SD Eibar in der Primera División:Aufstand der baskischen Winzlinge

SD Eibar v Real Sociedad de Futbol - La Liga

Ein historischer Moment: Javier Lara erzielt das erste Tor von Eibar in der Primera División.

(Foto: Getty Images)

Die Spieler des SD Eibar sind alle zusammen weniger wert als ein einziger Ersatzspieler von Real Madrid. Dennoch steht der kleine Verein in der Tabelle gleichauf mit dem spanischen Rekordmeister. Der Außenseiter bastelt sich ein außergewöhnliches Fußball-Märchen.

Von Lisa Sonnabend

Die Bewohner von Eibar werden am Montagabend tanzend durch die schmalen Gassen ziehen. Bis spät nachts werden sie vor den Kneipen des Ortes stehen und sich gegenseitig davon erzählen, wie unglaublich es doch ist, was sie gerade erlebt haben. Auf den schmalen Balkonen werden sich die Menschen drängen, Fahnen schwenken und sich umarmen. Ganz egal wie das Spiel ausgeht; denn schon jetzt hat ihr Verein weit mehr erreicht, als er sich für eine ganze Saison vorgenommen hat.

Die Geschichte vom kleinen Klub Sociedad Deportiva Eibar, der plötzlich in der Primera División spielt, war ein Fußballmärchen, ehe die Saison in Spanien begann. Nach zwei Spieltagen ist diese Geschichte noch viel unglaublicher geworden. Denn der Winzling liegt in der Tabelle nur einen Platz hinter Real Madrid, der Antithese zu Eibar.

Dass in dem baskischen Städtchen nun Erstliga-Fußball gespielt wird, erwischte alle ziemlich unvorbereitet. 2013 stieg der Klub in die zweite spanische Liga auf. Nur eine Saison später spielt er plötzlich in der höchsten spanischen Spielklasse. Am kommenden Montag steht das zweite Heimspiel an, der Gegner Deportivo La Coruña. Ende November kommt Cristiano Ronaldo mit Madrid, Lionel Messi mit Barcelona im Frühling.

Eibar liegt in einem engen Tal, zwischen San Sebastián und Bilbao. Viele Bewohner verdienen ihr Geld in der Waffenindustrie. Die Wohnblöcke sind hoch und grau, nur die Hügel außerhalb der Stadt sind aus sattem Grün. Laut einer Umfrage gilt Eibar als die hässlichste Stadt im Baskenland. Gerade einmal 27 000 Menschen leben hier.

SD Eibar ist der Verein aus der kleinsten Stadt, der je in der Primera División gespielt hat. Das Stadion Ipurúa fasst lediglich 5900 Zuschauer, nie hatte ein Erstliga-Verein eine kleinere Spielstätte. Nie war zudem das Budget eines Klubs niedriger. Eibars Marktwert beträgt gerade einmal 860 000 Euro, der Bruchteil eines einzigen Ersatzspielers von Real Madrid.

Als Javi Lara am ersten Spieltag einen Freistoß aus unmöglichem Winkel ins Tor zauberte, wischten sich die Anhänger auf der Tribüne die Tränen aus den Augen. Bis spät nachts feierten sie den 1:0-Erfolg gegen Real Sociedad San Sebastián in den Lokalen, tranken und blockierten die Straßen. Verteidiger Raúl Albentosa ging wie alle anderen Spieler vom Stadion aus zu Fuß nach Hause. Als er an den Bewohnern vorbeikam, sah er sich staunend um und sagte in eine Kamera des WDR: "Wir tun der Stadt und der Wirtschaft gut, die Kneipen sind voll."

Eine Woche später hieß der Gegner Atlético Madrid, spanischer Meister und Champions-League-Finalist. Eibar verlor, allerdings nur knapp. Atlético erzielte zwei Treffer nach Standardsituationen, Eibar dagegen kombinierte in der 12. Minute herrlich: Ángel Rodríguez legte den Ball mit der Hacke zurück auf Abraham Minero, der aus kurzer Distanz vollendete. In der Nachspielzeit hätte Eibar sogar beinahe noch den Ausgleich erzielt, doch der Ball flog Zentimeter am Tor vorbei. Es wäre auch zu unglaublich gewesen.

Eibar zermürbt den Gegner

Trainer Gaizka Garitano sagte vor ein paar Tagen: "Wenn wir gut verteidigen, bekommen wir gegen jede Mannschaft Möglichkeiten." Es klang wie eine Drohung. Eibar zermürbt die Gegner mit seiner Spielweise. Die Mannschaft steht kompakt und geschlossen, sie teilt sich ihre Kräfte gut ein. Hin und wieder tauchen Eibars Stürmer aber auch plötzlich im gegnerischen Strafraum auf und erzielen Treffer, die so schön sind, als hätte sie ein Fußball-Millionär erzielt. Doch so viel Geld haben sie hier nicht.

Wegen finanzieller Probleme wäre Eibar beinahe der Start in der Primera División verwehrt geblieben. Der Verein musste ein Vermögen von 2,1 Millionen Euro vorweisen - viel mehr als er besaß. Im Sommer startete der Verein deshalb eine Kampagne: Er forderte die Bewohner auf, Aktien zu erwerben, begrenzte die mögliche Gesamtinvestition eines einzelnen Käufers allerdings auf 100 000 Euro, um zu vermeiden, dass zwielichtige Spekulanten den Verein übernahmen. 8000 Menschen sicherten sich Anteile. Wirte, Tankstellenbesitzer, Bäcker, Apotheker. Und Xabi Alonso, der Bayern-Zugang, der vor 14 Jahren bei Eibar spielte. Die letzte nötige Aktie zeichnete ein 90-jähriges Vereinsmitglied. Als die Lizenz für die erste Liga da war, sagte Präsident Álex Aranzábal über seinen Klub. "Ich denke, es ist eine interessante Geschichte, eine andere Geschichte."

Sollte in dieser Saison tatsächlich der Klassenverbleib gelingen, würde Eibar schon wieder ein Problem bekommen. Die Regeln schreiben vor, dass im zweiten Erstligajahr das Stadion mindestens 15 000 Zuschauer fassen muss. Doch es ist unmöglich, das Ipurúa zu erweitern.

Hinter der Tribüne verläuft die Autobahn, die anderen Seiten sind umrahmt von Hochhäusern. Das Tal ist viel zu schmal, um ein neue Spielstätte zu bauen. Eibar müsste die Partien in Bilbao oder San Sebastián austragen. Doch einen Umzug kann sich hier niemand vorstellen. Schon eher, dass die Sociedad Deportiva Eibar im November gegen Real Madrid gewinnt.

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