Serena Williams:Das Mädchen aus der Gangsterstadt

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Serena Williams ist nun die erfolgreichste Spielerin seit es Profi-Tennis gibt. (Foto: Getty Images)

Mit vier Jahren zieht Serena Williams in den berüchtigten Ort Compton, mit neun steht sie neben Ronald Reagan. Nun hat sie 23 Grand-Slam-Titel gewonnen und bastelt weiter an ihrer großen Geschichte.

Von Jürgen Schmieder

Dieses schwarz-weiße Kleid, in dem Serena Williams das Finale der Australian Open gegen ihre Schwester Venus gewonnen hat, sieht ein bisschen so aus wie das Gemälde des Künstlers Glenn Ligon, der mit schwarzem Grafit auf weißen Untergrund geschrieben hat: "I feel most colored when I am thrown against a sharp white background" - ich fühle mich dann am farbigsten, wenn ich gegen einen krassen weißen Hintergrund geworfen werde.

Das Kleid ist nur ein Detail im Gesamtkunstwerk der Tennisspielerin, das seit Samstag so aussieht: Williams hat 23 Grand-Slam-Titel gewonnen, 16 mehr als ihre ältere Schwester Venus, einen mehr als Steffi Graf und damit mehr als jede andere Spielerin, seit es Profi-Tennis gibt. Sie hat bei diesen Turnieren 316 Partien gewonnen, zwei mehr als Männer-Rekordhalter Roger Federer. Sie wird von diesem Montag an wieder auf Platz eins der Weltrangliste geführt, wo 19 Wochen lang Angelique Kerber gestanden hatte.

Jede große Erzählung setzt sich aus kleinen Teilen zusammen, deshalb ist die Ähnlichkeit zwischen Kleid und Gemälde bedeutsam. Williams wird seit Beginn ihrer Karriere gegen einen krassen Hintergrund geworfen. Das vornehme Tennis-Publikum rümpfte empört die Nase über die beiden Mädchen mit den Perlen im Haar, deren Vater Richard nach dem Wimbledon-Sieg von Venus vor 17 Jahren auf einer Kommentatoren-Kabine tanzte und den Herkunftsort der Familie brüllte: "Straight Outta Compton!"

Das ist die große Geschichte, die Williams der Welt erzählt: das arme Mädchen aus der gefährlichen Gangsterstadt im Süden von Los Angeles, das sich aus dem Ghetto befreit hat und nicht nur um Titel kämpft, sondern auch gegen Rassismus und Sexismus. Die deshalb so knallhart zu ihren Gegnerinnen ("Auf dem Spielfeld hasse ich sogar meine Schwester"), Unparteiischen (sie drohte einer Linienrichterin, sie mit einem Tennisball zu füttern) und Zuschauern (sie boykottierte 14 Jahre lang das Turnier in Indian Wells, weil ihr Vater diskriminierende Rufe gehört hatte) sein darf, weil sie auch knallhart zu sich selbst ist. So eine Erzählung lieben sie in den USA - vor allem, wenn die Protagonistin mit 35 Jahren, nach Verletzungen und Schwächephasen, zum Ende ihrer Karriere hin noch einmal einen solchen Erfolg schafft.

Williams kam mit vier Jahren nach Compton. Bevor in Los Angeles 1992 schwere Rassenunruhen begannen, zog die Familie nach Florida, wo Serena eine Tennisakademie besuchte. Mit neun Jahren war sie bereits derart berühmt, dass sich Ronald Reagan zum Foto mit ihr aufstellte.

Nun bastelt Williams weiter an ihrer großen Geschichte, mit feinem Gespür für Details. Sie kennt dieses Gemälde von Ligon, seit einigen Jahren entwirft sie ihre Kleider zusammen mit dem Sponsor selbst. Die Ähnlichkeit ist kein Zufall: Williams fühlt sich offenbar dann am wohlsten, wenn sie gegen einen krassen Hintergrund geworfen wird.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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