Süddeutsche Zeitung

Weltrekord im Schwimmen:Wellbrock schwebt allen davon

Erste Medaille bei einer Kurzbahn-WM - und gleich Gold mit Weltrekord: In Abu Dhabi schnappt sich Florian Wellbrock die Bestmarke über 1500 Meter und fliegt mit einer stattlichen Prämie nach Hause.

Von Sebastian Winter

Ein netter Rahmen war das am Donnerstag, Vogelgezwitscher im Hintergrund, um die 25 Grad, Florian Wellbrock in Shorts und Shirt entspannt auf einer Bank im Freien. Kurz schwenkte der aktuell beste deutsche Schwimmer zwischendurch seinen Laptop, die Kamera zeigte tiefblauen Himmel. Wie das für ihn sei, so ein Jahresabschluss kurz vor Weihnachten in der Wärme Abu Dhabis? Ach, sagte Wellbrock, der Freiwasser-Olympiasieger, "die Umgebung ist für mich zweitrangig, wir hätten das hier jetzt auch irgendwo in Schweden oder Norwegen machen können". So klingt einer, der ziemlich im Tunnel ist in seinem Sport.

Der 24-Jährige hatte tags zuvor in dem Emirat das Weltcup-Finale über 10 Kilometer im Freiwasser für sich entschieden, wie auch die Würzburgerin Leonie Beck, beide gewannen je 15 000 Dollar Preisgeld, was eine ganze Stange Geld selbst im Profischwimmen ist. Aber der Magdeburger hatte trotzdem noch einen kleinen Auftrag in dieser mit Spitzenschwimmen vollgestopften Woche in Abu Dhabi: die nächste Medaille zu gewinnen.

Abu Dhabi richtete ja nicht nur den letzten Weltcup des Jahres für die Schwimmerinnen und Schwimmer aus, sondern direkt im Anschluss noch die Kurzbahn-Weltmeisterschaft. Wellbrock, der der Freiheit im Salzwasser wesentlich mehr abgewinnen kann, startete im von ihm nicht gerade geliebten, kurzen 25-Meter-Pool über 1500 Meter Freistil. Er muss dort im Gegensatz zum Freiwasser dauernd Wenden machen, die, wie er findet, seinen Rhythmus unterbrechen. Dennoch kam er souverän ins Finale und erreichte am Dienstagnachmittag sein Ziel. Und wie!

Wellbrock, der Geschenken eigentlich gar nichts abgewinnen kann, erhält nun 80 000 Dollar an Prämien

Wellbrock gewann nicht nur sein erstes Edelmetall bei einer Kurzbahn-WM, sondern gleich Gold, und das in neuer Weltrekordzeit von 14:06,88 Minuten. Die alte Bestmarke des Italieners Gregorio Paltrinieri aus dem Jahr 2015 hatte er um mehr als eine Sekunde verbessert. Seine größten Widersacher, der 400-Meter-Olympiasieger Ahmed Hafnaoui aus Tunesien und der Ukrainer Michailo Romantschuk, schlugen mehr als vier Sekunden nach Wellbrock an - selbst auf der langen Strecke eine kleine Ewigkeit. Der Deutsche hatte das ganze Rennen über geführt, nach 800 Metern hatte er sich abgesetzt, um seinen Rivalen dann eindrücklich davonzugleiten. "Unglaublich, ich dachte nicht, dass ich in der Verfassung für einen Weltrekord bin", sagte Wellbrock keine zwei Minuten nach dem Rennen am Beckenrand. Später, als er bei der Dopingkontrolle kurz auf sein Handy schaute, machte er es schnell wieder aus. Die 150 Nachrichten, die er sah, hatten ihn auch ein wenig erschlagen. "Das schaue ich mir heute Abend in Ruhe an", sagte Wellbrock. Aber erst, nachdem er noch mit einem Kumpel in der Stadt in ein Restaurant gegangen war - jedenfalls hatte er diesen Plan geschmiedet vor einer kurzen Nacht und dem frühmorgendlichen Rückflug in die Heimat.

In die 18 000 Zuschauer fassende Arena war ein temporärer 25-Meter-Pool eingelassen worden, nebendran vergnügen sich Wintersportler in der Skihalle und auf der Eisbahn. So ziemlich alles ist möglich in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate und ihrem Sport-Vergnügungs-Zentrum, der Yas-Insel, die einst ein natürliches Sandeiland war, bevor die Bagger kamen. Dabei hat eine Kurzbahn-WM eigentlich eher überschaubaren Stellenwert, sie steht in der Hierarchie klar hinter einer WM oder EM auf der 50-Meter-Bahn, im Schatten von Olympischen Spielen sowieso.

Für Wellbrock und die anderen Spitzenschwimmer war sie dennoch ein guter Anlass, sich und ihre Form noch einmal zu präsentieren - bevor 2022 die WM in Japan und die EM in Rom kommen. "Man bereitet sie nicht so explizit vor, wie man das auf der langen Bahn tut. Trotzdem ist die Kurzbahn-WM ein wichtiger Abschluss des olympischen Jahres, jeder möchte nochmal zeigen, was er kann", sagte Bundestrainer Bernd Berkhahn.

Gold und Bronze in Tokio, nun Gold bei der WM: Es war ohnehin Wellbrocks Saison

Einer der wenigen deutschen Beckenschwimmer, die das neben Wellbrock auch wirklich zeigten, war Christian Diener. Der 28-jährige Potsdamer sicherte sich im Finale über 50 Meter Rücken am Sonntag in 22,90 Sekunden Silber hinter dem Russen Kliment Kolesnikow - bis zum Schlusstag war das die einzige Medaille für den ohnehin seit Jahren nicht gerade edelmetall-behangenen Deutschen Schwimm-Verband. Dann gewann Diener am Dienstag Bronze über 200 Meter Rücken - und Wellbrock brach zu seinem Gold-Rennen auf. Am Donnerstag hatte er in der Vogelgezwitscher-Kulisse noch klargestellt: "Ich bin absolut kein Freund von Prognosen, der sagt, wir können auf jeden Fall nochmal schneller als 14:08 schwimmen."

Aber es war ja ohnehin die Saison des Florian Wellbrock: Gold und Bronze bei den Spielen in Tokio, Gold und Silber bei der Kurzbahn-EM im November in Kasan, nun WM-Gold und der Weltcup-Sieg binnen einer Woche. Bei der Wahl zum "Sportler des Jahres" war er am Sonntag hinter Alexander Zverev auf dem zweiten Platz gelandet, und grüßte die Zuschauer vom Rand des Beckens in Abu Dhabi, in dem er gerade trainierte. In Magdeburg hat sich Wellbrock inzwischen einen Stein im unvermeidlichen "Walk of Fame" gesichert.

Wellbrock sei kein "Freund von Geschenken", hatte er am Donnerstag noch betont, über dieses unerwartete Präsent dürfte er sich dennoch freuen: Denn nun fliegt der neue Weltmeister und Weltrekordhalter mit einer Prämie von insgesamt 80 000 Dollar zurück in die Kälte.

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