Schwimmer Florian Vogel:Bei 14 Grad in die Isar gesprungen

127. Schwimm DM

Florian Vogel von der LG Stadtwerke München ist deutscher Meister - und hat eine Frau vor dem Ertrinken gerettet.

(Foto: Oliver Mehlis/dpa)
  • Florian Vogel hat im Vorfeld der Schwimm-WM Ende Juni eine Frau aus der Isar gezogen und vor dem Ertrinken gerettet.
  • Der deutsche Meister Vogel trat danach als "Held der Woche" im Frühstücksfernsehen auf, sein Handy klingelte pausenlos.
  • Die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft litt darunter.

Von Sebastian Winter

Die Isar ist ohnehin schon ein wilder Fluss, am 24. Juni führt sie nach tagelangem Regen auch noch Hochwasser. Kein schlechtes Motiv, um den Münchner Schwimmer Florian Vogel bei einem Fotoshooting in Szene zu setzen, ein paar Wochen vor den Weltmeisterschaften in Kasan. Vogel setzt sich also ans Ufer zu den Enten, Jeans, dunkler Wollpulli - und dann ist da plötzlich diese Frau im Hintergrund, die in den Fluten um ihr Leben kämpft.

Florian Vogel, der deutsche Meister über 400 und 800 Meter Freistil, tut, was wohl nicht viele getan hätten. Er reißt sich die Kleider vom Leib und springt der Frau hinterher, in die nur 14 Grad kalten Fluten. Er erreicht sie, packt sie mit einem Arm, schwimmt mit dem anderen mühsam zurück ans Ufer. Ein Arzt, der zufällig in der Nähe ist, leistet Erste Hilfe; die Frau, eine Pakistanerin, ist nicht ansprechbar und kommt unterkühlt ins Krankenhaus.

Und Florian Vogel ist plötzlich ein kleiner Held. Es war ja schon ein Fotograf da, das Drama ist also professionell dokumentiert. Die Lebensretter-Geschichte verbreitet sich schnell. Und Vogel steuert noch einen griffigen Spruch bei: "Das war das härteste Rennen meines Lebens."

Vogel ist jetzt ein Held des Alltags

Er fliegt dann nach Berlin, tritt als "Held der Woche" im Frühstücksfernsehen auf, erzählt seine Geschichte und muss später noch einen Donut-Burger hinunterwürgen. Sein Handy klingelt pausenlos, dem Schwimmer, der auf den langen Strecken als eines der größten deutschen Talente gilt, wird so viel Aufmerksamkeit zuteil wie nie.

Einerseits ist das schön für Florian Vogel, der in München Bauingenieurwesen studiert und von Werbeverträgen, wie sie zum Beispiel sein Vorbild Paul Biedermann hat, nur träumen kann. Andererseits hat ihn diese Geschichte selbst ein bisschen aus der Bahn geworfen, sie hat Spuren hinterlassen. Florian Vogel hat ein Menschenleben gerettet. Aber er hat sich ja auch selbst in Lebensgefahr gebracht - das kalte Wasser, die Strömung, und etwas unterhalb des Schauplatzes schäumt das Wasser schon über ein Wehr.

Sein Heimtrainer Olaf Bünde sagt: "Er war durch den Wind und abgelenkt. Bei der Vorbereitung war das nicht von Vorteil." Vogel, der 20 Jahre alte Bayreuther, der seit 2012 am Stützpunkt in München trainiert, war auf dem Weg, sein eigentliches Ziel aus den Augen zu verlieren. "Man vergisst ein bisschen, dass man die WM vor der Tür hat, dass andere Schwimmer vielleicht nicht diese Ablenkungen haben", sagt Vogel ein paar Wochen nach dem Vorfall: "Mein Trainingsplan ist etwas durcheinander geraten. Mein Coach, mein Vater und ich haben dann gesagt, dass das alles ein bisschen viel ist." Vogel schaltete sein Handy aus, zog sich in seinen Bungalow im Olympiadorf zurück und konzentrierte sich wieder auf Training und Uni.

Vorbild Biedermann

Florian Vogel ist kein Zauderer, eher ist er mit einem prallen Selbstbewusstsein gesegnet. Er ist einer mit Charisma, der sich gut verkaufen kann - und den der deutsche Schwimmsport auch gut gebrauchen kann. Viele bekannte Gesichter sind ja nicht mehr dabei, wenn am Sonntag in Kasan die Beckenwettbewerbe beginnen. Britta Steffen, 31, Doppel-Olympiasiegerin von 2008, ist zurückgetreten. Ihr Freund Paul Biedermann, Doppel-Weltmeister von 2009, wird nächstes Jahr 30 und will nach den Rio-Spielen ebenfalls aufhören.

Biedermann ist nicht nur Vogels Vorbild, sondern hin und wieder auch sein Trainingspartner im Staffel-Projekt des Deutschen Schwimmverbands, die beiden schätzen sich. Als Vogel bei den deutschen Meisterschaften im April - in Abwesenheit Biedermanns - in Weltklassezeit die 400 Meter gewann, sagte er danach: "Ich hoffe, dass Paul sich das angesehen hat." Dann sprach er noch die Werbebotschaft seines Nahrungsergänzungsmittel-Herstellers in die Kameras. Das war schon frech.

"Man ist schon versucht, wenn man ein bisschen Aufmerksamkeit bekommt, das auch zu nutzen", gibt Vogel zu. Er spricht jetzt wieder über die Rettungsaktion. "Aber ich freue mich viel, viel mehr, dass ich dem Mädchen helfen konnte. Und nicht so sehr, dass ich im Fokus stehe." Es ist ihm wichtig, das zu betonen. Er möchte nicht als einer dastehen, der sich ein Unglück zunutze macht. Was hätte er auch tun sollen an diesem Schicksalstag im Juni? Zuschauen, wie die junge Frau an ihm vorbeitreibt?

Vogel zum 400-Meter-Finale von Kasan: "Wäre ein Traum"

"Die Konstellation 'Leistungsschwimmer rettet Frau vor dem Ertrinken' war einfach sehr medienträchtig", sagt der Trainer Bünde: "Sie ist passiert und gehört jetzt zu ihm. Und Florian hat gehandelt, das darf man nicht schmälern." Bünde hat Vogel auch zeitig wieder eingefangen, die Trainingsleistungen waren bald wieder gut. Dennoch fürchtet sich der Trainer jetzt wieder ein bisschen: davor, "dass bei nicht so guten Ergebnissen in Kasan die Frage kommt, ob diese Rettungs-Geschichte eine Rolle gespielt hat".

Der Held, der fällt.

Am Montagabend ist Florian Vogel mit dem Nationalteam aus dem Trainingslager in der Türkei nach Kasan geflogen. Er ist gut in Form, er ist optimistisch, er wird seine Paradestrecken schwimmen, die 400 und die 800 Meter Freistil, und eventuell auch die 4x200-Meter-Freistil-Staffel. "Das Finale über die 400 Meter wäre ein Traum", sagt er. Aber es ist auch seine erste Langbahn-WM, "vielleicht habe ich noch nicht das nötige Fingerspitzengefühl."

Nach derzeitigem Erkenntnisstand, sagt ein Sprecher der Münchner Polizei, sei die junge Frau aus Pakistan auf einem Brückengeländer über die Isar gesessen und muss dann den Halt verloren haben. Entgegen ersten Meldungen sei sie nicht in suizidaler Absicht ins Wasser gesprungen. Sie hat Glück gehabt, dass gerade der WM-Schwimmer Florian Vogel am Ufer stand, ein junger Mann mit sehr viel Fingerspitzengefühl.

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