Süddeutsche Zeitung

Schwimmen:Eine WM mit Sternchen

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Dopingdebatte, Anzugdiskussion, beispiellose Weltrekordflut: Nach den Schwimm-Titelkämpfen in Rom bleiben viele offene Fragen - auch über die Qualität des deutschen Teams.

Josef Kelnberger

Weil auch Minderheiten Rederecht genießen, sei am Ende dieser Weltrekordmeisterschaften einem Österreicher das Wort erteilt. Rückenschwimmer Markus Rogan findet also, das Schwimmen brauche Weltrekorde. Je mehr, desto besser, egal wie. Ohne diese Rekorde sei die "erfolgreichste langweilige Sportart der Welt" zum Tode verurteilt. Möglicherweise hat er damit sogar Recht. Doch sah das Schwimmen auch in diesem Anzug-Irrsinn dem Tod entgegen.

Kein anderer Sport hat in solcher Kürze die eigene Geschichte gelöscht. Es gibt keinen Weltrekord mehr, der vor 2008 aufgestellt wurde. Fast alle Athleten freuen sich, dass ihr Sport einen Schritt zurückgeht. Die Anzüge taugen nicht als Beispiel für natürlichen Fortschritt. Sie wirken, als würde man Skispringer mit Flügelchen versehen, oder Läufer mit Düsenantrieb.

Ab Januar keine Anzüge mehr

Der Weltverband hat nun fest beschlossen, dass vom 1.Januar an die Plastikhäute verboten sind. Diskutiert wird über die Definition "textiler Stoffe". Aber die Wirkung der Stoffe wird ohnehin begrenzt durch deren Ausmaße. Badehosen reichen von der Taille bis zum Knie, wie die Badeanzüge der Frauen, die Schulter und Arme frei lassen. Die Industrie wird weniger Geld in die Anzugforschung stecken, dieses Geld wäre gut angelegt, wenn man damit das Doping-Kontrollsystem auf den neuesten Stand bringen würde. Blutprofile müssten Standard werden in einem Ausdauersport wie Schwimmen. Das käme auch den Deutschen zugute. Wenn die Euphorie über die Erfolge von Britta Steffen und Paul Biedermann verebbt ist, werden Fragen nach der Glaubwürdigkeit wieder auftauchen.

DSV rehabilitiert sich

Die Deutschen haben in Rom eine gute Figur abgegeben. Hinter Steffen und Biedermann haben sich viele junge Athleten in Rom Meriten erworben. Nach dem Olympiafiasko ist der Schwimm-Verband rehabilitiert, zumindest ein bisschen. Die unterlegenen Anzüge spielten wohl doch eine größere Rolle als gedacht. Nach dem Abschied des Verbandsausrüsters waren die Deutschen nun die Profiteure des Fortschritts. Jeder Athlet konnte sein Material frei wählen. Wo die deutschen Schwimmer international wirklich stehen, wird sich erst 2011 erweisen, bei der nächsten WM in Dubai.

Die Frage ist nun: Wie entsorgt man diese vielen Weltrekorde? Es gibt die Idee, in den Bestenlisten Sternchen hinter die Zeiten zu setzen, die in den Jahren 2008 und 2009 geschwommen wurden. So ein Sternchen verdient auch die WM in Rom. Sie war schön verrückt.

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Quelle:
SZ vom 03.08.2009/jbe/sewi
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