Süddeutsche Zeitung

Sepp Blatter im Fifa-Skandal:Informiert ja, involviert nein

  • Was wusste Fifa-Präsident Blatter von der Zehn-Millionen-Spende, mit der sich Südafrika vermeintlich die WM 2010 erkaufte? Neue Erkenntnisse belegen: Einiges.
  • Dass der Chef des Welt-Fußballverbandes aber in irgendwelche Deals verwickelt war, streitet die Fifa ab.
  • Unterdessen machen Berichte über Geldwäsche die Runde.

Von Thomas Kistner

Nun hat Fifa-Chef Sepp Blatter also doch von der mysteriösen Millionen-Zahlung Südafrikas an den langjährigen karibischen Funktionär Jack Warner (Trinidad & Tobago) gewusst. Kein Tag vergeht ohne Enthüllungen zu dem Themenkomplex, den das amerikanische FBI und andere Justizbehörden als Fifa-Sumpflandschaft umschreiben; und der Weltverband reagiert scheibchenweise auf jeden Vorwurf, der ihm präsentiert wird.

Aktuell ist es eine Mail Jérôme Valckes von Ende 2007 an die Regierung am Kap, in der der Fifa-Generalsekretär die Zahlung einer Spende von zehn Millionen Dollar anmahnt - und Druck über den Hinweis ausübt, dass auch "unser Präsident" (Blatter) sowie Südafrikas Staatschef Thabo Mbeki die Sache diskutiert hätten. Dazu räumt die Fifa auf SZ-Anfrage Montagend ein, Blatter habe von dem Vorgang gewusst. Kenntnis haben bedeute aber nicht, dass er an der Sache beteiligt gewesen sei. In einer eher kryptischen Auskunft auf Nachfrage zu Valckes Mail heißt es, zugrunde liege "eine aktualisierte Information des damaligen südafrikanischen Präsidenten" an Blatter zu einer Anfrage der Kap-Regierung im Herbst 2007. "Dies stellt eine Information dar und keine Beteiligung." Ob informiert oder beteiligt - auch der Frage gehen FBI und andere Ermittler nach. Der vorliegende Fall dreht sich um eine bizarre Spende von zehn Millionen Dollar, die WM-Ausrichter Südafrika an ein mysteriöses Entwicklungshilfeprojekt für Afrika-stämmige Kicker in der Karibik gezahlt hatte. Geflossen war das Geld 2008 aus der Züricher Fifa-Zentrale; abgezweigt aus einem Betrag, den die Fifa für die WM-Organisation am Kap bereitgestellt hatte. Aus Sicht der US-Justiz sowie des Kronzeugen und Ex-Fifa-Vorstands Chuck Blazer handelt es sich dabei um Bestechungsgelder an Funktionäre. Blazer, seinerzeit auch Generalsekretär des Nord-/Mittelamerikaverbands Concacaf, der die Zahlungen erhielt, gab zu, davon profitiert zu haben. Warner hingegen, damals Fifa-Vize und als Concacaf-Boss zugriffsberechtigt auf jene Verbandskonten, auf die die Fifa-Millionen flossen, weist Korruptionsvorwürfe zurück. Auch die Fifa beharrt, wie die Regierung am Kap, darauf, dass die Transaktion nicht der Bestechung für die WM-Vergabe nach Südafrika gedient habe - sondern eine wohltätige Aktion zugunsten des karibischen Fußballs gewesen sei.

Zumindest scheint geklärt zu sein, dass die edle Sache krachend in die Hosen ging. Nach Recherchen der britischen BBC verschwand der Zehn-Millionen-Reibach zügig in den Taschen von Warner und Sportsfreunden. Das legen Überweisungen und Abhebungen nahe. Interessant aus FBI-Sicht erscheint dabei ein originelles Geldwäschemodell: Die nationale Supermarktkette JTA soll allein 4,86 Millionen Dollar kassiert haben. Auch die sollen laut US-Fahnder an Warner zurückgeflossen sein, "überwiegend in nationaler Währung".

Nach aktuellem Stand ist demnach eine angebliche Spende Südafrikas an Teile der karibischen Fußballgemeinde, mit Verve eingetrieben vom Fifa-Generalsekretär und aus der Fifa-Zentrale überwiesen, in einen Supermarkt und andere Privattaschen gesickert. Prakash Ramadhar, Justizminister von Trinidad & Tobago, greift den vormals engen Blatter-Vertrauten nun direkt an: "Wir fordern Jack Warner auf, uns von diesem Wahnsinn, den er über uns gebracht hat, zu befreien und sich rasch in den USA seinem Prozess zu stellen!"

Platini und Scheich Al-Sabah kommen sich in Berlin näher

Während Blatter, der die Fifa seit 34 Jahren in diversen Spitzenämtern führt, und Mitstreiter in Zürich schon wieder Ideen austüfteln, die als profunde Fifa-Reform verkündet werden, wächst die Unruhe im Hintergrund. Nicht nur, weil in Kreisen der Europa-Union Uefa befürchtet wird, Blat- ters bisher nicht gerade als harte Kontrollinstanz auffälliger Landsmann und Compliance-Chef, Domenico Scala, könne im Zuge seiner kommissarischen Aufgaben Appetit auf hohe Fifa-Ämtern entwickeln, die nach einem Rückzug Blatters und Valckes vakant würden. Beim Champions-League-Finale trafen sich zwei Männer, die als Favoriten auf Blatters Nachfolge gelten: Michel Platini und Ahmed Al-Sabah.

Der Scheich aus Kuwait soll dem Uefa-Chef Unterstützung signalisiert haben - sofern dieser es schafft, Afrika auf eigene Faust hinter sich zu bringen. Das gilt aber als unwahrscheinlich, zumal Al-Sabah ja selbst - neben Asiens Stimmpaketen - auch viele in Afrika dirigiert. Der Scheich sitzt Asiens Olympiaverbänden (OCA) und dem globalen Dachverband aller Olympia- komitees (ANOC) vor.

In Kreisen der Uefa, die sich sportpolitisch bisher dilettantisch anstellt und jüngst gegen Blatter mit Prinz Ali bin al-Hussein (Jordanien) angetreten war, wird Al-Sabahs Vorstoß skeptisch gesehen. Zumal auch Platini noch auf ungemütliche Zeiten zusteuern könnte im Zuge der Ermittlungen. Er hatte für die WM 2022 in Katar votiert, später wurde sein Sohn Manager in einer Katar-Firma.

Derweil erhalten in der Fifa auch bescheidenere Beträge große Bedeutung. United Passions, ein hochkarätig besetzter Film über die Geschichte der Fifa, erlebt gerade beim Kino-Start in den USA ein Debakel. Laut US-Medien spielte der Streifen, der Tim Roth als Blatter und Gerard Depardieu als Jules Rimet zeigt, an den ersten zwei Tagen 545 Euro ein. Die Fifa hatte den Film mit 25 Millionen Euro finanziert. Als Realsatire hätte sie vermutlich das Zeug zum Kassenknüller.

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SZ vom 09.06.2015/jbe
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