Schwimmen:Kein Schlupfloch gefunden

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Kritisches Gespräch: Marco Koch wird in Berlin zwar deutscher Meister über 200 Meter Brust, Bundestrainer Henning Lambertz (rechts) nominierte ihn jedoch nicht für die EM in Glasgow. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

2015 war er Weltmeister, nun verpasst der Schwimmer Marco Koch die EM in Glasgow. Der Bundestrainer macht auch für den deutschen Meister keine Ausnahme mehr.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Der Medaille konnte sich Marco Koch nach seinem Rennen immerhin sicher sein. Deutscher Meister über 200 Meter ist der Brustschwimmer schon acht Mal vor diesem Nachmittag in Berlin geworden, die Rennen sehen dann so aus: Er zieht einsam vorneweg, gleitet im ästhetischen Marco-Koch-Gleitstil (lang!) und taucht vier Bahnen lang auf und ab, spätestens ab der Hälfte ziemlich konkurrenzlos. Kein Zustand, den sich Schwimmer wünschen, "so hat man überhaupt kein Gefühl für die Zeit", erklärte Koch, nachdem er nun erneut den Titel gewonnen hatte, fast fünf Sekunden lang konnte er schon durchschnaufen, bevor überhaupt der Zweite an der Beckenwand anschlug. 2:08,97 Minuten standen neben seinem Namen auf der Anzeigetafel. Das bedeutete Saisonbestleistung bei ihm, aber auch: eine Zeit, die ihn nicht für die EM in Glasgow qualifiziert.

Dem 28-Jährigen war in Berlin ein Schlupfloch versprochen worden: Normalerweise hatten die Schwimmer schon bis zum 30. April die geforderten Normen erfüllen müssen, um von Henning Lambertz für den EM-Kader auserwählt zu werden. Koch war das missglückt, doch der Bundestrainer hätte seinen Weltmeister von 2015 dann doch gerne in Schottland dabei und versprach ihm: Sollte er eine Zeit von 2:08,5 Minuten schwimmen, was auch schon drei Zehntel langsamer war als die ursprünglich geforderte Zeit, dürfte er in Glasgow doch antreten. Koch schaffte auch diese Hürde nicht, Lambertz signalisierte aber weitere Bereitschaft, ein Schlupfloch im Schlupfloch zu gewähren. "Es hat mich sehr positiv gestimmt, dass Marco zu alter Stärke zurückfindet", sagte Lambertz nach dem Rennen, "unter 2:09 zu schwimmen, ist sehr respektabel." Eine Viertelstunde wollte er sich zur Entscheidungsfindung noch Zeit nehmen. Dann ließ er sich doch länger Zeit. Am Samstagabend fiel die Entscheidung, dass Koch nicht mit zur EM fährt. "Die positive Tendenz von Marco in den letzten Wochen ist deutlich zu erkennen und spiegelt sich auch in der Saisonbestleistung wider. Allerdings reicht seine Zeit von 2:08,97 nicht für eine nachträgliche Nominierung aus", sagte der Bundestrainer.

Der Schwimmer selber schwankte zwischen verschiedenen Gefühlen. "Die Medaille bei deutschen Meisterschaften ist schön, aber Glasgow zählt halt einfach mehr", sagte Koch, der zwar froh über seine Saisonbestleistung war, aber auch gedacht hatte, schneller unterwegs zu sein. "Natürlich bin ich erst mal enttäuscht. Es ist aber auch klar, dass man innerhalb von zehn Wochen nicht von 2:10 auf 2:07 hüpft", sagte er. Seine persönliche Bestleistung liegt nun schon vier Jahre zurück, 2014 bei der EM in Berlin hatte er noch 2:07,47 Minuten ins Becken gebracht. Und nun, woher kommt der Einbruch?

Koch fühlt sich wie ein Bodybuilder im Wasser

Positiv formuliert hängt er auch mit Mut zum Risiko zusammen. Bei den Olympischen Spielen 2016 schwamm er mit einer Zeit von 2:08,00 im Finale deutlich an einer Medaille vorbei und wurde Siebter. Strömungen im Becken machte er dafür verantwortlich, wollte dann aber auch etwas Neues ausprobieren, um anders voranzukommen. Koch nahm über zehn Kilogramm ab, konnte sich im Gegensatz zu manch anderen Schwimmern mit dem von Lambertz ausgedachten Konzept für mehr Krafttraining anfreunden. Er trainierte viel im Maximalbereich, die Muskeln wuchsen, Koch sagte dann bei der DM im vergangenen Juni in Berlin, er fühle sich wie ein Bodybuilder und suche noch nach dem richtigen Gefühl im Wasser mit dem neuen Körper. "Ich finde, das Kraftkonzept ist eine super Sache", sagte Koch damals, "aber das sind halt Sachen, die gehen nicht von heute auf morgen." Das richtige Gefühl fehlt ihm immer noch.

Interessant dabei ist auch, wie sich die Prognosen von Lambertz in den vergangenen Wochen gewandelt haben. Vor drei Monaten noch klang es nicht danach, als würde er in Koch noch einen Medaillenkandidaten sehen. "Stand heute fehlt mir der Glaube, dass es bei Marco nach vier Jahren stetigen Bergabs so plötzlich wieder besser werden sollte", hatte Lambertz recht deutlich formuliert, da war es Ende April, die Zeit für die Erfüllung der Normen gerade abgelaufen. Dass er eine Ausnahmeempfehlung aussprechen würde für den Weltmeister von 2015, bezeichnete Lambertz als "unwahrscheinlich".

Doch so viele Medaillengewinner in den vergangenen Jahren hat der DSV nicht vorzuweisen, und Koch ist einer der wenigen, der den Menschen in Deutschland noch im Kopf sein könnte, wenn es ums Schwimmen geht. Und so klangen Lambertz' Worte zu Beginn dieser deutschen Meisterschaften schon wieder ganz anders. "Körperlich hat er das dicke drauf, jetzt muss er es mental umsetzen und das kann er. Deswegen bin ich zuversichtlich", sagte Lambertz noch vor den deutschen Meisterschaften. Geschwommen war Koch in der Zwischenzeit bei drei internationalen Meetings - eine Zeit, wie Lambertz sie sich vorstellt, war nicht dabei.

Aber Koch ist im Verband halt eine Art Ausnahmeschwimmer der besonderen Art geworden: Schon im vergangenen Jahr hätte er die WM eigentlich verpasst, die erforderte Norm schaffte er nicht. Lambertz nahm ihn trotzdem mit, Koch scheiterte in Budapest dann schon im Halbfinale. Ein Ertrag, der dem Bundestrainer wohl noch durch den Kopf ging: Er selbst ist es ja, der vom Rest der Mannschaft Zeiten fordert, die bei Olympia mindestens für Rang acht gereicht hätten. Da macht er dann nur mal bei U23-Schwimmern Ausnahmen.

© SZ vom 22.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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