Süddeutsche Zeitung

Tennis:Quälen mit Leidenschaft

Bei den French Open in Paris kämpft Serena Williams um einen historischen Tennisrekord, doch auf ungeliebtem Terrain stellt sie ihre dürftige Matchpraxis vor Probleme.

Von Barbara Klimke

Dieser Tage trägt Serena Williams ihre Überzeugung an den Füßen. Genauer gesagt, auf der Seite ihrer Tennisschuhe, die ihr der Ausrüster auf den Leisten maßgeschustert hat. "Never stop fighting", ist dort neben anderen persönlichen Botschaften aufgepinselt. "Fast ein Kunstwerk" seien diese Treter, mit denen sie in Paris über die roten Aschenplätze rutscht, hat sie in einer ihrer Pressekonferenzen berichtet. Die Auflage sei stark begrenzt: "Ich schätze mich glücklich, alle davon zu besitzen."

Tatsächlich ist Serena Williams Kunstsammlerin (Vorliebe unter anderem: Radcliffe Bailey), Modedesignerin mit eigener Fashion-Linie, Geschäftsfrau mit vielfältigen Interessensfeldern, dazu Mutter und eben auch Tennisprofi. Das mag erklären, warum sie seit den Australian Open, die im Februar zuende gingen, nur ganze drei Wettkampf-Matches bestritten hat, ehe sie bei den French Open eintraf. Nichtsdestoweniger stellt sie sich im Alter von 39 Jahren nun zum neunzehnten Mal, gemäß ihrem Motto, in Roland Garros der Konkurrenz: Solange sie noch kämpfen kann, gibt sich Serena Williams nicht geschlagen.

Bislang läuft es, angesichts ihrer doch eher dürftigen Matchpraxis, nach Plan für die älteste und mit Abstand höchstdekorierte Spielerin im Feld, die von ihren 23 Grand-Slam-Triumphen drei auf den roten Sandplätzen in Paris (2002, 2013, 2015) errungen hat. Nur einen Pokal benötigt sie noch, um mit der Australierin Margaret Court gleichzuziehen, die den Rekord von 24 Titeln nun bereits seit 1973 hält. Diese historische Marke zu brechen, ist der einzige Grund, warum Serena Williams noch immer rackert und rennt - warum sie sich auch auf höchst ungeliebtem Terrain mit Leidenschaft quält.

Drei Matches auf Sand - mehr Wettkämpfe hat Williams vor Paris nicht bestritten

Denn bei ihrem Zweitrundensieg über die Rumänin Mihaela Buzarnescu, 33, kämpfte sie mindestens ebenso sehr mit der Gegnerin wie mit dem Platz. Reihenweise seien ihr die Bälle auf dem roten Bodenbelag versprungen, monierte sie nach ihrem 6:3, 5:7, 6:1-Erfolg auf dem Court Philippe Chartrier: "Ich verstehe nicht, wie ich auf diesem Zeug spielen soll, ohne dass ich es mit diesen schlechten Absprüngen zu tun habe." Vielleicht müsse man sich damit einfach abfinden, schob sie unversöhnlich nach.

Nun handelt es sich bei besagtem Court Philippe Chartrier um den Center Court des Stade Roland Garros, den Tempel des französischen Tennissports, der gerade erst nach aufwendigsten Bauarbeiten mit einem Dach gekrönt worden ist. Die Terre Battue von Paris, eine dicke Schicht gepressten Ziegelmehls und seit 1891 der traditionelle Untergrund, wird bei jedem Seitenwechsel vom French-Open-Personal mit größter Sorgfalt gefegt und gepflegt. Allerdings erfordert das Sandplatzspiel Jahr für Jahr auch von den Profis einen langwierigen Umstellungsprozess, um nicht unkontrolliert über den körnigen Belag zu schlittern. Da kann es sich rächen, wenn eine Spielerin vorab nur drei Matches geprobt hat, die Balance zu finden: zwei beim Turnier in Parma, eines in Rom. Und das nach einer dreimonatigen Pause.

Williams präsentiert sich längst noch nicht wieder in jener überragenden Form, in der sie bei den Australian Open auftrat, als sie sich, fit und fokussiert, erst im Halbfinale der späteren Siegerin Naomi Osaka geschlagen geben musste. Im Match gegen die routinierte Mihaela Buzarnescu, die einst die Nummer 20 der Welt war, ehe sie eine langwierige Schulterverletzung zurückwarf, diktierte Serena Williams im ersten Satz das Geschehen. Im zweiten Durchgang jedoch konnte sie eine Reihe von Breakbällen nicht verwerten. Erst im dritten fand sie wieder zur Dominanz.

Ob das reichen kann für einen Turniersieg in Paris, ist nach derzeitigen Stand eher fraglich. Für Barbara Rittner, die deutsche Bundestrainerin und Kommentatorin beim Sender Eurosport, zählt Serena Williams nicht unbedingt zum engen Kreis der Favoriten. Zwar sind die Nummer eins und zwei der Weltrangliste nicht mehr im Turnier vertreten: Die Japanerin Naomi Osaka zog sich nach der ersten Runde freiwillig zurück; die Australierin Ashleigh Barty musste am Donnerstag ihre Partie gegen die Polin Magda Linette wegen einer Verletzung abbrechen. Aber schon in der dritten Runde sieht sich Serena Williams einer sehr zähen, unnachgiebigen Gegnerin, der US-Amerikanerin Danielle Collins, gegenüber.

Falls sie diesmal nicht zum Ziel kommt, so ist zu erwarten, dass sie es noch einmal versucht: in Wimbledon, auf einem Rasenplatz, wo sie sieben Mal gewonnen hat. Auch diese Botschaft steht auf ihrem Schuh: "Je ne m'arrêterai jamais." Ich höre niemals auf.

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