FC Bayern:Gnabry soll die Klubheiligen herausfordern

FC Bayern: Serge Gnabry bei seiner Präsentation mit Niko Kovac und Hasan Salihamidzic

Der neue FC Bayern München, repräsentiert durch Trainer Niko Kovac, den Hemden-Experten und Offensivsprinter Serge Gnabry sowie Sportdirektor Hasan Salihamidzic (von links), der auch noch nicht so lange im Amt ist.

(Foto: Christof Stache/AFP)
  • Serge Gnabry sei ein Spieler, "der den Unterschied ausmachen" könne, sagt Bayern-Trainer Niko Kovac bei der Vorstellung des neuen Spielers.
  • Seine furchterregende Geschwindigkeit fügt dem Münchner Spiel eine neue Stärke hinzu. Zusammen mit Kingsley Coman kommt Gnabry die Aufgabe zu, Arjen Robben und Franck Ribéry unter Spannung zu halten.
  • Gnabrys Werdegang illustriert, über welche Handelsrouten das Geschäft heute betrieben wird.

Von Christof Kneer

Es gibt ein Bild von LeBron James auf einer Pressekonferenz, rechts und links von ihm sitzen Leute, keiner dieser Leute ist Hasan Salihamidzic. LeBron James trägt ein dunkles Sakko über diesem unbedingt empfehlenswerten Polohemd, dessen rot-weißes Streifenmuster sich ein bisschen sehr wichtig macht. Es lenkt vom wahren Spektakel ab, jenem farblich kein bisschen zum rot-weißen Rest passenden gelben Kragen, auf dem eine bunte Schlange wohnt. Aber Luxusmarkenartikel dürfen so was wahrscheinlich, sind ja teuer genug, und klar: Einer wie LeBron James kann sowieso alles tragen.

Serge Gnabry trug nicht dasselbe, aber immerhin das gleiche Polohemd, als er sich am Montag in München erstmals vor die Leute setzte. Neben ihm saß Hasan Salihamidzic, der Sportdirektor des FC Bayern, der mit Gnabrys Transfer aber nur unwesentlich mehr zu hatte als mit einem Vereinswechsel des Basketballhelden LeBron James. Gnabrys Transfer nach München wurde lange vor Salihamidzics Zeit beim FC Bayern verabredet, die Personalie trägt die Handschrift des ehemaligen Münchner Kaderplaners Michael Reschke, der inzwischen den Sport beim VfB Stuttgart verantwortet.

Gnabry ist ein klassischer Reschke, wie Joshua Kimmich, Kingsley Coman, Niklas Süle oder Corentin Tolisso: ein junger Spieler, für den man eine Fantasie entwickelt, indem man seine Qualitäten auf ein Niveau hochrechnet, das er noch nicht hat, aber vielleicht mal haben könnte. Und einen Spieler auf FC-Bayern-Niveau hochzurechnen, der zum Zeitpunkt der Verpflichtung gerade 21 Jahre alt geworden war und beim FC Arsenal kaum bis gar nicht spielte: Das war schon eine mutige Idee.

Er habe "viele ausgewählte Sachen im Kleiderschrank", hat Serge Gnabry, gerade noch 22, an diesem Montag nun in der Münchner Arena gesagt, als er anlässlich des bayerischen Saisonauftakts gemeinsam mit Trainer Niko Kovac vorgestellt wurde. Gnabry ist Basketballfan, vermutlich kennt er die Bilder von LeBron James und seinem Shirt, in jedem Fall ist Gnabry nun selbst das bunte Hemd im Kleiderschrank dieses topseriösen FC Bayern. Ein Spieler, "der den Unterschied ausmacht" könne dieser Gnabry sein, hatte Niko Kovac kurz zuvor gesagt, Gnabry sei "schnell, geradlinig und dribbelstark, solche Spieler braucht der Fußball heutzutage".

Eine moderne Fußballergeschichte

Natürlich kann noch niemand sagen, wie weit Reschkes Fantasie am Ende trägt, aber eines steht schon mal fest: dass der Neue gleich zwei wichtige Ecken abdeckt in Bayerns Luxusmarkenartikelkader. Zum einen hat Gnabry, was außer Kingsley Coman kaum einer hat bei diesem FC Bayern: eine furchterregende Geschwindigkeit, die dem mitunter zur Überkontrolle neigenden Münchner Spiel eine Farbe hinzufügt, die mindestens so auffällig ist wie ein gelber Kragen zu rot-weißem Hemd. Und zum anderen fällt Gnabry gemeinsam mit Coman die Aufgabe zu, die Klubheiligen Franck Ribéry und Arjen Robben, 35 und 34 Jahre alt, herauszufordern und unter Spannung zu halten - und sie im Idealfall so abzulösen, dass die es selber kaum merken. Damit es im nächsten Sommer dann heißt: Ja, Ribéry und Robben hören auf, schon schade, waren Super-Typen. Aber wir haben ja jetzt Gnabry und Coman.

Die Geschichte von Serge Gnabry ist in jeder Hinsicht eine moderne Fußballergeschichte, nicht nur, weil der junge Mann ein wirklich sehr moderner Offensivspieler ist, der auf den Flügeln und im Zentrum stürmen kann. Gnabrys Werdegang illustriert anschaulich, über welche Handelsrouten das Geschäft heute betrieben wird.

Hoffenheim musste bewusst nur eine Minigebühr zahlen

Mit 15 verließ Gnabry den VfB Stuttgart und wechselte zum FC Arsenal, mit 17 bestritt er in London sein erstes Punkt- und mit 18 sein erstes Champions-League-Spiel, unter den Augen des damaligen Löw-Assistenten Hansi Flick, der seinem Chef später begeistert berichtete: Jogi, das wird mal einer! Aber wie jede frühe Karriere geriet auch diese ins Stocken, Verletzungen und Formschwankungen nahmen sich ihr Recht, am Ende wurde Gnabry zu West Bromwich Albion verliehen, wo er so wenig spielte, dass die Leute von West Brom ihn kaum gebraucht wieder an den FC Arsenal zurückgaben. Was Hansi Flick, inzwischen DFB-Sportdirektor, und den DFB-Trainer Horst Hrubesch nicht daran hinderte, Gnabry in den deutschen Kader für die Olympischen Spiele in Rio zu berufen - wo Gnabry dann fast so auffällig spielte wie ein gelber Kragen, auf dem eine Schlange wohnt.

Es waren die Wochen, als Michael Reschke ahnte, dass er nun schnell sein muss. Er wollte den Spieler für Bayern sichern, obwohl der Spieler zu diesem Zeitpunkt weder gut und noch reif genug für die Münchner war. Also wurde jenes Konstrukt ausbaldowert, über das in den nächsten Monaten viel geschwiegen und noch mehr spekuliert wurde: Gnabry wechselte offiziell zu Werder Bremen, unter freundlicher (angeblich auch finanzieller) Mithilfe des FC Bayern, der mit Gnabry bereits einen Karriereplan erstellt hatte.

Nach einem Jahr verpflichteten die Bayern ihn dann auch offiziell, liehen ihn aber noch mal aus - nicht nach Bremen, das für Gnabry bereits zu klein geworden war; nicht nach Leipzig, das ebenfalls interessiert war; sondern nach Hoffenheim, das bewusst nur eine Minigebühr bezahlen musste. "Wichtiger als das Geld war, dass Serge zu einem Trainer kommt, der ihn garantiert besser macht", erinnert sich Reschke, also gaben sie Gnabry im vorigen Sommer zum feurigen Julian Nagelsmann, der Bayerns Wunsch spektakulär erfüllte. In der Rückrunde wurde Gnabry unter diesem Trainer so unwiderstehlich gut, dass Jogi Löw ihn mit zur WM genommen hätte, wäre nicht eine Adduktorenverletzung dazwischen gekommen.

Er sei "sehr glücklich", dass Gnabry jetzt in München sei, hat Hasan Salihamidzic am Montag gesagt und ihm ein rotes Trikot mit der "22" überreicht, ohne gelben Kragen allerdings.

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