Schwimmer Florian Wellbrock:Er wäre dann so weit

FINA Swimming World Cup Berlin - Day 1

"Ich musste nicht groß auf etwas verzichten": Schwimmer Florian Wellbrock.

(Foto: Ronny Hartmann/Getty Images)

Der Weltmeister ist so gut in Form wie noch nie im Frühjahr, ihm machten die Einschränkungen kaum zu schaffen. Jetzt ist nur die Frage, was ihm das nützt.

Von Claudio Catuogno

Kürzlich ist Florian Wellbrock, 23, mal wieder in ein Flugzeug gestiegen, Berlin - München - Málaga, es ging zum Höhentrainingslager in die Sierra Nevada. Da hat er sich einige Stunden lang unsicher gefühlt. In der Elbeschwimmhalle in Magdeburg haben sie ihr eingeübtes Hygienekonzept, mit FFP2-Maske bis zum Beckenrand, nach der Trainingseinheit schnell abtrocknen - und FFP2-Maske wieder auf. Doch eingezwängt in seinen Flugzeugsitz war er dann von jener Art Reisenden umringt, die sich das mit der Maskenpflicht von der Stewardess gerne mehrmals erklären lassen.

Am Ende hat sich der Vier-Wochen-Trip in die Höhe aber gelohnt. In 14:46 Minuten ist Wellbrock die 1500 Meter Freistil kürzlich im Training geschwommen. Da fehlen nur noch zehn Sekunden zu jener Zeit aus dem Juli 2019, mit der Florian Wellbrock in Südkorea Weltmeister wurde. "So schnell", sagt sein Trainer Bernd Berkhahn, "war der Flo im März noch nie."

Jetzt muss man halt mal sehen, was dem Flo das nützt. Finden die Olympischen Spiele im Sommer statt? Und: Welchen Wert hätte das größte Sportfest der Welt, wenn niemand mitfeiern dürfte, weil die Tribünen leer bleiben müssen? "Diese Fragen reflektiere ich natürlich und sehe da nicht egoistisch nur meine Sichtweise", sagt Florian Wellbrock. Aber in erster Linie ist er halt doch Berufssportler, und "aus Sportlersicht ist Olympia das, wofür wir trainieren". Dass er 2019 in Gwangju als erster Schwimmer überhaupt nicht nur Weltmeister im Becken wurde, sondern auch über die zehn Kilometer im Freiwasser, das kann ihm keiner mehr nehmen, aber es hat die Erwartungen auch weiter nach oben geschraubt. "Eine olympische Medaille", sagt er, das wäre noch mal "ein ganz anderer Schnack". Wellbrock wünscht sich also, "dass die Spiele stattfinden, sie aber für alle Beteiligten sicher durchgeführt werden". Dann hätte er mit der bestechenden Form, in der er schon wieder ist, wohl alle Chancen.

Man kann das gerne zugeben: Es gibt Sportlerinnen und Sportler, die hat die Pandemie härter getroffen als die Magdeburger Schwimm-Gruppe des Trainers Berkhahn, zu der auch Sarah Köhler, 26, gehört, die WM-Zweite über 1500 Meter Freistil, Wellbrocks Freundin. Das geht bei der psychischen Komponente los: Die Ausgangsbeschränkungen haben Wellbrock etwa nicht sonderlich tangiert. In Kneipen trifft man ihn ohnehin eher selten. Und sein Freundeskreis, "das ist meine Trainingsgruppe", sagte er. "Die Trainingsgruppe ist mein Mittelpunkt. Insofern musste ich nicht groß auf etwas verzichten."

Die Elbschwimmhalle war für die Leistungsschwimmer immer geöffnet. Und Abstandhalten ist im Schwimmen auch kein Problem, anders als im Ringen, Fechten oder Judo, wo das Interagieren mit dem Gegner dazugehört. Ein Schwimmer hat es da einfacher, "weil ich vor allem meinem individuellen Fahrplan folgen muss". Und dann ist Wellbrock eben erst 23. "Ein biologischer Abbau hat noch nicht eingesetzt", sagt er schmunzelnd, schon in drei Jahren sind Olympische Spiele in Paris. Es hatte sich da mit dem Doppel-Gold von Gwangju ein vorzügliches Zeitfenster aufgetan, nun ist der Sport in der Warteschleife. Aber Wellbrock ist selbstbewusst genug, um zu glauben, dass sich das Zeitfenster für seine Olympiamedaille noch eine Weile offenhalten lässt.

Gab es gar keinen Tiefpunkt? Doch, durchaus. Im März vor einem Jahr waren sie auch schon in der Sierra Nevada gewesen, sie sind dann überstürzt abgereist, ehe alle Grenzen dicht waren. Dann die Hängepartie um die Spiele, schließlich die Verschiebung. "Das war für mich eine komische Situation, ich hatte es nicht mehr in der Hand." Für einen wie ihn, der gerne alles unter Kontrolle hat, war das nicht leicht. "Ich bin schon der Typ, der dann etwas Zeit braucht, um in mich zu gehen." Betonung auf etwas. Nach einer Woche hatte er sich mit der neuen Situation arrangiert.

Zusammen mit Sarah Köhler hat er sich dann einen Hund angeschafft, Kojak, "das hat unser Corona-Tief definitiv verkürzt". Sie sind mit Kojak oft unten an die Elbe, "das bringt einen mental runter, das ist Friede für die Seele", irgendwann hat er bei einem dieser Spaziergänge auch einen Verlobungsring ausgepackt.

Da sind schon noch Unsicherheiten: Das Thema Impfung zählt dazu, außerdem die Fragen, ob das geplante letzte Höhentrainingslager zustande kommt und ob bei der EM im Mai in Budapest die Hygienekonzepte funktionieren. Im Deutschen Schwimm-Verband geht auch einiges drunter und drüber: Das neue Präsidium hat gerade den Leistungssportdirektor gekündigt, Zukunft ungewiss. Aber schon das Verfahren, mit dem das deutsche Schwimmen nun seine Olympiaqualifikation organisiert, muss Florian Wellbrock nicht kümmern. Er ist als Weltmeister schon für Tokio qualifiziert. Jetzt müssen sie nur noch stattfinden, die Spiele.

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