Schwimmen:13 Kilo weniger im Becken

Rio 2016 - Schwimmen

Marco Koch: Bei den Deutschen Kurzbahnmeisterschaften leichter im Becken

(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Zu langsam, weil er zu dick ist? Schwimmer Marco Koch erlebte eine unangenehme Debatte bei Olympia, nun nahm er radikal ab. Eine Antwort auf die Kritiker soll das aber nicht sein.

Von Saskia Aleythe

Als wäre nicht alles schon trübe genug gewesen in diesen Augusttagen in Rio de Janeiro, für Marco Koch wurde es noch besonders unangenehm. Siebter war er geworden im Finale über 200 Meter Brust, ein Jahr zuvor hatte er noch die Weltmeisterschaft gewonnen, wollte nun am liebsten mit Weltrekord die Goldmedaille holen. Mit einer Zeit, die ihn ratlos machte, stieg er wieder aus dem Becken - und musste dann erleben, wie fremde Menschen plötzlich über sein Gewicht debattierten.

Kein Waschbrettbauch? Aha! Speckröllchen an den Hüften? Oho! Marco Koch reagierte mit Fakten: Mit 88 Kilogramm bei 1,85 Meter sei er Weltmeister geworden, mit 86 Kilogramm in Rio an den Start gegangen. Ende der Debatte? Nicht so wirklich. Seit Olympia vor drei Monaten hat Marco Koch zwischenzeitlich einiges an Gewicht verloren: 13 Kilogramm in sechs Wochen, mit nur 1500 Kilokalorien Nahrung am Tag. Vermutlich nicht viel mehr als ein Marco Koch allein im Schlaf verbraucht. Prinzip Koch ist mal wieder: Prinzip radikal.

Koch war schon immer ein Tüftler

Gerade laufen die Deutschen Kurzbahnmeisterschaften in Berlin, Marco Koch tritt wieder auf den Startblock, schmaler als in Rio. Beim Kurzbahn-Weltcup in Moskau Anfang September stand er mit 92 Kilogramm am Beckenrand, sechs mehr als bei Olympia, bedingt durch Krankheiten und auch ein bisschen Frust. Nach seinem Finale in Rio war klar, dass Deutschlands Schwimmer erneut ohne Olympiamedaille die Heimreise antreten würden. Paul Biedermann, Franziska Hentke und Koch waren als potentielle Treppchenanwärter gehandelt worden, doch die Pläne gingen nicht auf. "Ich stand in Rio auf dem Startblock und habe mich gut gefühlt", sagt Koch, "mehr war an dem Tag nicht drin".

Es sieht so aus, als hätte er mit der Abnahme auf die Kritiker reagiert, doch das will er so absolut nicht verstanden wissen. "Wenn es darum gegangen wäre, wäre mein Entscheidungsprozess gewesen, zehn Kilo zuzunehmen - und dann schnell zu schwimmen", sagt er. Tatsächlich habe er schon vor Olympia überlegt, eine Diätphase einzulegen, "doch das Risiko, dass es nach hinten losgeht, war sehr groß". Marco Koch ist ein Tüftler, der in seiner Karriere schon viel probiert hat, um die Leistung im Wasser immer weiter zu optimieren. Ernährung hat dabei stets eine Rolle gespielt, die Wortgruppe "vegan mit Fleisch" ist wohl noch sehr lange mit seinem Namen verbunden.

Er sei mit einer Pinguinform gesegnet, hat Trainer Alexander Kreisel mal über Marco Koch gesagt. Der 26-Jährige war noch nie ein Athlet mit einem Körperfettanteil nahe einer Hantelstange und dennoch ein erfolgreicher Schwimmer: Die Gleitphase von Koch erreicht niemand sonst in der Welt. Wer warum wie schnell ist im Becken, lässt sich nicht einfach erklären.

Ex-Schwimmer Mark Warnecke half Koch bei der Diät

Es kommt auf Technik an, Wasserlage, Kraft, es sind etliche Komponenten, die den einen zum Medaillensieger machen, den anderen an der Final-Qualifikation scheitern lassen. Eine halbe Sekunde blieb Marco Koch in Rio unter seiner Bestzeit, im Schwimmen ist das eine kleine Welt. "Es gab definitiv Strömung in dem Becken. Die ist für meine Zeit verantwortlich", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Mit Bahn eins hatte er eine Außenbahn erwischt. Zudem stellte sich im Nachhinein heraus, dass Koch in der Vorbereitung am Epstein-Barr-Virus erkrankt war.

Nun also weiterdenken, Tokio 2020, mit neuem Gewicht: Für sein Diätprojekt suchte er sich jemanden, der einst in einer noch ganz anderen Gewichtsklasse schwamm: Mark Warnecke, Olympiadritter von Atlanta, hatte lange eher die Statur eines Rugby-Spielers als die eines Schwimmers. 2005 wurde er mit 35 Jahren noch einmal Weltmeister: Nachdem er von 114 Kilogramm auf 94 abgespeckt hatte. Mit einem selbst zusammengestellten Nahrungsergänzungsmittel baute sich Warnecke ein eigenes Unternehmen auf.

Deutscher Rekord über 100 Meter

Eiweißshakes morgens und abends, dazu Aminosäuren, auf die Warnecke schwört, kombiniert mit leichten Mahlzeiten - Koch wählte den harten Weg, der eigentlich für Nicht-Athleten konzipiert ist und kam bei 79 Kilogramm an. "Das ist nicht das, was ich selber probiert hätte", gibt Warnecke zu, der Medizin studiert hat. Auch er hält die Kritik an Kochs Gewicht für überzogen. "Er ist halt so ein Schlumpf, der die Anderen mit ihrem Six Pack blank macht. Er ist weich und gut."

Vom Kalorienzählen hält Warnecke nicht viel. Aber 1500 Kalorien am Tag sind dann doch sehr, sehr wenig für einen Profischwimmer. An Trainingstagen dürfte Koch locker einen Bedarf von 5000 Kalorien knacken. Mancher Ernährungswissenschaftler wird über solche Methoden den Kopf schütteln. "Kritik ist unberechtigt", sagt Warnecke, "der Jojo-Effekt ist kein Problem, wenn man weiß, was man macht und ihn kontrolliert." In solch kurzer Zeit könne man auch keinen Stoffwechsel zerstören.

"Die ersten Tage habe ich gedacht: 'Ganz schön übel'", sagt Koch, "die nächsten vier Wochen waren dann aber sehr einfach." Während dieser Zeit tourte er schon wieder von Weltcup zu Weltcup, von acht Rennen gewann er acht Mal. Am Donnerstag knackte er in Berlin über 100 Meter seinen eigenen deutschen Rekord in 56,75 Sekunden. "Das zeigt, dass es trotz Diät schon ganz gut läuft", sagte Koch. Das kann man wohl sagen.

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