Florian Wellbrock bei der Schwimm-WM:Mann der Glücksmomente

Schwimm-WM 2019

Florian Wellbrock aus Deutschland jubelt nach dem Rennen über seinen Sieg.

(Foto: dpa)
  • Bei den Schwimm-Weltmeisterschaften in Südkorea haben die Freiwasserschwimmer Florian Wellbrock und Rob Muffels die ersten beiden Medaillen für den Deutschen Schwimm-Verband gewonnen.
  • Wellbrock gewann über die Zehn-Kilometer-Distanz Gold, Muffels wurde Dritter.
  • Beide sind nun auch für die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Tokio qualifiziert.

Von Saskia Aleythe

Er hatte Zeit zum Nachdenken. Das ist vielleicht die Crux an so einem Rennen über zehn Kilometer: Fast zwei Stunden lang den Kopf abzuschalten, das funktioniert nicht. Und so schwamm Florian Wellbrock Runde um Runde im Hafenbecken der südkoreanischen Stadt Yeosu, auf der letzten kam ihm dann auf einmal ein Gedanke. "Irgendwann muss so eine Serie mal reißen", dachte er sich, sechs Rennen in Folge hatte er in diesem Jahr im Freiwasser gewonnen. Doch als er am Ende aus dem Wasser stieg und die Arme nach oben zum Jubeln bewegte, war ja auch klar: Die Serie hielt.

Dabei musste Wellbrock bis zum Ende darum kämpfen, mit der Winzigkeit von 0,2 Sekunden Vorsprung schlug er vor dem Franzosen Marc-Antoine Olivier an. Mit 21 Jahren ist Wellbrock nun zum ersten Mal Weltmeister, nachdem er 1:47:55,9 Stunden durchs koreanische Gewässer gekrault war. Den Moment auf dem Podium konnte er mit seinem Freund und Trainingspartner aus Magdeburg genießen: Rob Muffels eroberte ebenfalls eine Medaille, der 24-Jährige kam 1,5 Sekunden hinter Wellbrock ins Ziel und gewann Bronze.

"Ich habe die letzten Nächte vor dem Einschlafen immer daran gedacht, du willst Weltmeister werden", sagte Wellbrock, "dass ich das jetzt geschafft habe, muss erst mal im Kopf noch ankommen." Für den deutschen Schwimmverband (DSV) ist es der erste WM-Titel seit der Goldmedaille von Brustschwimmer Marco Koch 2015.

Florian Wellbrock ist zum Mann der Glücksmomente im DSV geworden: Bei der EM im vergangenen Jahr hatte er ja schon einmal die Hymne gehört. Über 1500 Meter kraulte Wellbrock damals zu Gold, kehrte außerdem mit Bronze über 800 Meter und Silber mit der 4x1,25-Kilometer-Mixed-Staffel nach Hause. Und sein EM-Titel war wertvoller als manch andere im Schwimmen: Wellbrock hatte die viertschnellste jemals geschwommene Zeit ins Becken gezaubert.

Und auch an diesem Dienstag in Südkorea fiel einem der Satz von seinem Trainer Bernd Berkhahn von damals wieder ein: "Jetzt geht es erst richtig los." Das lässt sich auch gut auf das WM-Programm übertragen: Bei den Beckenwettbewerben geht es für Wellbrock ab kommenden Dienstag noch mit Starts über 800 und 1500 Meter weiter. "So ein Zehn-Kilometer-Rennen haut ganz schön rein", sagte er, "jetzt muss ich erstmal regenerieren".

"Einmal drüber über meine Hüfte"

Beim Rennen über zehn Kilometer hatte er sich gleich nach dem Start an die Spitze gesetzt und entging so den oftmals ruppigen Duellen im Feld mit insgesamt 75 Startern. Mit Gregorio Paltrinieri, Italiens Olympiasieger über 1500 Meter, schwamm Wellbrock lange Zeit Kopf an Kopf, hatte aber am Ende vor allem mit dem Franzosen Olivier zu kämpfen. "Der Franzose ist einmal drüber über meine Hüfte, das hat ganz schön Kraft gekostet, aber er hat sich dann ein bisschen von mir gelöst", sagte Wellbrock im ZDF, "das war sein Fehler, dann konnte ich schwimmen und dann war ich einfach schneller."

Olivier ist mehrfacher Medaillengewinner im Freiwasser und schnappte sich in Rio 2016 Olympia-Bronze - dass der Deutsche ihn im Endspurt bezwingen konnte, zeigt umso mehr seine Stärke. Was Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz auch schon vor ein paar Tagen angedeutet hatte: "Ihn zeichnet neben der körperlichen Stärke, der tollen Technik und seiner Geschwindigkeit auch seine Coolness und das sehr gesunde Selbstvertrauen aus", sagte Lurz über Wellbrock, "dass er sagt, "mir kann keiner was antun, weil ich gut trainiert habe. Ich gehe da rein und sage, mich schlägt hier keiner".

Dass Wellbrock, der mit 17 Jahren aus Bremen ans Internat in Magdeburg gewechselt ist, ein Faible fürs Freiwasser und die Beckenwettbewerbe hat, war im DSV nicht immer gerne gesehen. Jedenfalls nicht unter dem ehemaligen Bundestrainer Henning Lambertz, der bis Ende 2018 das letzte Wort bei den WM-Startplätzen hatte. Bei der WM 2017 hatte sich Wellbrock für das Rennen über fünf Kilometer qualifiziert, durfte auf Geheiß von Lambertz aber nicht antreten, um sich ganz auf die Poolstrecken zu konzentrieren. "Ich war ein bisschen enttäuscht, aber ich musste mich damit abfinden", sagte der damals 19-Jährige Wellbrock. Schon als 17-Jähriger war er bei der WM 2015 auf Rang fünf gelandet.

Von seinem Weg abgekommen ist Wellbrock trotzdem nicht, mit Rob Muffels teilt er sich in Südkorea ein Zimmer, in Magdeburg trainieren die beiden gemeinsam. "Wir haben auf die Ergebnisliste geguckt und gesagt: Weltmeister und Dritter, verdammt, das ist ganz schön krass", sagte Muffels, der mit WM-Bronze seinen größten Erfolg über die olympische 10-Kilometer-Distanz feierte. Mit ihren Platzierungen haben die beiden auch den Olympia-Startplatz für Tokio im kommenden Jahr sicher. Finia Wunram und Leonie Beck hatten bereits am Vortag mit Rang acht und neun die Qualifikation geschafft. Vier Startplätze konnte im Freiwasser noch nie eine Nation ergattern, was Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz dann auch zu der ganz richtigen Einschätzung brachte: "Es ist ein historischer Tag."

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