Süddeutsche Zeitung

Sepp Blatter im Interview:"Ich bin mit mir im Reinen"

Der Ex-Fifa-Präsident bescheinigt sich im Interview eine weiße Weste, übt harte Kritik an seinem Nachfolger, hält Thomas Bach für den falschen IOC-Präsidenten und präsentiert eine eigene Version der deutschen WM-Affäre.

Von Thomas Kistner, Zürich

Der umstrittene langjährige Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa, Sepp Blatter, hat sich selbst im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Wochenend-Ausgabe) eine weiße Weste bescheinigt. "Ich bin mit mir im Reinen", sagte der 82-Jährige. Allerdings bestätigte er, dass in der Schweiz weiter Strafermittlungen gegen ihn laufen, unter anderem bezüglich eines Fernsehrechte-Vertrages, den er 2005 dem damaligen Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner (Trinidad & Tobago) ausgestellt hatte. Warner, dessen Auslieferung die US-Justiz betreibt, durfte die TV-Rechte an den WM-Turnieren 2010 und 2014 für die Karibik für den Spottpreis von 600 000 Dollar erwerben. Für deren Weiterverkauf hatte er damals zwischen 15 bis 20 Millionen Dollar erlöst. Doch auch die Fifa hätte daran "gut verdient", sagte Blatter der SZ, "in der Zeit war das ein sehr guter Vertrag. Warum sollte ich mich wehren, wenn ein Vertrag gut ist?" Allerdings räumt der Schweizer auch ein, dass so ein zwischen Fifa-Präsident und Fifa-Vizepräsident geschlossener Vertrag "heute sicher nicht" mehr den gängigen Compliance-Anforderungen entspräche. "Aber das liegt viele Jahre zurück."

Sepp Blatter führte die Fifa von 1998 bis 2015. Im Sommer 2015 hatte er, unmittelbar nach seiner Wiederwahl für weitere vier Jahre, im Lichte zahlreicher Korruptionsaffären im Weltfußball seinen Rückzug angekündigt. Im Dezember 2015 sperrte ihn die Ethikkommission der Fifa wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsführung für acht Jahre für alle Tätigkeiten im Fußball. Die Sperre wurde später auf sechs Jahre verkürzt.

Scharf kritisiert Blatter im SZ-Interview seinen Amtsnachfolger Gianni Infantino. Die Kernprojekte seines Landsmannes seien "unrealistisch". Den geplanten Deal mit bis heute unbekannten Investoren, die für eine Klub-WM und eine neue Nations League angeblich 25 Milliarden Dollar zahlen wollen, betrachte er als einen Ausverkauf des Fußballs, sagte Blatter. Die schon beschlossene Aufstockung der WM von 32 auf 48 Mannschaften trage nur zur Verwässerung und Banalisierung des Fußballs bei und berge überdies die Gefahr von Manipulationen. "Man darf den Fußball nicht verkaufen", sagte Blatter. Außerdem wechsele er mit Infantino kein Wort. "Er redet mit mir nicht, ich rede mit ihm nicht."

Die Fifa und auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) werden nach Blatters Einschätzung heute unprofessionell geführt. Blatter kritisierte die Autonomie des Sports als völlig unzeitgemäß - also das von den Sportverbänden eingeforderte Recht, ihre Angelegenheiten in Eigenverantwortung zu regeln. Zu seinen Amtszeiten hatte er dieses Recht stets vehement verteidigt. Aber: "Das geht heute nicht mehr", sagte Blatter. Er forderte starke staatliche Kontrollen über die großen Sportverbände und neues Führungspersonal, welches sich nicht über sportliche Meisterleistungen qualifiziert hat. Über den IOC-Präsidenten Thomas Bach sagte Blatter: "Führen lernst du nicht, indem du mal Meister in irgendeiner Sportart warst. Das gilt auch für das IOC - wer führt das? Der Fechter..." Er selbst habe Führen immerhin beim Militär sowie zu seiner Zeit bei einem Schweizer Uhrenhersteller gelernt.

Blatter brachte zudem einen neuen Aspekt in die deutsche Sommermärchen-Affäre. Die Fifa habe nie vorgehabt, eine Eröffnungs-Gala für die Fußball-WM 2006 in Deutschland zu veranstalten. "Ich kann nur so viel sagen: Die Fifa hätte die Gala nicht veranstaltet", erklärte Blatter auf die Frage, warum sich der Weltverband dieses geplante WM-Auftakt-Event im Herbst 2004 von der deutschen Bundesregierung übertragen ließ. Anfang 2006 wurde die Gala tatsächlich abgesagt. Bis dahin hatte die geplatzte Veranstaltung allerdings rund 20 Millionen Euro Unkosten verursacht und dem deutschen WM-Organisationskomitee (OK) als Projekt für die verschleierte Zahlung von 6,7 Millionen Euro gedient, deren wahrer Zweck bis heute von Ermittlungsbehörden untersucht wird. Für die Staatsanwaltschaft Frankfurt stellt sie eine verdeckte Zahlung an den damaligen OK-Chef Franz Beckenbauer dar.

Nachdem die Gala in die Fifa-Zuständigkeit übergegangen war, hatte das deutsche WM-OK einen Kostenbeitrag von 6,7 Millionen Euro (damals umgerechnet 10 Millionen Schweizer Franken) an die Fifa geleistet. Diese leitete den Betrag noch am selben Tag an Robert Louis-Dreyfus weiter. Der damalige Adidas-Eigner hatte laut seiner Bankunterlagen drei Jahre zuvor ein Darlehen von zehn Millionen Franken an Beckenbauer gewährt. Das Geld war an den Fifa-Spitzenfunktionär Mohamed Bin Hammam nach Katar geflossen. Unklar ist bisher, wofür und ob es von dort weitergeleitet wurde.

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Sz.de/schm, ska
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