In Rom haben sie bekanntlich schon vieles erlebt, es gibt dieses Monument von einer Stadt ja schon ein Weilchen. Aber manche Dinge des römischen Fußballs regen doch immer wieder aufs Neue zum Kopfschütteln an. Dabei geht es nach diesem Wochenende noch nicht mal um den verlorenen Saisonauftakt von Lazio Rom gegen den SSC Neapel. Beim 1:2 des Hauptstadtklubs fielen auf beiden Seiten schöne Tore, eines erzielte der frühere Dortmunder Ciro Immobile für die Römer, ein anderes später Lorenzo Insigne für Carlo Ancelottis neuen Klub.
Nein, es geht einmal mehr um einen Teil an Unbelehrbaren unter den Härtesten der Harten in der Lazio-Fankurve. Eine Splittergruppe der berüchtigten Ultras hat in Italiens Fußball-Liga gleich zum Start dieser Spielzeit ein Statement gesetzt, das abscheuliches Gehabe der Ultras in gleich mehreren Facetten illustriert. Sexismus, Chauvinismus, Faschismus, es ist alles dabei.
Einige Lazio-Anhänger, die unter dem Namen "Direttivo Diabolik Pluto" firmieren, verteilten in der Curva Nord, der Heimat der Hardcore-Fraktion, Flugblätter mit einer mehr als fragwürdigen Message: Mit dem Papier, von dem mittlerweile Fotos im Netz kursieren, fordern sie Frauen auf, sich im Olympiastadion nicht in den vorderen zehn Reihen des Fanblocks aufzuhalten. "Die Curva Nord stellt für uns einen heiligen Raum dar", steht dort in symbolisch aufgeladenem Geschwurbel - und die ersten Reihen symbolisierten die Zone, in der die Schlacht geschlagen würde. Fußball als Kriegstreiberei, dieses martialische Denken führten die Ultras dann näher aus.
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"In den Schützengräben lassen wir Frauen, Ehefrauen und Freundinnen nicht zu, also laden wir sie ein, sich ab der zehnten Reihe zu positionieren", schrieben die Fans. Von ihrer Seite ist dies eine neuerliche Entgleisung in einer an Grenzüberschreitungen nicht armen Historie. Lazio und Teile seiner Fans, dieses Problemfeld ist in Italien längst bekannt. Schon früher gab es ähnliche Aktionen, oft lappte die Stimmung eher ins Rassistische denn ins Sexistische, aber stereotypisch-radikal ging es bei Lazio-Spielen häufig zu.
Selbst einem erklärten Faschisten wie dem Ex-Lazio-Profi Paolo Di Canio jubelten die Tifosi einst bei einem Derby gegen AS Rom zu, als er 2005 zur Feier des Tages mit ausgestrecktem rechten Arm grimmig Richtung Kurve grüßte. Er habe nur den "Irriducibili", den Unbeugsamen unter den Ultras, mit dem "römischen Gruß" salutieren wollen, sagte er danach. Von der Geste, die dem Hitlergruß ähnelt, kann sich jeder selbst ein Bild machen.
Im aktuellen Fall der propagierten Frauen-Aussperrung sah sich der Verein schließlich gezwungen, sich von der Haltung der Sexisten in der Kurve zu distanzieren. "Das ist nicht die Meinung des Klubs. Wir sind gegen jede Diskriminierung", sagte Vereinssprecher Arturo Diaconale, der zudem darauf verwies, dass es doch zahlreiche andersdenkende Lazio-Fans gebe. "An dieser Aktion sind nur einige wenige beteiligt, deren politisch inkorrektes Verhalten wir nicht immer verhindern können."
Kritik kam dagegen aus anderen Teilen des italienischen Fußballs. So äußerte sich beispielsweise Ex-Nationalspielerin Carolina Morace, die soeben als Trainerin des neu gegründeten Frauen-Profiteams des AC Mailand ihre Tätigkeit aufgenommen hat. "Das sind vielleicht nur ein paar Idioten, aber es ist trotzdem nicht hinzunehmen. Ich hoffe, dass solche Leute nicht mehr ins Stadion dürfen." Ihre treffendste Aussage verweist auf den Zeitgeist: "Offenbar befinden wir uns wieder im Mittelalter." Morace, die sich als frühere Spielerin des Römer Klubs Lazio sehr verbunden fühlt, fügte aber an: "Die Mehrheit der Zuschauer verhält sich korrekt, diese Initiative stammt von einem kleinen Teil."
Auch homophobe und antisemitische Botschaften waren schon zu sehen
Doch diese wenigen sorgen bei Lazio immer wieder für Schlagzeilen. Erst im vergangenen Jahr hatten Tifosi im Stadio Olimpico einen Skandal produziert, als sie bei einer Partie gegen Cagliari Hunderte Fotomontagen mit dem Gesicht von Anne Frank in einem Trikot von Stadtrivale AS Rom auf die Sitze klebten. Neben dem Konterfei des im Holocaust getöteten jüdischen Mädchens waren damals eindeutig antisemitische und homophobe Botschaften zu sehen. Etwa der Spruch "Romanista ebreo", was so viel bedeutet wie "jüdischer Roma-Fan".
Der Verein der Blauweißen wurde vom italienischen Fußball-Verband dafür mit einer Geldstrafe in Höhe von 50 000 Euro belegt. Eine Gegenaktion von Klub und Spielern fand beim Großteil der restlichen Anhänger großen Anklang, ganz losgeworden ist Lazio seine Problemfans aber nie.