Rebounds und 13 geblockten Würfen.

Bradley will sich nun für die Sicherheit von Radfahrern im Straßenverkehr einsetzen

"Er war in jeder Hinsicht ein toller Mitspieler", sagte jetzt sein früherer Kollege Cedric Ceballos: "Das trifft mich echt, denn ich bin auch Fahrradfahrer." Und Devin Harris, der sein Rookie-Jahr an Bradleys Seite bei den Mavericks verbrachte, erklärte: "Er ist einer der nettesten Typen der ganzen NBA. Er half mir klarzukommen, er war immer für einen da. Er hat den Spirit, auch diesen Schlag zu verkraften."

Und tatsächlich blickt Bradley trotz seiner schweren Behinderung bereits nach vorne. Er plane, nach dem Unfall das öffentliche Bewusstsein für die Sicherheit von Radfahrern im Straßenverkehr zu stärken, teilte er mit. Um die ist es besonders im Autofahrerland USA nicht gut bestellt - vielleicht kann Siggi daran tatsächlich etwas ändern.

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