Sex-Appeal im Sport:"Die Bikinigröße lockt keine Sponsoren"

Manche Sportlerinnen und Sportarten versuchen, sich durch Sex-Appeal zu vermarkten. Gelingt das? Marketingexperte Stephan Schröder im Gespräch.

Th. Hummel

Das Tennisturnier in Wimbledon gilt als Hüter des Sittlichen und Reinen. Die Sportler dürfen nur in Weiß bekleidet auf den Platz und sollten sich nach englischem Vorbild gentlemanlike verhalten. Jetzt aber trat ein Interview mit dem früheren Wimbledon-Sieger Michael Stich eine Debatte über Sex-Appeal im Frauentennis los. Inwiefern können sich Sportlerinnen und Sportarten durch Sex-Appeal vermarkten? Ein Interview mit Stephan Schröder, Marketingexperte und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Sponsoringberatung Sport+Markt in Köln.

Sex-Appeal im Sport: Marketingexperte Stephan Schröder glaubt, dass die Abmessung von Bikinigrößen keine Sponsoren lockt.

Marketingexperte Stephan Schröder glaubt, dass die Abmessung von Bikinigrößen keine Sponsoren lockt.

(Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Welchen Einfluss hat der Sex-Appeal bei der Vermarktung von Sportlern?

Stephan Schröder: Bei den Frauen kann das sehr wichtig sein. Denn gerade bei der Einzelvermarktung sind die Verträge generell bei Frauen geringer dotiert als bei Männern.

sueddeutsche.de: Woran liegt das?

Schröder: Zum Teil, weil der Frauensport als weniger attraktiv wahrgenommen wird als der Männersport. Eine der wenigen Ausnahmen ist Tennis, dort stehen die Frauen mit den Männern sportlich auf einer Stufe.

sueddeutsche.de: Dennoch bemerken Kritiker, im Frauentennis wird vor allem Sex verkauft.

Schröder: Hier hat Anna Kurnikowa Maßstäbe gesetzt. Sie hat zwar sportlich wenig gewonnen, sah aber gut aus und war extrem gut vermarktet. Das ist ein Paradebeispiel für einen Markterfolg durch gutes Aussehen ohne sportliche Topleistungen. Das ist aber ein Einzelfall. Steffi Graf wurde häufig vorgeworfen, sie müsse in puncto Sex-Appeal was tun. Im Nachhinein hat sie sicher gut daran getan, sich nicht zu verändern. Sie ist dadurch die Persönlichkeit geworden, die sie heute ist, hat lukrative Werbeverträge und keine Geldsorgen.

sueddeutsche.de: Empfehlen Vermarkter ihrer Klientin, mehr Wert auf sexy Ausstrahlung zu legen?

Schröder: Das Geschäft ist von Männern geprägt. Sowohl bei den Vermarktern wie auch bei den Sponsoren. Und so versuchen schon einige Berater, ihre Sportlerinnen zu positionieren. Denn am Ende entscheidet ja wieder ein Mann, ob der Werbevertrag nun unterschrieben wird oder nicht.

sueddeutsche.de: Sehen Sie eine Tendenz zu mehr Sex-Appeal im Sport?

Schröder: Eine neue Tendenz sicher nicht, es geht ja schon seit Jahren so. Sicher ist die Sportkleidung etwas körperbetonter geworden und ein Rafael Nadal lässt die Muckis spielen. Aber eine Garantie auf Aufmerksamkeit ist das nicht. Die Williams-Schwestern laufen seit zehn Jahren sehr freizügig umher - doch ob das jedem gefällt und dem Frauentennis genutzt hat, sei dahingestellt.

sueddeutsche.de: Sportarten wie Beachvolleyball versuchen Sport und Sex-Appeal zu verbinden.

Schröder: Bei der Inszenierung Beachvolleyball zählen Sport, Strand und schöne Körper dazu. Aber Beachvolleyball ist in Deutschland nicht historisch gewachsen, da gibt es keine Fankultur. Und so tut sich die Sportart schwer, sich zu vermarkten.

sueddeutsche.de: Die Abmessung der Bikinigröße lockt keine Sponsoren?

Schröder: Keine Chance. Es gab ja mal die abstruse Geschichte, dass die Frauen im Hallen-Volleyball Einteiler tragen mussten. Das hat auch überhaupt nichts gebracht.

sueddeutsche.de: Allein guter Sport hilft aber auch nicht immer.

Schröder: Es gibt solche Fälle. Lena Schöneborn etwa, die Olympiasiegerin im Modernen Fünfkampf. Da kräht kein Hahn danach. Schöneborn ist eine ganz normal attraktive Frau, die Sportart reißt hingegen niemanden von den Socken, beziehungsweise keiner weiß, was Moderner Fünfkampf ist. Das vermarktet sich schlecht. Anders ist die Lage bei Britta Heidemann, die es geschafft hat, mit der Randsportart Fechten gute Werbeverträge in Deutschland und China zu bekommen. Auch, weil sie eine attraktive, interessante Persönlichkeit ist.

sueddeutsche.de: Tischtennisspieler Timo Boll ist in China sogar zum attraktivsten Mann der Welt gekürt worden.

Schröder: Und in Deutschland sagt man ihm nach, er sei langweilig. Es gibt eben unterschiedliche Vorstellungen über Attraktivität.

sueddeutsche.de: Manche Sportlerinnen lassen sich in Männerzeitschriften wie dem Playboy fotografieren. Gibt das dem Werbewert der Sportlerinnen einen Schub?

Schröder: Bekannter werden die Sportlerinnen auf jeden Fall, so etwas spricht sich rum. Ich sehe das aber sehr kritisch. Die meisten Athletinnen, die ich im Playboy gesehen habe, die hatten ihren Zenit überschritten und versuchten, im Gespräch zu bleiben. Zumal möchte nicht jeder Sponsor, dass sich seine Sportlerin für ein Männermagazin auszieht.

sueddeutsche.de: Können Versuche, über Sex-Appeal Aufmerksamkeit zu erreichen, auch nach hinten losgehen?

Schröder: Die Gefahr steigt, wenn der Sport zu sehr in den Hintergrund gerät. In Deutschland ist es tödlich, wenn sich der Eindruck bildet, es ginge nicht in erster Linie ums Ergebnis. Dann wird es gefährlich für eine Sportart. Die American-Football-Liga, die NFL Europe, hatte bei vielen Sportanhängern das Image, hier handelt es sich um das Trainingscamp für amerikanische Nachwuchsspieler. Das funktioniert in Deutschland nicht. Der Deutsche will die sportliche Leistung sehen, und dann kann die Dame oder der Herr auch hässlich sein.

sueddeutsche.de: Ist das in anderen Ländern anders?

Schröder: In den USA steht die Show und die Inszenierung mehr im Vordergrund.

sueddeutsche.de: Haben Sie einen Rat an die vielen darbenden Sportarten, die auf der Suche nach Sponsoren-Geldern sind?

Schröder: Die Strategie sollte nicht darauf abzielen, die Hübschesten aus dem Jahrgang zu fördern, sondern die Besten. Wenn die Besten dann auch noch gut aussehen, lässt sich das bestimmt leichter in bare Münze umwandeln. Es geht aber auch ohne Sex-Appeal.

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