Sechzigs Skandale (1):"Marvin, wir gehen"

Sechzigs Skandale (1): Marvin Pourie (rechts) prügelt sich mit Torben Hoffmann - und wird schließlich wegen des Vorfalls suspendiert.

Marvin Pourie (rechts) prügelt sich mit Torben Hoffmann - und wird schließlich wegen des Vorfalls suspendiert.

(Foto: Lackovic/imago)

Ein Stürmer, sein Vater und ein 1860-Trainer der alten Schule - in einer mitreißenden Coming-of-Age-Geschichte aus dem Jahr 2009.

Von Markus Schäflein

Fußball-Drittligist TSV 1860 München hat Sascha Mölders aus dem Kader gestrichen, der ehemalige Torjäger und seine Fans haben über die sozialen Medien zurückgeschossen. Zoff bei den Löwen - nichts Neues: In dieser Serie blickt die SZ auf die schönsten Geschichten aus dem Tratsch- und Streitverein zurück.

"In der Ära Uwe Wolf", betonte Uwe Wolf, "wird Marvin nie mehr zum Kader der Profis gehören." Der Trainer des TSV 1860 hatte den Jungprofi Marvin Pourié im April der Zweitliga-Saison 2008/09 vom Training suspendiert: "Es gibt kein Zurück."

Die Geschichte von Marvin Pourié und den Löwen ist eine mitreißende Coming-of-Age-Story und das tiefenscharfe Dokument eines Generationenkonflikts. Pourié, 18 Jahre alt, beim FC Liverpool ausgebildet und beim damals großen FC Schalke 04 unter Vertrag, gilt als eines der hoffnungsvollsten deutschen Sturmtalente und soll in der zweiten Liga Spielpraxis sammeln. Wie Wolf findet: Er soll sich "hochdienen". Wolf, der die Ansichten Werner Lorants hoch schätzt, lässt ihn die Leibchen bringen, Pourié hat sie vergessen, damit geht es los. Als Torben Hoffmann, 34, beinharter Verteidiger, heute übrigens beinharter Sky-Reporter, Pourié auf dem Trainingsplatz grob foult, lässt Wolf einfach weiterspielen: "Es liegt in meinem Ermessen, ob ich abpfeife, manchmal will man ja was rauskitzeln beim Spieler." Das sei "willkommene Aggressivität".

Was er rauskitzelt, sind ein Streit und eine Schlägerei zwischen Pourié und Hoffmann, was Wolf dann auch wieder nicht willkommen war: "Ich mag eine aggressive Spielweise, aber sowas geht nicht." Dann taucht plötzlich eine neue Hauptfigur auf, Wolf findet: "Da läuft das Fass über." Pouriés Vater Rüdiger mischt sich ein und ruft einen legendären Satz, der bis heute einen Ehrenplatz im Zitatschatz der Löwen hat: "Marvin, wir gehen!" Wolf entgegnet: "Marvin, überleg' dir gut, was du tust. Wenn du jetzt gehst, spielst du bei mir nie mehr." Und Marvin geht. Vater Rüdiger ruft: "Hoffmann, dich krieg' ich noch!"

Von Pourié gab es nur noch auf seiner Homepage etwas zu erfahren: "Ich bin kein Ja-Sager zu allem. Wenn ich eine Meinung habe, vertrete ich diese auch. Selbst wenn das dann nicht zu meinem Vorteil ist." Bei 1860 spielte er noch für die U23, aber ohne Anwesenheit seines Vaters. Man habe ihm "nahegelegt, dem Trainingsgelände fernzubleiben", sagte Geschäftsführer Manfred Stoffers. Pourié beschwichtigte seinen Vater später nach dessen Angaben mit den Worten: "Papa, bleib' ruhig. In zwei Jahren bin ich ganz oben."

Pourié spielte dann bei Silkeborg IF, Zulte Waregem, SønderjyskE Fodbold und FK Ufa, in Braunschweig, Karlsruhe und Kaiserslautern. Bei jedem Vereinswechsel kommentierten Sechzigfans in Internetforen: "Marvin, wir gehen." Wolf musste den TSV gut zwei Wochen nach dem Vorfall wegen anhaltender Erfolglosigkeit verlassen, nach nur elf Spielen als Cheftrainer. Er prägt derzeit eine Ära beim Südwest-Regionalligisten VfR Aalen, Pourié spielt beim Drittligisten Würzburger Kickers - und trifft am Montag, 20. Dezember (19 Uhr), auf die Löwen.

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