Zum Tod von Roland Matthes:Ein Virtuose im Wasser

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Ästhet im Wasser: der viermalige Olympiasieger Roland Matthes. (Foto: imago/Frinke)

Keiner schwamm eleganter als der viermalige Olympiasieger Roland Matthes. Sieben Jahre blieb er über die Rückenstrecken ungeschlagen - und brachte dabei vielen die Ästhetik des Schwimmsports nahe.

Nachruf von Barbara Klimke

Schwimmen ist Roland Matthes auch später noch gern gegangen. Den "Moment des Eintauchens", so erzählte er vor einigen Jahren, erlebte er immer als faszinierend. Er mochte das Wasser, ob Meer, See oder Hallenbad, und er hat durch die unvergleichliche Eleganz, mit der er durch das Becken glitt, vielen Menschen auf dem Höhepunkt seiner Karriere, bei drei Olympischen Spielen, die Ästhetik des Schwimmsports nahegebracht.

Wenige Athleten erreichen in ihrem Metier eine derartige Kunstfertigkeit wie der 1950 in Pößneck in Thüringen geborene Roland Matthes. Nichts illustriert das besser als der Umstand, dass selbst zu Zeiten des Kalten Krieges die westliche Konkurrenz die Überlegenheit des DDR-Athleten ohne Neid anerkannte. Als er 1968, im Alter von 17 Jahren und schon Weltrekordler, bei den Sommerspielen in Mexiko-City in beiden Rücken-Entscheidungen, über 100 Meter und 200 Meter, als Schnellster anschlug, geriet der unterlegene US-Amerikaner Ronald Mills ins Schwärmen: "Matthes ist wundervoll", erklärte er, seine "langsame Zugfolge" sei bewundernswert.

Schwimmen
:Schwimm-Olympiasieger Matthes ist tot

Er gilt als der beste Rückenschwimmer seiner Zeit und gewann vier Goldmedaillen bei Olympia: Roland Matthes ist im Alter von 69 Jahren gestorben.

Fachreporter bestaunten ein physikalisches Phänomen: "Er liegt nicht im Wasser, sondern auf dem Wasser", wird im Olympia-Bildband von Harry Valérien aus dem Jahr 1968 festgestellt. Feuilletonistisch veranlagte Kritiker erhoben ihn wegen der Virtuosität seines Beinschlags zu einem "Mozart des Schwimmens". Derartige Überhöhungen waren dem bescheidenen Matthes suspekt. Aber das scheinbar Mühelose seines Stils hat die Betrachter oft vergessen lassen, wie viel harte Grundlagenarbeit nötig ist, damit sich ein großes Talent entfalten kann.

Sieben Jahre lang ist Matthes auf der Rückenstrecke ungeschlagen

Gemeinsam mit dem US-Amerikaner Mark Spitz prägte er auch die Schwimm-Wettbewerbe der Münchner Sommerspiele 1972: Wieder gewann er Gold über beide Rücken-Distanzen, dazu Silber und Bronze mit der Staffel. Auf den Rückenstrecken ist er sieben Jahre lang, von April 1967 bis August 1974, ungeschlagen geblieben. Dabei hatte Matthes, der 21 Weltrekorde erzielte, erst mit zehn Jahren schwimmen gelernt, wie er in einem Interview der Berliner Zeitung erzählte. Den Leichtathleten in Erfurt, die ebenfalls um ihn warben, sagte er später ab: "Mir hat gefallen, dass man beim Schwimmen duschen konnte. Zu Hause hatten wir eine Gemeinschaftstoilette auf halber Treppe. Da gab es kein Bad."

Wohltemperiertes Wasser war die eine Voraussetzung für die Entwicklung seines Talents. Die andere war eine Trainerin, Marlies Grohe, die die Persönlichkeit des jungen Schwimmers förderte und zu ihm hielt, auch als die Kinder- und Jugendsportschule in Erfurt ihm wegen ausbleibender Leistungen zum Wechsel riet. "Sie sagte sich, der friert zwar laufend und ist 'ne dürre Nudel, aber aus dem kann man sich was zurecht schnitzen", erzählte er in Grit Hartmanns Buch "Goldkinder". Er habe als junger Sportler über ideale Voraussetzungen verfügt, relativ niedriges Gewicht und entsprechende Hebelverhältnisse: "Nur ohne das Glück, einer solchen Trainerin zu begegnen, hätte das nichts genutzt."

Nach den Spielen von München wollte Roland Matthes die Karriere beenden, aber die Funktionäre im Sportsystem der DDR legten ihm nahe, bis Montreal 1976 weiter zu schwimmen. Im Alter von 26 Jahren gewann er noch einmal eine Bronzemedaille über 100 Meter Rücken.

Bei der politischen Führung fiel Matthes in Ungnade

Nach einem Diplomsportlehrer-Studium an der DHfK in Leipzig begann er in Erfurt, Medizin zu studieren. Für Aufsehen sorgte 1978 die Hochzeit mit Schwimm-Olympiasiegerin Kornelia Ender. Als die Ehe vier Jahre später geschieden wurde, fiel er bei der politischen Führung in Ungnade: "Da war ich plötzlich nicht mehr gesellschaftsfähig." Aus Erfurt ist er 1989 nach dem Mauerfall fortgezogen. Zwei Jahre arbeitete der promovierte Orthopäde am Fechtzentrum in Tauberbischofsheim. Seit 1995 lebte er als Facharzt in Marktheidenfeld.

Er hat den deutschen Schwimmsport weiter begleitet, als Mahner und als Kritiker eines verbandsinternen Bürokratentums, auch als TV-Experte. Die Generalabrechnung mit dem DDR-Sport aber hielt er immer für zu billig. Er bezog eine strikt ablehnende Haltung zum Staatsdoping: "Ich habe auch nicht glauben wollen, wie massiv mit diesen sogenannten unterstützenden Mittel gearbeitet worden ist", sagte er in "Goldkinder". Aber er betonte auch: "Dass Doping nur eine DDR-Erfindung gewesen sei - da lachen die Amerikaner sich krank." Am Freitag ist Roland Matthes, der erfolgreichste deutsche Schwimmer, im Alter von 69 Jahren gestorben.

© SZ vom 23.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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