Erfolge von Wellbrock und Co:Deutschland schwimmt sich für Paris warm

Erfolge von Wellbrock und Co: Neuer deutscher Rekord, neue Weltjahresbestzeit: Florian Wellbrock kommt rechtzeitig vor dem WM-Sommer in Form.

Neuer deutscher Rekord, neue Weltjahresbestzeit: Florian Wellbrock kommt rechtzeitig vor dem WM-Sommer in Form.

(Foto: Jo Kleindl/Eibner/Imago)

Die deutschen Schwimmer überzeugen vor der WM in Japan mit schnellen Zeiten. Ihrem Verband, der sich zugleich zur Missbrauchs-Aufarbeitung verpflichtet hat, kommen solche Nachrichten gerade recht.

Von Sebastian Winter

Als Florian Wellbrock am Beckenrand angekommen war, auftauchte und sich umdrehte zur Anzeigetafel, da wuchtete er seinen linken Arm samt ausgestrecktem Zeigefinger in die Höhe. 14:34,89 Minuten leuchteten ihm vorne auf der Anzeigetafel entgegen, der Schwimm-Olympiasieger und -weltmeister hatte über 1500 Meter Freistil seinen deutschen Rekord von 2018 um fast eineinhalb Sekunden unterboten. Zugleich war der 25-Jährige auf der 50-Meter-Bahn im Berliner Europasportpark eine neue Weltjahresbestzeit geschwommen.

Die Swim Open in der Hauptstadt, in deren Rahmen Wellbrock seinen neuesten Gipfel erklomm, war der finale Höhepunkt einer nationalen WM-Qualifikation. Dabei hat sich die deutsche Schwimm-Elite seit 27. März bis vergangenen Sonntag in allen Winkeln der Welt bei diversen Wettbewerben für die Titelkämpfe im Juli in Fukuoka/Japan zu empfehlen versucht. In Magdeburg, Heidelberg und nun in Berlin, aber auch in Eindhoven und Stockholm sowie in Toronto, Westmont/USA und Southport/Australien.

Die Magdeburger Gruppe trainiert in der Höhe der Sierra Nevada, mehrmals im Jahr

Nach wie vor bildet die Magdeburger Trainingsgruppe um Wellbrock und Lukas Märtens eine Art deutschen Langstrecken-Leuchtturm. Märtens hat nun in Berlin sein Vorbild Wellbrock über 800 Meter Freistil besiegt und ebenfalls eine neue Weltjahresbestzeit aufgestellt. Mit dem verschworenen Haufen trainieren seit mehr als einem Jahr auch der ukrainische Rivale Mykhailo Romanchuk, außerdem Oliver Klemet, Märtens' Freundin Isabel Gose und Wellbrocks Frau Sarah, die wegen Schulterproblemen aber nicht zur WM reist. Vor ein paar Wochen hat sich die Gruppe wieder ins Höhentrainingslager nach Spanien in die Sierra Nevada begeben. Dort feilt Bundestrainer Bernd Berkhahn drei- bis viermal jährlich an Technik, Athletik und Ausdauer der Gruppe.

Aber auch auf den in den vergangenen Jahren vom Deutschen Schwimm-Verband (DSV) eher vernachlässigten kurzen Strecken zeichnet sich ein Aufschwung ab. Angelina Köhler verbesserte in ihrer Wahlheimat Berlin über 100 Meter Schmetterling die sieben Jahre alte Bestmarke von Alexandra Wank fast um eine halbe Sekunde. Ole Braunschweig blieb über 50 Meter Rücken eine Hundertstel unter seinem deutschen Rekord aus dem Vorjahr. Beide werden in der Hauptstadt von Bundesstützpunkttrainer Lasse Frank angeleitet, der dort im Begriff ist, einen zweiten deutschen Leuchtturm zu installieren.

Darüber hinaus lassen sich in den Sprintdisziplinen seit geraumer Zeit weitere Deutsche in Übersee ausbilden, wo sie von besseren Bedingungen schwärmen, die ihnen das deutsche Fördersystem nicht bieten könne. Anna Elendt (Brust), Eric Friese und Rafael Miroslaw (beide Freistil), die in den USA studieren und trainieren, gehören dazu. Oder Freistilschwimmer Josha Salchow, der gerade in Australien lebt und bei den dortigen Landesmeisterschaften die deutsche WM-Norm unterbot.

Wellbrocks Zeiten verdeutlichen: Er hat seine Corona-Infektion überstanden

Viele Namen schwirren jedenfalls gerade durch die Luft im deutschen Spitzenschwimmen, mit denen in den vergangenen Tagen auch die Nominierungskommission des DSV jonglierte. Inzwischen hat sie alle Kandidatinnen und Kandidaten für die WM in Japan gefunden. Seit Donnerstag steht fest, dass Wellbrock und die WM-Zweiten von Budapest, Märtens und Elendt, ein 19-köpfiges DSV-Aufgebot in Fukuoka anführen. Die Delegation ist damit fast doppelt so groß wie im vergangenen Sommer in Budapest, was auch daran liegt, dass der DSV in Japan in sechs der sieben olympischen Staffel-Disziplinen vertreten sein wird. Ziel ist es dort, möglichst viele Staffeln für die Spiele 2024 in Paris zu positionieren.

Aber es gab auch Härtefälle bei der WM-Qualifikation, wie den Pechvogel Sven Schwarz aus Hannover, der über 400, 800 und 1500 Meter Freistil jeweils die Norm unterbot, aber in jedem der Rennen Platz eins oder zwei verpasste. Schwarz hat daher kein Anrecht auf die WM-Teilnahme, weil pro Strecke nur die beiden Besten starten dürfen. Und das sind mal wieder Wellbrock, Märtens und Co: "Es war eine Demonstration ihrer Stärke", sagte DSV-Sportdirektor Christian Hansmann bezüglich der Leistung seiner Vorzeigeschwimmer. Wellbrocks Zeiten lassen nun auch keinen Zweifel mehr daran, dass er seine Corona-Infektion, die ihn bei der EM im vergangenen Sommer nach fünf WM-Medaillen in Budapest schließlich zum Turnierabbruch bewogen hatte, überstanden hat.

Nicht alles glänzt: Der DSV hat nicht genug Geld für alle Trainerstellen

Aber es ist noch längst nicht alles Gold, was glänzt. Weil weiterhin ein Chef-Bundestrainer fehlt, übernimmt Berkhahn auch weiterhin dessen sportfachliche Aufgaben - obwohl er selbst nur für die langen Strecken verantwortlich ist. Der DSV hat schlicht nicht das nötige Kleingeld, um die so wichtige Stelle zu besetzen. "Die Top-Trainer sind alle gebunden. Wir hatten Kandidaten aus Australien, Ungarn oder Holland, die aber teils ein doppelt so hohes Gehalt gefordert haben, wie wir es zahlen können", sagt Sportdirektor Hansmann.

Einige administrative Aufgaben wurden Berkhahn immerhin abgenommen, sagt Hansmann, "aber prinzipiell wollen wir in dieser Konstellation bis Paris 2024 gehen". Gezwungenermaßen, auch weil viele Trainer wohl gerade wenig Lust verspüren, bei einem Verband zu arbeiten, der nicht ganz wenig Nachholbedarf in den Themenfeldern Transparenz und Athletenschutz zu haben scheint. Die Missbrauchsskandale um Wasserspringer Jan Hempel sind jedenfalls längst noch nicht aufgeklärt, erst vor wenigen Monaten wurde dazu eine Aufarbeitungskommission installiert. "Wir wissen, dass wir am Renommee des Verbandes arbeiten müssen", sagt Hansmann: "Ich hoffe, dass wir nun Richtung Sommer den Fokus wieder auf den Sport legen können."

Erfolge von Wellbrock und Co: Jubelt über ihren neuen deutschen Rekord: Angelina Köhler.

Jubelt über ihren neuen deutschen Rekord: Angelina Köhler.

(Foto: Tino Henschel/Eibner/Imago)

Es steht ja noch einiges an vor der Weltmeisterschaft: Wie die DM, die Anfang Juli im Rahmen der Finals in Berlin stattfindet. Oder die Freiwasser-Qualifikation für Japan in Ägypten und in Italien, bei der auch Wellbrock zu Trainingszwecken starten möchte, obwohl er als Weltmeister ohnehin bei der WM gesetzt ist. Die ultralange 25-Kilometer-Strecke hat der Schwimm-Weltverband Fina übrigens in Fukuoka aus dem Programm genommen. Auch weil viele Athletinnen und Athleten bei der EM 2022 im rauen Mittelmeer vor der italienischen Küste die Orientierung verloren, völlig entkräftet waren und an Land gezogen werden mussten. Von allen Seiten hagelte es danach Kritik am ohnehin sehr aufwändigen Format.

Ein Glück also, dass der Höhepunkt der Taifun-Saison in Japan erst im August beginnt - und dass Wellbrock und die anderen in der schwülen Hitze von Fukuoka nach ihren Freiwasser-Wettbewerben von der Imazu-Bucht in die große Halle der Marine Messe umziehen dürfen. Dort müssen sie allenfalls die Klimaanlage fürchten.

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