Florian Wellbrock:Deutschlands aussichtsreichster Schwimmer

Florian Wellbrock: 800 m, 1500 m und 10 km Freiwasser - das ist Florian Wellbrocks WM-Plan im Juli. Über 400 m wäre er auch qualifiziert, doch das wird zu viel.

800 m, 1500 m und 10 km Freiwasser - das ist Florian Wellbrocks WM-Plan im Juli. Über 400 m wäre er auch qualifiziert, doch das wird zu viel.

(Foto: Darko Bandic/AP)
  • Für Florian Wellbrock war sein erster internationaler Titel, EM-Gold, besonders wertvoll.
  • Sein Selbstbewusstsein ist gestiegen und er ist gerade Deutschlands aussichtsreichster Schwimmer.
  • Beim Deutschen Schwimm-Verband wartet man schon länger darauf, dass es bei einem mal wieder richtig losgeht.

Von Saskia Aleythe, Magdeburg

Sie schauen jetzt auf ihn, und er weiß: Das ist etwas Gutes. Wenn Florian Wellbrock bei Wettkämpfen ins Becken hüpft, ist er nicht mehr einer von vielen. Er ist schließlich Europameister geworden, im vergangenen August in Glasgow, "seitdem werde ich bei Wettkämpfen im Ausland von allen Seiten angeguckt, ich sehe manchmal, wie die Trainer ihren Sportlern etwas erklären und dabei auf mich zeigen." Ein ungewohntes Gefühl, doch wer über 1500 Meter Freistil zu einer Medaille kommen will, muss sich mit diesem 21-Jährigen beschäftigen, der nicht nur mit seinen Zeiten auffällt. Weil Beobachter in die Falle tappen können, ihn als schüchtern einzuschätzen und dann von solchen Sätzen überrascht werden: "Ich will in den Köpfen der Menschen bleiben."

Elbe-Schwimmhalle in Magdeburg, am Kiosk belegte Käsebrötchen, Rentner an Bistrotischen, draußen parkt Florian Wellbrock das Auto mit Werbung vom Ausbildungsbetrieb, einer Wohnungsgenossenschaft. Wellbrocks Name auf der Motorhaube, sein Name auf dem Heck, groß darüber: "Projekt Tokio", Olympia 2020, da will er hin, na klar. In Glasgow lief zum ersten Mal die Hymne für ihn, nur für ihn und sein EM-Gold.

Mit der viertschnellsten Zeit, die ein Mensch jemals 30 Bahnen lang durch ein 50-Meter-Becken geschossen ist, hatte Wellbrock seinen ersten internationalen Titel erobert, so wertvoll sind EM-Medaillen im Schwimmen selten. Sein Trainer Bernd Berkhahn sagte damals: "Jetzt geht es erst richtig los." Und darauf wartet man beim Deutschen Schwimm-Verband (DSV) ja schon etwas länger: Dass es bei einem mal wieder richtig losgeht.

Video von EM-Sieg als Aufstehhilfe

Es ist nicht so, dass Florian Wellbrock als Kind in der Schwimmhalle gestanden und sich gedacht hätte: "Mensch, jetzt mal 30 Bahnen am Stück schwimmen, das wäre ziemlich toll." Warum macht das aber einer, 1500 Meter im Pool hin und her hetzen, Armzug für Armzug, fast 15 Minuten am Stück? "Ich kann einfach nichts anderes", sagt Wellbrock, "wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich auch lieber nur eine Bahn schwimmen." Aber Mitleid haben muss man nicht, bei den größeren Distanzen läuft es ziemlich ordentlich: Gleich vier Normen für die im Juli anstehende Weltmeisterschaft hat Wellbrock in den vergangenen Monaten erfüllt, über 400, 800, 1500 Meter und im Freiwasser über zehn Kilometer. Am vergangenen Sonntag lief die Frist zur Normerfüllung ab, 29 Athleten und Athletinnen wird der DSV mit nach Gwangju in Südkorea nehmen, Wellbrock ist dabei der aussichtsreichste Kandidat auf den ersten deutschen WM-Titel seit Marco Kochs Gold 2015.

Das Video von seinem EM-Sieg schaut sich Florian Wellbrock immer wieder an, fast täglich, manchmal schon vorm Aufstehen. "Da fällt der Schritt aus dem Bett leichter", sagt er. Dieses Rennen hatte ja auch eine besondere Ästhetik: Wie sich Wellbrock erst mit Italiens Olympiasieger Gregorio Paltrinieri duelliert, dann lange vorneweg schwimmt und auf den letzten Bahnen die Angriffe des WM-Zweiten Michailo Romantschuk aus der Ukraine abwehrt. Nach 14:36,15 Minuten schlägt Wellbrock an - nur der Weltrekordhalter Sun Yang, Paltrinieri und Australiens Grant Hackett, bereits zurückgetreten, waren jemals schneller. Der Weltrekord liegt bei 14:31,02 Sekunden, bei den Spielen 2012 geschwommen von Chinas Sun Yang, der 2014 mit positiver Dopingprobe aufgefallen war.

Mit dem Weltrekord wollen sich Wellbrock und Berkhahn nun näher beschäftigen, denn, so sagt es der Trainer: "Fünf Sekunden Abstand sind auf 1500 Meter nicht besonders viel." Man will herausfinden, wo diese wenigen Zehntel pro Bahn stecken. "Es ist möglich, sie zusammenzusuchen." Bei der Wende läge ein Zehntel rum, für weitere soll an einer höheren Frequenz der Armzüge geschraubt werden, ohne allerdings an Zuglänge zu verlieren.

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