Serge Gnabry:Löws neuer Dribbler

San Marino v Germany - FIFA 2018 World Cup Qualifier

Er nutzt seine Chancen, gegen San Marino dreimal: Serge Gnabry.

(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Von Martin Schneider, Serravalle

Manchmal werden die richtigen Fragen in einem kalten Flur gestellt. Draußen prasselte der Regen seit mittlerweile neun Stunden pausenlos auf die Hänge des Titanenbergs bei Serravalle, San Marino. Drinnen stapfte ein Großteil der deutschen Nationalspieler sehr schnell von der Kabine durch diesen Flur zum Bus, um die durch die Dusche gewonnene Körperwärme nicht sofort wieder zu verlieren. Serge Gnabry durfte nicht so schnell zum Bus, er musste stehenbleiben und erzählen, wie das so war: Debüt in der Nationalmannschaft, erstes Tor nach neun Minuten, drei Tore nach 90 Minuten. Nur Dieter Müller und der große Fritz Walter hatten das auch geschafft.

Dann fragte ein Reporter: "Wenn man Sie gerade so spielen sieht, bei Olympia, bei Bremen, jetzt in der Nationalmannschaft, sind Sie die Jahre vorher verkannt worden?" Gnabry stutzte kurz. Eine Ja- oder Nein-Frage. "Äh", sagte Gnabry. Kurze Pause. "Ich weiß, was ich kann, wenn mein Körper fit ist und wenn ich meine Spielzeit bekomme. Und das sind dann die Ergebnisse." Eine diplomatische Fußballer-Antwort, in die man viel oder nichts interpretieren kann. Aber man fragt sich schon: Wo kommt dieser Gnabry auf einmal her?

Gnabry zog die Sprints ein bisschen kräftiger an als die anderen

Natürlich hat Serge Gnabry drei Tore gegen San Marino geschossen. Eine Mannschaft, die nicht das Format hat, um relevante Gegenwehr zu leisten, 8:0 ging es am Ende aus. Das wussten alle, auch Gnabry selbst. "Das war jetzt mein erstes Spiel, gegen einen Gegner, der - sagen wir mal - nicht Italien ist. Deswegen sollte man da nicht zu viel draus machen", sagte er. Sein erstes Tor, das sei natürlich ein gutes Gefühl gewesen. Aber der Ball sei ihm auch vor die Füße gefallen, "und dann hab' ich ihn reingemacht".

Die anderen beiden Tore beschrieb er nicht, dabei stehen die trotz des schwachen Gegners gerade sehr beispielhaft für seinen Aufstieg. Zwei Bälle, die nach vorne gespielt wurden, einmal von Joshua Kimmich, einmal von Thomas Müller. Gnabry nahm die hohen Pässe nicht erst an, er schoss direkt aus der Luft technisch perfekt ein. Solche Schüsse, bei denen man einen nach vorne fliegenden Ball direkt verwandeln will, gehen auch im Training gerne mal schief. Man braucht Selbstvertrauen, um sie zu versuchen, und Gnabry ist gerade dabei, sie zu einer Art Markenzeichen zu machen. Schon in der Bundesliga schoss er so gegen Borussia Mönchengladbach das Tor des Monats.

Auch abseits der drei Tore spielte Gnabry wie jemand, der dieses Spiel im kalten Dauerregen wirklich ernst nahm. Zog die Sprints ein bisschen kräftiger an als die anderen, forderte den Ball energischer. Er spielte wie jemand, der verstanden hatte, dass es hier weniger gegen San Marino ging. Sondern darum, eine persönliche Chance zu nutzen.

Löw schwärmt nach dem Spiel

Drei Jahre spielte Gnabry beim FC Arsenal, setzte sich dort nicht durch. Eine schwierige Zeit, sagt er heute. Wurde er verkannt? In seinen wenigen Interviews klingt durch, dass er seinen Ex-Trainer Arsène Wenger zwar fachlich schätzte, sich in der einen oder anderen Situation aber mehr Zuneigung gewünscht hätte. Andererseits sagt er selbst, dass er seine Einstellung zum Beruf geändert habe, jetzt zum Beispiel mehr Wert auf Fitness lege.

Es brauchte dann aber noch ein überragendes Olympia-Turnier, damit der Techniker ins Blickfeld der Bundesliga kam. Ein Turnier übrigens, das nur deswegen im Finale gegen Brasilien endete, weil Gnabry in der Vorrunde das 3:3 gegen Südkorea per Freistoß in der Nachspielzeit schoss und Deutschland so im Turnier hielt. In Bremen richtete sich zu Beginn der Saison eine mehr als angeschlagene Bundesliga-Mannschaft an einem 21-Jährigen auf.

Diese Schüsse voller Selbstvertrauen könnten den gebürtigen Stuttgarter noch weit bringen. Er ist ein Spielertyp, den gerade Teams wie die deutsche Nationalmannschaft dringend brauchen. Wenn der Gegner sich hinten reinstellt und die Räume eng macht, müssen sich Spieler in Eins-gegen-Eins-Duellen durchsetzen können. In der Bundesliga ist er der Deutsche, der im Schnitt in die meisten Dribblings geht, häufiger als Arjen Robben zum Beispiel. Die deutsche Nationalmannschaft hat zwar viele Edeltechniker, aber der fehlende direkte Zug zum Tor ist eine der wenigen Schwächen, die Bundestrainer Joachim Löw permanent beklagt.

"Er ist sehr schnell, hat einen guten Rhythmus, einen guten Abschluss", lobte Löw, und wenn er solchen Abenden in San Marino etwas abgewinnen kann, gab er zu, dann dass sie dazu dienen, Spielern wie Gnabry einen "solchen Start in der Nationalmannschaft zu ermöglichen". Kurz bevor Serge Gnabry zum warmen Bus stapfen durfte, wurde er noch gefragt, wie man seinen Nachnamen eigentlich korrekt ausspricht. "G-Nabry", sagte er, mit hartem G und i am Ende. Kaum einer rechnet mehr damit, dass man sich den Namen nicht merken muss.

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