Fußball:Mailands Goldjunge droht auszufliegen

AC Milan vs Sassuolo

Gilt als designierter Nachfolger von Gianluigi Buffon im Tor der italienischen Nationalelf - und vielleicht auch bei Juvents: Milans Gianluigi Donnarumma, 17.

(Foto: dpa)
  • Der Torhüter Gianluigi Donnarumma vom AC Mailand ist einer der begehrtesten Minderjährigen im Weltfußball.
  • Der 17-Jährige gilt als Erbe von Gianluigi Buffon und wird vom mächtigen Spielerberater Mino Raiola beraten.
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Von Birgit Schönau

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde Marinella Donnarumma auf den staubigen Plätzen in der Gegend um Neapel mit schöner Regelmäßigkeit vom Trainer ihres Sohnes Gianluigi gefragt: "Signora, haben Sie Gigios Ausweis dabei? Die wollen ihn hier nicht spielen lassen." Weil es für Süditaliens Schiedsrichter schlicht unglaublich war, dass dieser baumlange Gigio Donnarumma mit den riesigen Händen wirklich erst 11 Jahre alt war und tatsächlich ins Jugendteam gehörte. Seine Mitspieler waren einen Kopf kleiner.

Mit 14 zog Gigio in den Norden, weg aus Castellammare di Stabia, einem Küstenort nahe Pompeji, hin nach Mailand, zum großen AC Mailand. Er war schon der zweite Sohn von Signora Marinella und ihrem Mann, dem Tischler Alfonso, der an den Hof von Silvio Berlusconi gerufen wurde. Vorausgegangen war der große Bruder Antonio, ebenfalls Torwart, sechs Jahre älter als Gigio und mit seinen 1,92 Metern vier Zentimeter kleiner. Antonio Donnarumma ist heute Torwart beim griechischen Erstligisten Asteras Tripolis. Er erinnert sich daran, wie er als Junge dem kleinen Bruder Videos von Oliver Kahn vorspielte, ihrem großen Vorbild. "Heute ist Gigi Buffon der Beste", sagt Antonio. Aber das sei kein Grund für Gigio, zu Juventus Turin, dem Klub von Buffon, zu wechseln. "Gigio ist Milan-Fan, genau wie ich. Keine zehn Pferde bringen ihn zu Juve."

Sein Agent: der mächtige Mino Raiola

Kann schon sein, aber da wäre auch noch Mino Raiola. Der mächtige Agent hat soeben beim Transfer des Franzosen Paul Pogba von Juve zu Manchester United die Rekord-Tantieme von 25 Millionen Euro kassiert. Bei Juventus geht Raiola ebenso ein und aus wie beim AC Mailand. Gigio Donnarumma wird von ihm seit Kindestagen betreut. In Castellamare war Raiolas Cousin Enzo auf den jungen Torwart aufmerksam geworden, der im Milan-Trikot zur Schule ging. Im Juli 2013 rief Mino Raiola in der Tischlerei Donnarumma an: "Der AC Mailand will Gigio." Und seither geht es rasend schnell nach oben.

Mit noch nicht 16 durfte Gianluigi Donnarumma auf der Bank der ersten Mannschaft Platz nehmen, mit 16 gab er seinen Einstand in der Serie A. Für Milan hat er seither 48 Spiele absolviert, schon lange ist er die unbestrittene Nummer 1. Auch in der Nationalmannschaft gab Gigio aus Castellamare sein Debüt, im September löste er nach einer Halbzeit Gianluigi Buffon im Länderspiel gegen Frankreich ab. Erst Gigi, dann Gigio; dass der Junge ihn in nicht allzu ferner Zukunft beerben wird, sagt Buffon inzwischen sogar selbst. In der Nationalelf sowieso, spätestens, wenn Buffon, der am 28. Januar 39 Jahre alt wird, nach der WM 2018 in Russland aufhört. Und bei Juve? An dem Deal wird jedenfalls schon mächtig gedreht. Dabei muss Gigio Donnarumma erst noch 18 werden.

Am 25. Februar ist es soweit. Bis dahin ist der Lulatsch von Milan der wohl heiß begehrteste Minderjährige des Weltfußballs. Neben Juventus soll auch Real Madrid interessiert sein, vorsorglich hat Raiola den Marktwert jenseits der 100-Millionen- Euro-Marke eingepflockt. Für den Agenten, der Zlatan Ibrahimovic und Henrikh Mkhitaryan zu seinen prominenten Kunden zählt, ist das Riesentalent aus Süditalien das nächste Goldstück im Sortiment. Also weist Raiola schon mal darauf hin, dass Donnarummas Vertrag bei Milan im Sommer 2018 ausläuft. Was für den derzeitigen Arbeitgeber bedeutet: Eine neue Vereinbarung muss her, und zwar plötzlich. Wer aber daran interessiert wäre, den Torwart zu übernehmen, der müsste sich jetzt ganz flott bewegen.

Buffon könnte Donnarumma den Weg bereiten

Bei Milan geht es gerade drunter und drüber. Die Kaufverhandlungen mit den Chinesen von Sino Europe Sports ziehen sich seit Monaten hin und dürften kaum vor März abgeschlossen sein, was dem Noch-Besitzer Berlusconi bereits den wenig schmeichelhaften Beinamen "Ewiger Verkäufer" eingebracht hat. Bekanntlich versucht Berlusconi, seinen Klub loszuwerden, bislang vergeblich. Von Sino Europe Sports hat er immerhin eine Anzahlung von 200 Millionen Euro kassiert, die er naturgemäß nicht in die Verstärkung der Mannschaft zu investieren gedenkt. Das sollen gefälligst die Nachfolger übernehmen. "Wir stellen uns auf einen ruhigen Winter-Transfermarkt ein", erklärte Berlusconis Dauer-Vikar Adriano Galliani, was bedeutet: Bei uns bewegt sich gar nichts.

Dass Milan inmitten des Machtvakuums der Führung die 29. Trophäe der Ära Berlusconi ergattern konnte, ist Gigio Donnarumma zu verdanken. Beim Match um den Ligapokal in Doha/Katar hielt der Torwart beim Elfmeterschießen den Schuss von Juventus-Spieler Paulo Dybala und sicherte so den Sieg für seine Mannschaft. Noch nicht 18, und schon den ersten Pokal für Milan geholt. Vielleicht aber auch schon den letzten.

Was hat Milan dem Überflieger Donnarumma zu bieten?

Denn dass der Milan-Fan Gigio Donnarumma, der zurzeit noch im Internat seines Klubs mit Blick auf das Stadion von San Siro wohnt, wirklich bei seinem Herzensverein bleibt, ist längst nicht ausgemacht. Soeben hat der AC Mailand eine Offerte von Manchester City ausgeschlagen. Der Guardiola-Klub hatte zwei Millionen Euro für den 16-jährigen Alessandro Plizzari geboten, den Torwart der Jugendmannschaft sowie der U17-Nationalmannschaft. Ein Talent, das im Schatten des kaum älteren Gigio Donnarumma zu bleiben droht, wenn nicht einer von beiden Milan bald verlässt. Lange hat ein italienischer Klub nicht derart vielversprechende Torhüter ausgebildet wie der AC Mailand.

Aber was hätte Milan in naher Zukunft dem Überflieger Donnarumma zu bieten? Vielleicht eine Teilnahme in der Champions League, das ist jedenfalls das Saisonziel. Derzeit steht Milan noch auf Platz fünf. Tabellenführer Juventus strebt den sechsten Meistertitel in Serie an; mit einem Umsatz von 388 Millionen Euro, etwa doppelt so hoch wie der von Milan, Inter Mailand und AS Rom, ist das kein unrealistisches Ziel. Bei Juve hätte Donnarumma die große Bühne, angeleitet vom größten Kollegen weit und breit: Gigi Buffon.

Der Kapitän ist souverän genug, dem Jungen den Weg zu bereiten und gegebenenfalls sogar hinter ihm zurückzustehen. Angeblich bietet Juve Donnarumma, der in Mailand 200 000 Euro jährlich verdient, fünf Millionen Euro netto. Ein Berg von Geld für einen 18-Jährigen. Es gab Zeiten, da hätte Berlusconi locker mitbieten können. Jetzt kann er dem Sohn des Tischlers Alfonso Donnarumma nur Nestwärme bieten. Und hoffen, dass der Goldjunge nicht ausfliegt.

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