Selbstversuch:Olympia 2016: Ich bin dabei - oder?

Olympics - Previews - Day  5

Fünf Ringe, die längst nicht jeden interessieren.

(Foto: Christian Petersen/AFP)

Kann man an einem Abend vom Olympia-Ignoranten zum Olympia-Fan mutieren? Ein Selbstversuch vor der Glotze.

Von Lars Langenau

Ich gestehe: Ich bin ein Olympia-Ignorant. Es interessiert mich einfach nicht. Trotzdem habe ich versucht, mich einzugrooven. Habe versucht, dabei sein zu wollen. Auch etwas von diesem Spirit zu spüren, von dem die Kollegen aus der Sportredaktion sprechen. Dabei sein ist schließlich alles.

Also habe ich mich bereits am Nachmittag durch die Livestreams von ARD und ZDF gezappt: von Wasserball (habe ich selbst mal gespielt, bis zur Bundesliga, was einfach ist, weil das eh kaum jemand macht) über Judo (Selbstverteidigung zu können, ist immer gut) bis zu Beachvolleyball der Damen und Deutschlands Hockeysieg gegen Indien (schon ein bisschen spannend).

Das Wichtigste zu Olympia 2016 in Rio

Abends dann aber erst mal gute alte Freunde getroffen (lange Verabredung). Olympia in Brasilien ist ja eh eine Nachtveranstaltung. Danach schnell nach Hause, Glotze an und erst mal bei "14 Blades - Rebellion des Brokat-Kriegers" auf Tele 5 geblieben. Ein paar dolle Martial-Arts-Szenen und zumindest eine wunderschöne Chinesin war dabei. Irgendwie kam ich da aber nicht mehr rein, war wohl zu kompliziert. Ich wusste allerdings intuitiv, dass auch Arnold Schwarzenegger heute Abend mitmischt. Tatsache! Auf Kabel lief "Running Man", auf dem Zweiten "Inside Man" mit Denzel Washington. Starkes Konkurrenzprogramm also für Olympia live auf ARD.

Dann kommt Hambüchen, endlich jemand, den ich kenne

Trotzdem zurück ins Erste. Turner am Barren, Mannschafts-Mehrkampf, es ist mein Auftrag, hier hängenzubleiben. Als Schüler habe ich dieses Gerät gehasst. Es war anstrengend und wenn man falsch aufkam, tat das richtig weh. Nebenan Japaner am Reck.

In der Halle in Rio für 12 000 Zuschauer befinden sich etwa 10 000 Zuschauer. Und vor dem Fernseher in Deutschland? Ich allein? Von meinen Freunden guckt jedenfalls keiner. Die einen sagen, alles voller Doping, deshalb Boykott. Die anderen haben es nicht so mit Sport (gucken).

Nun, es gibt schlimmere Strafen, als mit dem Laptop auf der Couch vor dem Fernseher zu sitzen. Bis ein Uhr halte ich durch. Mindestens. Bis dahin sendet die ARD und ich bin dabei!

Jetzt ist gerade Kenzo Shirai an der Reihe, laut Moderator "das 19 Jahre junge Drehwunder aus Japan". Salto, Vierfachschraube. Wow. Gerade kam die Eilmeldung aufs Handy, Tischtennis-Ass und Fahnenträger Timo Boll sei im Achtelfinale ausgeschieden. Hätte ich bei der ARD nicht mitbekommen. Haben die verschwiegen, weil sie ihn nachher noch zeigen wollen. So was Blödes.

Dann kommt Fabian Hambüchen, endlich mal jemand, den auch ich kenne. Was für Oberarme die alle haben. Da kommt mein Oberschenkel nicht mit - und das will was heißen. Kleine Männer mit ganz viel Kraft und Andreas Toba als Zuschauer. Wir, also Deutschland, werden Siebter. Japan gewinnt Gold.

Jetzt aber Beachvolleyball von der Copacabana. Wir, also Deutschland, gegen die Niederlande. Mal kurz zappen: Geiler Kampf auch noch auf Tele 5, ein Bösewicht gegen eine Bösewichtin? Bei Arnold Schwarzenegger Bösewichte gegen Schwarzenegger. Eine Zukunftsvision mit alten McIntoshs und Aerobic-Einlagen. Bei Inside Man ist nicht so schnell offensichtlich, wer hier Bösewicht ist. Aber Clive Owen ist grandios und Jodie Foster sowieso.

Mr. Olympia - keine Alternative zu den Spielen in Rio

Aber zurück ins Erste. Volleyball im warmen Sand. Warum haben Markus Böckermann und Lars Flüggen eigentlich Hüte auf? Scheint doch auch in Rio keine Sonne mehr. Das Spiel geht hin und her. Tolle Ballwechsel und Matchbälle. Richtig spannend plötzlich. "Scheiße" sagt einer der beiden Moderatoren. Oranje gewinnt.

Jetzt Boxen. Schwergewicht. Das mag ich. Dreimal drei Minuten. Ganz neu bei Olympia ohne Kopfschutz. Der deutsche Ex-Profi David Graf gegen einen Argentinier. Graf hat blaue Flecken auf der Schulter wie Schwimmer Michael Phelps, der gestern seine 19. Goldmedaille holte. Scheint irgendwie der neue Hit zu sein, wie früher Kinesio-Tapes. Trockenes Schröpfen heißt das jetzt, Saugnäpfe erzeugen blau-rote Flecken und sollen die Muskeln lockern. Ist aber irgendwie Esoterik. Hat zumindest in diesem Fall nicht zum Sieg geführt. Die dritte deutsche Niederlage im Boxen.

Auch im Turmspringen keine Medaille, im Reiten auch nicht (mein Schlussredakteur wird hier an dieser Stelle später anmerken, dass es im Reiten noch gar keine Entscheidung gab). Kann das wirklich sein, dass wir, also die Deutschen, noch keine Medaille haben? Na, ist ja erst die dritte Nacht. Was nicht ist, kann noch werden.

Ich kann nicht mehr

Gegen 3:30 Uhr war dann noch mal Schwimmen. Mit Paul Biedermann. Das habe ich nicht mehr geschafft. Aber auf Kabel Eins läuft um ein Uhr "Red Heat" mit Schwarzenegger als Russe. Der ist schlecht, von der Weltgeschichte überholt und obwohl Schwarzenegger von 1970 bis 1975 Mr. Olympia im nichtolympischen Bodybuilding war, keine echte Alternative zu den Spielen in Rio. Dann doch lieber die Wiederholung der Niederlage von Timo Boll. Verpasst. Bei Arte lief was über Orson Welles. Das war kurz mal interessanter.

Letzte Chance heute für Olympia. Noch mal zurück zur ARD, man hat ja einen Auftrag. Frauen-Rugby Neuseeland gegen Australien. Autsch, das tut beim Zuschauen weh. Um kurz vor zwei ist Australien Rugby-Frauen-Olympiasieger und die Neuseeländerinnen weinen.

Ich kann nicht mehr.

Ich breche den Versuch ab. Vielleicht waren das einfach nicht meine Sportarten. Ab heute soll zumindest in München das Wetter schlecht werden. Vielleicht finde ich Zeit für einen neuen Versuch. Dabei sein ist ja bekanntlich alles.

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