Schwimmen:Jefimowas Rückkehr mit Buhrufen und Pfiffen

Lesezeit: 3 min

Nicht willkommen: die russische Dopingsünderin Julia Jefimowa (Foto: Martin Bureau/AFP)

Die russische Dopingsünderin bekommt im Schwimmstadion die große Abneigung von Fans und Konkurrenz zu spüren - und erreicht trotzdem mit der zweitschnellsten Zeit das Finale.

Von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro

Auf den letzten Metern kippte die Stimmung im Aquatics Centre in Rio. Ruta Meilutyte lag vorne in diesem Halbfinale über 100 Meter Brust, die 14 000 Zuschauer jubelten und schrien fast so energisch, als wäre da gerade eine Brasilianerin im Becken. Auch nach der Wende führte die Litauerin, doch Julia Jefimowa kam auf der Nebenbahn immer näher, ab der Hälfte war sie gleichauf. Aus dem Jubeln und Schreien wurde ein Pfeifen und Buhen, als die Russin tatsächlich noch als Erste anschlug.

Julia Jefimowa und Ruta Meilutyte, das ist eines der großen Duelle bei diesen Olympischen Spielen. Ins Finale um die Goldmedaille geht Jefimowa mit der zweitschnellsten Zeit, Meilutyte als Vierte. Die beiden verbindet eine lange Geschichte und eine Rivalität, die sich über die Jahre aufgebaut hat, was nur am Rande etwas mit ihren Zeiten im Wasser zu tun hat. Sondern im ganz Konkreten etwas mit Jefimowas Einstellung zum Doping.

Im olympischen Dorf wohnen die Russen gleich in der Nähe zur Mensa, ihr Haus schmückt im Vergleich zu den anderen nur die eigene Fahne. Am Samstagabend kamen die Schwimmer in der Arena im Stadtteil Barra an, posierten im Grüppchen für ein Handyfoto, auch Jefimowa war dabei. Dass die 24-Jährige in Rio starten darf, war erst wenige Stunden zuvor bekanntgegeben worden. Als überführte Dopingsünderin war sie zunächst vom Schwimmweltverband Fina gesperrt, in Anlehnung an die Anordnung vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Doch der Internationale Sportgerichtshof Cas hob die Entscheidung auf, mit der Begründung: Ein Sportler solle nicht doppelt für ein Vergehen bestraft werden.

Am Sonntagabend bei den Halbfinalläufen spürte Jefimowa deutlich, dass sie in der Schwimmwelt gerade nicht willkommen ist. Als ihr Name auf der Leinwand erschien, fingen die Buhrufe schon an, Jefimowa lief rein, winkte wie vorgesehen und versuchte ihr Standard-Lächeln zu zeigen. Doch das geriet unter dem Eindruck der lautstarken Abneigung ziemlich säuerlich.

Ruta Meilutyte ist 19 Jahre alt, vor vier Jahren in London galt sie als das Wunderkind, das überraschend Gold gewann über die 100 Meter Brust. Erfahrung einer EM oder WM hatte sie noch gar nicht und auf einmal war sie Olympiasiegerin. Auch Julia Jefimowa schwamm damals mit, sie wurde Siebte. Jefimowa verbesserte sich über die Jahre, aber mit unerlaubter Hilfe: Im Oktober 2013 wurde sie auf das anabole Steroid Dehydroepiandrosteron (DHEA) positiv getestet. Normalerweise hätte das bedeutet: Sie verpasst die WM in Kasan 2015.

Statt zwei Jahren verhängte die Fina bei Jefimowa nur eine 16-Monate-Sperre, sie nahm ihr ab, dass sie aus Versehen ein unerlaubtes Nahrungsergänzungsmittel genommen hatte. Im Frühjahr 2015 kam die Athletin gleich mit einer Bestzeit zurück: Dabei hätte sie innerhalb der gesperrten Monate gar nicht professionell trainieren dürfen. Und dann in Kasan im August 2015: Jefimowa schwimmt wieder, im Finale besiegt sie Meilutyte und wird Weltmeisterin. Ruta Meilutyte sagt: "Ich habe sie immer respektiert, aber jetzt sehe ich sie nicht mehr als aufrichtige Konkurrentin an."

Es gibt etwas, das tatsächlich noch schwerer wiegt als Jefimowas Dopingvergehen. Redet sie darüber, wird es richtig hart für Sympathisanten des sauberen Sports. Bei der WM sagte sie zu ihrer Dopingsperre: "Ich vergleiche das immer mit dem Autofahren. Wenn Sie einen Führerschein haben, fahren Sie irgendwann auch mal zu schnell, dann bekommen Sie ein Knöllchen."

Im März drohte Jefimova noch eine lebenslange Strafe

Es sind Sätze, die Meilutyte richtig aufregen. "Du kannst das doch nicht mit einem Strafzettel vergleichen, das macht die Sache viel zu klein, verharmlost sie", sagte sie vor den Spielen der Welt am Sonntag. Wenn Kinder das hörten, dächten sie, es sei schon okay, zu dopen. "Aber nein, es ist nicht okay, zu dopen", sagte Meilutyte. Noch im März drohte Jefimowa sogar eine lebenslange Sperre: Sie war positiv auf Meldonium getestet worden, das seit Jahresbeginn verboten ist. Jefimowa behauptete, es vor dem Jahreswechsel genommen zu haben, erst Zweifel an der Nachweisdauer des Mittels retteten sie vor dem Karriereende.

Im Vorlauf in Rio gingen sich die beiden noch aus dem Weg, beide starteten in unterschiedlichen Rennen. Einlaufen konnte Jefimowa da noch ohne Probleme, schwimmen auch, erst als sie dann als Erste anschlug, kamen vereinzelt Pfiffe und Buhrufe von den Rängen. "Ich bin froh, hier zu sein", sagte sie danach, "ich bin bereit für den Wettkampf". Mehr gab es nicht, "tomorrow", kündigte sie an. Nach ihrem Finale am Montagabend, dem großen Duell zwischen ihr und Meilutyte, könnte da also noch etwas kommen. Als wäre nicht alles schon ärgerlich genug.

© sz.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Tennis
:Wenn nach dem Match beide Spieler weinen

Novak Djokovic verliert überraschend gegen Juan Martin del Potro. Hinterher beweist er Größe, als er die Leistung seines Gegners würdigt, der einst mit Depressionen kämpfte.

Von Matthias Schmid

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: