Süddeutsche Zeitung

Serena Williams:Wer brüllt und beleidigt, muss die Konsequenzen tragen

Im Finale der US Open rastet Serena Williams aus - jedoch zu Unrecht: Der Schiedsrichter, auf den sie die Niederlage schiebt, hat sich völlig korrekt verhalten.

Kommentar von Jürgen Schmieder, New York

Eines vorneweg, bevor es um Serena Williams geht: Schiedsrichter Carlos Ramos hat sich völlig korrekt verhalten beim Frauenfinale der US Open. Er hat Williams regelkonform verwarnt, weil deren Trainer Patrick Mouratoglou sie mit Handzeichen gecoacht hatte - was Mouratoglou danach auch zugab und Williams sogleich wieder bestritt. Ramos hat regelkonform eine zweite Verwarnung ausgesprochen und Williams einen Punkt abgezogen, weil die ihren Schläger zertrümmert hatte. Er hat ihr beim dritten Vergehen regelkonform ein Aufschlagspiel abgenommen, weil Williams ihn angebrüllt und beleidigt hat ("Lügner", "Dieb"), genötigt ("Du schuldest mir eine Entschuldigung! Sag' es oder rede nicht mehr mit mir!") und bedroht ("Du wirst nie wieder ein Spiel von mir schiedsen!").

Wer sich nicht korrekt verhalten hat am Samstagnachmittag: das New Yorker Publikum. Natürlich dürfen Zuschauer zu einer Sportlerin halten, und sie dürfen auch versuchen, ihren Liebling zum Sieg zu brüllen. Es ist jedoch nicht in Ordnung, der Gegnerin und dem Schiedsrichter derart respektlos und bösartig zu begegnen. Es ist auch eine Ungeheuerlichkeit, dass Katrina Adams, die Präsidentin des US-Tennisverbandes USTA, während der Siegerehrung sagt, dass sich alle einen anderen Ausgang gewünscht hätten. Und es ist dreist, dass die USTA danach eine Pressemitteilung verschickt mit dem Hinweis, die Entscheidungen von Ramos hätten nicht korrigieren werden können - und wie vorbildlich sich Williams nach ihrer Niederlage verhalten habe.

Sportler dürfen mal ausrasten - aber sie müssen sich anschließend entschuldigen können

Williams wurde dadurch exkulpiert, selbst ihre verdiente Niederlage wurde plötzlich auf den Schiedsrichter geschoben. Sie durfte sich als Opfer von Sexismus inszenieren ("Ich kämpfe für die Rechte von Frauen und für Gleichberechtigung. Frauen werden künftig Emotionen zeigen dürfen wegen dem, was heute passiert ist") und als Supermama ("Ich habe eine Tochter, der muss ich erklären, was da heute geschehen ist"), und sie durfte behaupten, sie sei bei den US Open wiederholt betrogen worden.

Das ist eine eigenwillige Darstellung der Historie. Während des Halbfinals 2009 gegen Kim Clijsters hatte Williams einer Linienrichterin gedroht: "Ich werde dir diesen verdammten Ball in deinen verdammten Schlund stopfen!" Beim Finale 2011 gegen Samantha Stosur hatte sie Schiedsrichterin Eva Asderaki mit den Worten beschimpft: "Du bist doch nur neidisch. Du bist innerlich unattraktiv."

Es ist angesichts der enormen Anspannung und der unfasslichen Überhöhung von Sport nachvollziehbar, dass Sportler auf dem Platz mal ausrasten. Sie sollten dennoch in der Lage sein, danach darüber zu reflektieren und sich womöglich zu entschuldigen - vor allem, wenn sie sich selbst gesellschaftlich derart überhöhen, wie es Serena Williams immer wieder tut. Sie sieht sich als Kämpferin gegen Rassismus und Sexismus, als Inspiration für alle Mütter auf der Welt. Sie will ein Vorbild sein, wie es Muhammad Ali gewesen ist. Diesem Anspruch ist sie am Samstag nicht gerecht geworden.

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SZ vom 10.09.2018/vit
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