Süddeutsche Zeitung

Schwimmen:Zwischen Weltrekord und Arbeitsamt

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Marco Koch schwimmt Bestzeit, aber viele Trainer haben keine Verträge: Im DSV herrscht "maximale Verunsicherung".

Hier ein Weltrekord, da Verunsicherung - bei den Deutschen Kurzbahn-Meisterschaften in Berlin schlugen die Wellen am Wochenende nicht nur im Becken hoch. Die Überraschung aus sportlicher Sicht: Weltmeister Marco Koch hat am Sonntag den Weltrekord über 200 Meter Brust verbessert. Auf seiner Spezialdistanz schwamm Koch in 2:00,44 Minuten vier Hundertstel schneller als der Ungar Daniel Gyurta vor zwei Jahren. Koch hatte nach seinem siebten Platz bei Olympia 13 Kilo abgenommen. Er ist neben dem Olympia-Sechsten über 200 Meter Lagen, Philip Heintz, der einzige Hoffnungsträger für die Kurzbahn-WM vom 6. bis 11. Dezember in Kanada. Für die Titelkämpfe in Windsor schafften nur vier deutsche Schwimmer die WM-Normen. Und selbst wenn ein Weltrekord auf der kurzen 25-Meter-Bahn nicht den selben Stellenwert hat wie im großen, olympischen Becken: Ein Achtungszeichen ist die Leistung allemal.

Ein Achtungszeichen allerdings in unruhigen Zeiten: Die von Chefbundestrainer Henning Lambertz angekündigten Reformen sorgen für Unruhe. Und dann sind da noch die Zukunftssorgen der Stützpunkttrainer angesichts ausstehender Verträge. "Es weiß keiner, was kommt. Es herrscht maximale Verunsicherung", sagt Bernd Berkhahn, der Magdeburger Coach von Europameisterin Franziska Hentke. Weltmeister-Trainer Frank Embacher ist auf dem Absprung. Die neu gewählte Präsidentin des Deutschen Schwimmverbands (DSV), Gabi Dörries, muss sich fast pausenlos erklären, intern wie extern.

Thema Trainer-Verträge: Die meisten Übungsleiter wissen noch nicht, welchen Job sie von Januar an haben. Unklar ist nicht zuletzt, wie es mit Embachers Stützpunkt in Halle (Saale) weitergeht. Das liegt daran, dass auch die DSV-Führung wohl erst nach einem weiteren Gespräch mit dem DOSB am Mittwoch weiß, ob es bei bislang avisierten Einsparungen von 350 000 Euro bleibt. Erst danach herrscht Klarheit über den Personaletat. Hätte man nicht trotzdem schon mal reden können? "Man möchte auf der ganz sicheren Seite sein. Das kann ich nicht verstehen", sagt Embacher, Trainer des zurückgetretenen ehemaligen Weltmeisters Paul Biedermann, der schon beim Arbeitsamt vorstellig wurde. Embacher erwartet bald ein Signal, er wird sich sonst bis 30. November auf eine Stelle in der Sportförderung in Halle bewerben.

Neun Bundesstützpunkte gab es bislang, sieben hat der DOSB dem DSV bewilligt: Hamburg, Berlin, Magdeburg/Halle, Essen, Heidelberg, Würzburg und Potsdam. Cheftrainer Lambertz will die Elite aber eher in vier oder fünf Stützpunkten konzentrieren. Dagegen formiert sich Widerstand: "Das ist das Schlimmste, was du dem deutschen Sport antun kannst. Überall gibt es Insellösungen, mit denen man gut arbeiten kann, bis hin zur Weltspitze. Jetzt wird erst mal alles platt gemacht. Das erinnert mich an eine bestimmte Zeit", sagt Berkhahn. Er meint: an die DDR.

Für Unmut sorgt auch das Krafttrainings-Konzept, das Lambertz allen Trainern vorgeben will. Diese Beschneidung ihrer ureigenen Kompetenzen schmeckt wenigen. "Mehr Athletik, und das Schwimm-Training soll trotzdem auf dem gleichen Level bleiben - die Vorstellung ist sehr ambitioniert", sagt Embacher.

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SZ vom 21.11.2016 / dpa, SZ
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