Schwimm-WM in Rom:Biedermann demütigt Phelps

Der zweite Titel: Paul Biedermann entscheidet bei der Weltmeisterschaft in Rom den "Kampf der Giganten" über 200 Meter Freistil eindeutig für sich - und siegt wieder in Weltrekordzeit.

Josef Kelnberger, Rom

"Ja", hatte Bob Bowman erklärt, "Michael kann verlieren. Wenn er nicht in allerbester Form schwimmt, dann wird er verlieren." Es war am Montagabend, und der Trainer von Michael Phelps stand unter dem Eindruck des Europarekords von Paul Biedermann im Halbfinale über die 200 Meter Freistil. Mit seiner Zeit von 1:43,65 Minuten war der Deutsche erstmals unter der Marke von 1:44 geblieben, und in dem Bereich wird es zurzeit gefährlich für Michael Phelps, er hat nicht die Form aus dem Olympiajahr.

Schwimm-WM in Rom: Sieger und Besiegter: Paul Biedermann (oben) und Michael Phelps.

Sieger und Besiegter: Paul Biedermann (oben) und Michael Phelps.

(Foto: Foto: dpa)

"Eine 1:43?", fragte Phelps, als könne er es nicht glauben. Seine Gesichtszüge schienen einzufrieren. Im Halbfinale hatte er mit seinen 1:45,23 auch dem Russen Danila Isotow (1:45,09) den Vortritt lassen müssen. Er wirkte verwundbar, aber man weiß: Wenn er verwundbar erscheint, wird er oft besonders gefährlich. Michael Phelps hat es zu einer Marotte gemacht, im Internet nach negativen Texten über sich zu fahnden, vor allem abfällige Äußerungen von Konkurrenten sucht er. Die saugt er auf und verarbeitet sie zu Energie.

Paul Biedermann hatte ihn vor dem Finale zwar nicht beleidigt, aber er hatte doch eine Kampfansage in die Welt gesetzt. "Das wird ein heißer Tanz", sagte er. Und er fügte hinzu, er habe auf den letzten 50 Metern Tempo herausgenommen. Würde er nun also die zweite Schwimm-Legende angreifen? Würde er nach dem Weltrekord von Ian Thorpe im Rennen über die 400 Meter nun auch die Marke von Phelps über die 200 Meter angreifen, die 1:42,96, mit denen der Amerikaner in Peking eine seiner acht Goldmedaillen gewonnen hatte? Damals war der Deutsche in 1:46,00 auf den fünften Rang geschwommen. "Ich weiß nicht, ob ich jetzt Favorit bin", sagte Paul Biedermann. Eigentlich ist Michael Phelps immer der Favorit, in jedem Rennen.

Ein Kampf der Giganten war angekündigt - und dass er so eindeutig enden würde, hatte niemand erwartet. Paul Biedermann nahm von der ersten Wende an die Führung und gab sie nicht mehr ab. Auf den letzten 50 Metern war es eine Demütigung für den erfolgreichsten Athleten der olympischen Geschichte. Paul Biedermann schlug nach 1:42,00 Minuten an, Weltrekord, um 96 Hundertstel besser als Phelps in Peking.

Der Amerikaner landete auf dem zweiten Platz mit einer Zeit von 1:43,22, gefolgt vom Russen Izotov (1:43,40). Michael Phelps schwamm aus dem Becken, ohne dem Deutschen zu gratulieren, und hat nun eine seiner schwersten Niederlagen zu verarbeiten. Paul Biedermann reckte die Fäuste. "Das ist ein unglaubliches Gefühl", erklärte er in seinem ersten Interview. "Ein Traum ist wahr geworden". Mit zwei Titeln zählt er bereits zu den herausragenden Athleten dieser WM.

Mit erhobenen Augenbrauen hatten Michael Phelps und sein Coach die frappierenden Leistungssprünge des deutschen Konkurrenten zur Kenntnis genommen. Das schaffe nicht jeder, sich in einem Monat um sechs Sekunden zu verbessern, sagte Phelps nach dem Sieg des Deutschen über die 400 Meter. Ein Dopingvorwurf war das wohl eher nicht, es ging ihm vor allem um das Material. Phelps schwimmt weiterhin in dem Anzug seines Ausrüsters, mit dem er in Peking achtmal Gold gewann.

Damals galt sein Modell als der letzte Schrei, jetzt kostete es ihn Zeit, denn die mit Polyurethan beschichteten Schwimmhäute sind eindeutig schneller. Auch das war ein Grund, warum Bob Bowman um seinen Athleten fürchtete. "Stecken wir Michael in eine Badehose und Paul in eine Badehose, was wird passieren?", fragte er, ohne die Antwort selbst zu geben: natürlich Phelps.

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