Serie A:Die Affäre des Sommers um den eiskalten Engel

Patrik Schick during the UEFA European Under 21 match between Czech Republic and Denmark at Arena Ty

Alle 129 Minuten ein Tor für Genua: der Tscheche Patrik Schick.

(Foto: mb media/imago)
  • Patrik Schick gilt als großes Sturmtalent. Nach einem Jahr bei Sampdoria Genua wollten ihn diverse italienische Spitzenklubs haben.
  • Bei Juventus Turin war er schon zum Medizincheck erschienen, doch der Transfer scheiterte angeblich an leichten Herzproblemen.
  • Stattdessen landet der Tscheche nun in Rom. Und löst Gabriel Batistuta als teuersten Transfer der Klubgeschichte ab.

Von Birgit Schönau, Rom

Es ist schon eine ganze Weile her, dass Tifosi des AS Rom einen warmen Spätsommerabend geopfert haben, um sich am Flughafen für einen Fußballer die Beine in den Bauch zu stehen. Am Montag war es so weit: 200 Römer warteten Fähnchen schwingend auf den Tschechen Patrik Schick, über Stunden ging nichts mehr im Terminal für Inlandsflüge. Dabei hätte Schick aus Genua auch gemütlich mit dem Zug anreisen können. Aber das wäre unpassend gewesen für den mutmaßlich teuersten Spieler in 90 Jahren Vereinsgeschichte. Mit seinen 21 Jahren kostet der lange, schmale Angreifer die Roma mehr als der bis heute unvergessene Argentinier Gabriel Omar Batistuta, der vor 17 Jahren für umgerechnet 35 Millionen Euro vom AC Florenz gekommen war und dem Hauptstadtklub im Jahr darauf prompt den bislang letzten Meistertitel bescherte.

40 Millionen Euro kostet Schick - mehr als einst Gabriel Batistuta

Für das Prager Wunderkind Schick muss zunächst eine Leihgebühr von fünf Millionen Euro an Sampdoria Genua überwiesen werden. Ebenfalls fünf Millionen kostet Schicks Gehalt. Darüber hinaus hat die Roma sich verpflichtet, 13 Millionen am Saisonende und weitere 19 Millionen zum Schluss des Fußballjahres 2018/19 an den alten Klub zu zahlen. Zwei Millionen Euro Bonus kommen eventuell noch drauf, macht zusammen fast 40 Millionen. Ein Riesenreibach für Sampdoria, das Schick erst vor Jahresfrist für vier Millionen Sparta Prag abgekauft hatte. "Ein Schnäppchen für die Roma", säuselt Genuas Patron Massimo Ferrero, der als Sohn einer Marktfrau von der römischen Piazza Vittorio jenes alte Sprichwort kennt, nach dem es müßig ist, einen Wirt nach der Qualität seines Weins zu fragen. Übrigens war der Spieler dem AS Rom im vergangenen Jahr auch angeboten worden. Für drei Millionen.

In diesem Sommer war Ferrero ursprünglich mit Juventus über Schick handelseinig geworden. 30 Millionen hatte der Rekordmeister aus Turin geboten, alles war schon spruchreif und der Spieler zeigte sich bereits im schwarz-weißen Juve-Trikot. Im letzten Moment platzte der Deal - nach der ärztlichen Routinekontrolle. Angeblich hatten die Mediziner leichte Herzprobleme festgestellt. Juventus trat daraufhin von dem ursprünglichen Angebot zurück und offerierte, den Spieler noch ein Jahr in Genua zu lassen. Ferrero lehnte das ab. Als Schick bei nachfolgenden Untersuchungen für spielfähig erklärt wurde, trat Juve erneut auf den Plan, bot 8,5 Millionen Euro auf Leihbasis bis Januar, mit anschließender Zahlung der Ablösesumme über 22 Millionen. Auch das wurde abgelehnt. Sampdoria verhandelte inzwischen mit der Mailänder Internazionale und mit dem AS Rom, beide boten mehr. Überdies hatte sich noch der SSC Neapel eingeklinkt, der den Tschechen gegen gleich drei Spieler eintauschen wollte.

Schick, soviel war klar, wäre am liebsten nach Turin gezogen, wo er seinen Landsmann Pavel Nedved als Juventus-Vizepräsidenten getroffen hätte. Doch bei Sampdoria wollte man keine Zugeständnisse machen. Schließlich war der Spieler mit dem Wechsel in die Hauptstadt einverstanden. Am Sonntag, als hinter den Kulissen schon alles festgezurrt war, wurde das Roma-Denkmal Francesco Totti auf Schick angesprochen. Der ewige Kapitän Totti, frisch pensioniert als Fußballer und nun Lehrling im Management, umdribbelte die Fragesteller gekonnt. Er habe dem jungen Kollegen eine SMS geschickt, berichtete er verschmitzt. Und Schick habe auch geantwortet, "was ja beweist, dass er gut erzogen ist. Ob da Ja oder Nein stand, konnte ich leider nicht entziffern. Es war auf Englisch ..."

Die Affäre Schick war der Höhepunkt des diesjährigen Transfer-Sommertheaters in Italien. Protagonist ist neben dem Berufsschauspieler und Kinoproduzenten Massimo Ferrero ein junger Profi, der im Film durchaus den eiskalten Engel geben könnte. "Wenn es mit dem Fußball nicht geklappt hätte, hätte ich mein Glück in der Welt der Mode versucht", hat Schick mal gesagt, seine Schwester Krystina ist ein gefragtes Model. Für Patrik scheint es indes mit dem Fußball ganz ordentlich zu laufen, nachdem die erste Saison in Italien ihn gleich groß herausgebracht hat. Elf Ligatore und zwei Pokaltreffer bei nur 13 Startelfeinsätzen, insgesamt ein Tor alle 129 Minuten - so jemanden brauchen sie jetzt beim Vorjahreszweiten AS Rom, nach dem Wegzug des pfeilschnellen Ägypters Mohamed Salah zum FC Liverpool. Wobei die Roma einen Verteidiger noch nötiger hätte als einen zusätzlichen Angreifer, wie das 1:3 gegen Inter am Samstag beweist. Stattdessen wird jetzt die Rekordsumme für einen neuen Partner für Edin Dzeko auf den Tisch gelegt.

Schick ist ein technisch versierter Sprinter. Schwierig, diesem Linksfuß den Ball abzuluchsen, noch vertrackter, seine Torschüsse abzuwehren. Problemlos weicht der Mittelstürmer auf die Flügel aus, er wirkt wie eine tschechische Reinkarnation des Niederländers Dennis Bergkamp. Pavel Nedved erinnert er hingegen eher an einen alten Schweden: "Zlatan Ibrahimovic war auch so, als er zu Juve kam. Damals hatte Ibra noch nicht all diese Muskeln, er war einfach sehr lang, sehr schnell und geschickt mit dem Ball." In der Nationalmannschaft macht das Talent sich einstweilen daran, Tomas Rosický zu beerben: Im Mai 2016 gab Schick sein Debüt im Spiel gegen Malta. In der 66. Minute löste er Rosický ab - und erzielte wenig später prompt das tschechische 6:0. Am Freitagabend, gegen Weltmeister Deutschland, wird der junge Schick vermutlich wieder Joker sein. Also eiskalt engelhaft gefährlich.

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