Zwei Lesarten gab es zum Abschlussbild dieser Golfsaison am Sonntag, das man inzwischen bestens kennt. Sein 13. Turnier in drei Jahren gewann der US-Amerikaner Scottie Scheffler an diesem Nachmittag in Atlanta, zum Abschluss der FedEx-Cup-Playoffs auf der PGA Tour, er posierte mit Ehefrau Meredith und seinem kleinen Sohn Bennett, eine beachtliche Routine wohnt diesem Ritual inzwischen inne. Der beste Golfspieler der Welt ist Scheffler inzwischen seit drei Jahren, in so kurzer Zeit haben vor ihm in der Geschichte des Sports nur Tiger Woods und Jack Nicklaus eine ähnliche Zahl an Titeln eingesammelt.
Die eine Lesart war daher, dass man Scheffler, diesem angenehm auf dem Boden der Tatsachen ruhenden Texaner, einfach nur zu seiner sportlichen Brillanz inmitten solch charakterlicher Normalität gratulieren konnte. Man merkt das an Details, wie der Geschichte, dass er beim Warmmachen für das Turnier mit völlig in die Jahre gekommenen Kabel-Kopfhörern über die Anlage lief, während andere Spieler ihre eigenen Kopfhörersponsoren haben und auch diesen Teil ihres Auftritts monetarisieren.
Über 62 Millionen US-Dollar Preisgeld hat Scheffler alleine in diesem Jahr erspielt
Scheffler spielt nicht um Geld; der 28-Jährige spielt, um zu gewinnen, das sagt er immer wieder, und er ist einer der Wenigen, der das glaubwürdig formuliert. Nur ist die feine Ironie, die zweite Lesart dieses Triumphs am Saisonende also, dass es ihn zu einem noch nie gesehenen Reichtum geführt hat. Über 62 Millionen US-Dollar Preisgeld hat Scheffler alleine in diesem Jahr erspielt, das sind 3,3 Millionen pro Turnier oder 12 000 US-Dollar pro Golfschlag. Es sind wahnwitzige Summen selbst in einem System, das nach immer mehr Geld verlangt hat.
„Ich würde beim Masters auch spielen, wenn es kein Geld gäbe“, sagte Scheffler unter der Woche, über den ersten der zwei ganz großen Siege seines Jahres im April in Augusta. Und für den zweiten – die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen vor einigen Wochen – galt dasselbe, in Paris war Geld nachrangig: Scheffler hatte vom US-Olympiaverband die Summe von 38 000 US-Dollar bekommen, umgerechnet in Profigolf-Realitäten sind das etwas mehr als drei Golfschläge.
Das Publikum hat sich offenbar sattgesehen an satten Golfprofis
Was bleibt also von dieser Saison auf der PGA Tour? Die Erkenntnis, dass dieser Sport eine dringende Rückbesinnung auf die Werte braucht, die der Weltranglistenerste Scheffler verkörpert. Sports- und Wettbewerbsgeist sind nicht käuflich, das spüren auch die Zuschauer, die sich nachweislich immer weniger für professionellen Golfsport interessieren – weil sie wohl spüren, dass in den vergangenen Jahren die finanziellen Interessen der Spieler im Fokus standen, nicht mehr der Sport.
Nirgendwo zeigt sich das besser als beim Playoff-Finale: Ein langweiliges Format spielte die PGA Tour in Atlanta aus, zum Ende hin hatte Scheffler nur noch einen Wettbewerber um den Sieg. Es braucht eine dringende Überholung dieses Sports im Sinne der Zuschauer, die sich satt gesehen haben an satten Sportlern in deren Mitte es zu wenig Charaktere wie den klugen Scheffler gibt – der jetzt tatsächlich auch der große Saisonsieger ist.