Serena Williams:Die "stolze Working Mum" besiegt ihre Nachbarin

Serena Williams: Hatte keine Probleme mit Tatjana Maria: Serena Williams.

Hatte keine Probleme mit Tatjana Maria: Serena Williams.

(Foto: AFP)
  • Serena Williams besiegt in der ersten Runde der Australian Open die Deutsche Tatjana Maria deutlich. Beide Spielerinnen kennen sich gut und wohnen in Florida gegenüber.
  • Maria ist nach dem 0:6 und 2:6 niedergeschlagen und hat Tränen in den Augen.
  • Serena Williams möchte in Melbourne ihren 24. Grand-Slam-Titel gewinnen und damit die beste Spielerin der Geschichte werden.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Auf das Signal hin setzte sich der Treck auf dem Weg in die Tennisarena in Bewegung: ganz hinten der Mann, der ihr ein paar Minuten zuvor noch den Gymnastikball zugeworfen hatte. Dann der Mann, der für das Stretchband verantwortlich war. Dann der Mann, dem sie ihre Wasserflasche reichte. Dann der Mann, der ihre Tennistaschen trug. Vorneweg in einem weiten schwarzen Mantel schritt Serena Williams aus den USA, die 23-malige Grand-Slam-Siegerin, wie Königin Kleopatra mit ihrem Tross.

Kurz darauf fingen die Hallenkameras ein, wie sich auf demselben Flur eine Tür öffnete und eine schmale Person zögerlich hinaustrat: Tatjana Maria, 31 Jahre alt, die Gegnerin von Williams, die noch niemals in diesem riesigen Stadion in Melbourne gespielt und ihre beiden Taschen selbst geschultert hatte.

Unverkennbar gibt es ein hierarchisches Gefälle im Tennis, es wird Woche für Woche durch die Weltrangliste dokumentiert. An manchen Tagen egalisieren sich die Abstufungen, wenn sich zwei Spielerinnen am Netz begegnen und ein ebenbürtiger Schlagabtausch zwischen einer der Königinnen und jemandem aus dem Fußvolk beginnt. In dieser Erstrundenpartie der Australian Open indes hob sich der schon beim Einmarsch so deutliche Klassenunterschied bis zum letzten Ballwechsel nicht auf.

Maria verließ die Halle mit Tränen in den Augen

Es dauerte 30 Minuten, ehe die Zuschauer erstmals laut und anerkennend applaudierten, weil Maria plötzlich härter aufschlug, ein Ass servierte und Williams, die den schwarzen Mantel über ihrem neuen, jadegrünen Einteiler zu Beginn abgelegt hatte, mit wuchtigen Vorhandschlägen zu Fehlern zwang. Da stand es allerdings schon 0:6 und 0:3 aus Sicht der deutschen Kontrahentin. 19 Minuten später war auch der zweite Satz verloren (2:6) und das Match vorbei. Maria verließ die Halle mit Tränen in den Augen. Sie hat beim Abschied nicht einmal aufgeschaut.

"Ich könnte immer noch heulen", sagte sie später, als sie vor den Journalisten saß. Denn natürlich kann sie besser spielen. Sie hat 2018 ihren ersten Titel auf der WTA-Tour gewonnen, ist die Nummer 78 der Welt und verfügt über ein Arsenal von variantenreichen Schlägen, das am zweiten Tag der Australian Open aus diversen Gründen nicht zur Anwendung kam. Zunächst wegen der Halle: Die Rod-Laver-Arena ist eine Burg mit fast 15 000 Plätzen, die den Tennisplatz umstellen. Williams hatte hier bei den Australian Open siebenmal zwischen 2003 und 2017 triumphiert, ihre Gegnerin dagegen immer nur auf Nebenplätzen gespielt. "Das ist ihr Zuhause", sagte Maria, die in der Festung fremdelte.

Sie kannte die Gegebenheiten, die Atmosphäre nicht, sie kannte kaum die Abmessungen des Platzes, der sich von anderen auf der Anlage auch in der Bodenhärte unterscheidet. Und sie verfügt nicht über das Privileg, sich dort mit dem Schläger in der Hand nach Belieben einspielen zu können, wie sie erläuterte: "Schon das Training zu organisieren, war ein Kampf." 30 Minuten wurden ihr schließlich vom Veranstalter am vergangenen Freitag, vier Tage vor dem Match, gestattet. Sie brauchte dann am Montag eine halbe Stunde, bis sie das Unbehagen bezwang und sich sicherer fühlte - da war die Partie fast vorbei.

Man besucht einander, trifft sich zum Grillen

Serena Williams, 37, die Beste ihrer Zunft, strebt in Melbourne ihren 24. Grand-Slam-Titel an, mit dem sie den Rekord der Australierin Margaret Court egalisieren und sich über alle anderen in der Geschichte des Tennis erheben würde. Sie ist auf einer Mission und geht entsprechend entschlossen zu Werke. Wer gegen sie unter solchen Umständen früh in Rückstand gerät, hat selten eine Chance. Maria fand nicht ins Spiel, das Match lief an ihr vorbei wie im Film - "nur schlimmer". Sie konnte sich nicht erinnern, je ein schrecklicheres Spiel durchlitten zu haben. Dass Williams sie anschließend am Netz kurz in die Arme schloss, hat die Qual nicht lindern können.

Denn sie kennen sich gut: Sie sind Nachbarn in Florida, wohnen in Palm Beach gegenüber, "einmal über die Straße", wie Williams präzisierte. Man besucht einander, trifft sich zum Grillen, die Töchter spielen manchmal miteinander. Nur beim Tennis hatten sie sich nie duelliert. Vielleicht, so mutmaßte Maria, die in Bad Saulgau aufwuchs und mit ihrem Mann Charles Eduard, der auch ihr Trainer ist, seit einigen Jahren in den USA lebt, sei sie "auch deshalb so überwältigt gewesen".

Was sie verbindet, auch über das Gefälle des Rankings hinweg, ist der Umstand, dass sie zu den Müttern auf der Profitour zählen, die noch immer eine große Ausnahme im Frauen-Profitennis sind. Wie die Kolleginnen Wiktoria Asarenka und Kateryna Bondarenko versuchen sie, die Kinderbetreuung auf der Tour zu verbessern. Marias Tochter Charlotte ist fünf und reist mit den Eltern von Turnier zu Turnier. Es wäre wünschenswert, sagte Maria am Dienstag, wenn die Kinderkrippe bei den Australian Open zum Beispiel nicht erst am ersten Turniertag öffnete, sondern schon eine Woche vorher, weil manche Mütter vorher noch die Qualifikation spielen müssten. Williams, nach eigenem Bekunden eine "stolze Working Mum", deren Tochter Olympia im Krabbelalter ist, hat dank ihrer Prominenz erreicht, dass Profispielerinnen im Mutterschutz ihren Ranglistenplatz behalten.

Tatjana Maria wurde am Dienstag zum Abschluss noch gefragt, ob sie manchmal bei den Nachbarn auf der anderen Straßenseite babysitte. Sie hat gelacht. Dafür, sagte sie dann, gebe es dort bestimmt genug Leute. Wie in Melbourne zu sehen war, hat Serena Williams sogar jemanden, der ihr die Taschen hinterherträgt.

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