Serie A:Leonardo Bonucci: Der Kaiser vom Todesplatz

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Leonardo Bonucci feiert sein Tor gegen Inter Mailand.

(Foto: Marco Bertorello/AFP)

Pep Guardiola lobt den Juventus-Verteidiger als einen seiner "Lieblingsspieler seit immer". Die Verantwortlichen in Turin fürchten einen Hintergedanken.

Von Birgit Schönau, Rom/Turin

Ein harter Hund, dieser Leonardo Bonucci. Gleich nach dem Schlusspfiff, noch auf dem Platz, wird ihm ein Mikrofon unter die Nase gehalten. Es ist 23 Uhr am Sonntag, er soll etwas zum Spiel sagen, zum 2:0 von Juventus über Inter Mailand, bei dem der Verteidiger den Führungstreffer erzielt hat. Es regnet in Strömen, die ganze Zeit schon. Bonucci läuft das Wasser aus den Haaren, aus dem Trikot, es tropft aus seinem Gesicht. Er reckt das Kinn ein wenig vor und verkündet: "Es reichte jetzt mit den Unentschieden, wir mussten mal wieder gewinnen."

Nur zur Information: Die beanstandeten Remis waren genau zwei: ein 0:0 gegen den FC Bologna und ein 2:2 gegen den FC Bayern. Hintereinander. Nach zuvor 15 Ligasiegen in Serie. Ob es für ihn einen besonderen Geschmack habe, wird Bonucci noch gefragt, Inter zu schlagen, jenen Klub, für den er die ersten Auftritte in der Serie A absolvierte? "Jeder Sieg schmeckt mir gut", knurrt er, "deswegen spiele ich ja Fußball."

Manchmal verklären ihn die Medien zum "Beckenbonucci"

Manchmal macht er das so gut, dass ihn die Medien Italiens zum "Beckenbonucci" verklären. Doch die leutselige Aura von Kaiser Franz geht Bonucci so vollkommen ab, dass über ihn gespottet wird, er habe ein Gelübde abgelegt: Außerhalb der eigenen vier Wände niemals zu lächeln. Das lässt ihn, zusammen mit dem kantig-kernigen Haarschnitt und dem schütteren Bart, älter erscheinen als 28 Jahre. Dass Bonucci derzeit die Vorzeigeikone des italienischen Verteidigers verkörpert - und ganz nebenbei auch noch einer der "Lieblingsspieler seit immer " (Zitat) von Pep Guardiola ist - liegt an seiner unwiderstehlichen Mischung aus Kampfgeist, taktischer Intelligenz und überraschender Raffinesse.

All das ist verbunden mit jener Juve-Disziplin, die altmodisch und unglamourös erscheinen mag wie Bonuccis Heimatstadt Viterbo. Wenn man dann genauer hinschaut, erblickt man ein Ensemble, das in Jahrhunderten alles erlebt und allem getrotzt hat und das seine Schönheit lieber versteckt als herzeigt. Viterbo ist reinstes Mittelalter, trutzig, düster und wehrhaft. Zeitweise residierten die Päpste dort, und als den Leuten von Viterbo mal eine Papstwahl zu lange dauerte, deckten sie kurzerhand das Dach über dem Konklave-Saal ab. Noch heute heißt der Platz, auf dem sich Samstagabends die lokale Jugend zum Trinken und Feiern trifft: "Piazza della Morte", Todesplatz. Da also kommt Bonucci her, und dass er sich nicht allzu weit von seiner Heimat entfernt, dafür will Juventus sorgen.

Will Guardiola Bonucci zu Manchester City holen?

Manager Giuseppe Marotta trat jedenfalls entschieden Gerüchten entgegen, nach denen die Schmeicheleien des Herrn Pep nicht anderes seien als eine Einladung zu Guardiolas nächstem Arbeitgeber, Manchester City: "Wir sind stolz, wenn große Trainer unsere Spieler loben", sagte Marotta, "aber wir lassen unsere Männer nur ziehen, wenn sie das wollen. Und das ist bei Leo Bonucci nicht der Fall." Unverzichtbar ist er wie Kapitän Gianluigi Buffon im Tor, der in der Serie A seit 746 Minuten kein Gegentor kassiert hat. Nur die Bayern haben ihn in der Champions League im Achtelfinal-Hinspiel zweimal überwunden.

Mit Inter hatte Juventus leichtes Spiel, zu keinem Zeitpunkt hatten die Gäste auch nur den Hauch einer Chance, den alten Erzrivalen zu schlagen. Juve gegen Inter, das war einmal das "Derby d'Italia", zwischen zwei ewigen Erstligisten - ein Rekord, der nur den Mailändern geblieben ist.

Inter ist Juventus nicht mehr gewachsen

Doch das Team von Inter-Coach Roberto Mancini zeigte sich der Konkurrenz nicht gewachsen. Viel Lauferei, viel Gehacke im Mittelfeld, null Inspiration. Dass der eingewechselte Alvaro Morata in der Schlussphase per Elfmeter das 2:0 besiegelte, war nur eine Formalität. "Beim ersten Gegentor habe ich Dinge gesehen, die nicht in die Serie A gehören", berichtete Inter-Manager Pietro Ausilio leicht angeekelt - er meinte die Vorstellung seiner eigenen Mannschaft.

Mancini hatte sich am Spielfeldrand derart heiser gebrüllt, dass ihm am Ende die Stimme wegblieb. Juve aber musste sich keineswegs verausgaben, um die Tabellenführung zu verteidigen. Am Mittwoch geht es nach Mailand, wieder gegen Inter. Zum Halbfinal-Rückspiel im Italienpokal dürfte Massimiliano Allegri die Kräfte seiner Stammspieler schonen, schließlich wurde das Hinspiel 3:0 gewonnen. Nur Bonucci will unbedingt dabei sein. Sein Siegeshunger ist unstillbar.

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