Letzter Sprung im Vorkampf also. Iris Schmidbauer zupfte sich den Badeanzug noch mal zurecht, winkte ins Publikum, zeigte ihren Betreuern den erhobenen Daumen. Dann schritt sie nach vorne zur Plattformkante. Das Stahlgerüst, das während der Schwimm-Weltmeisterschaften in Singapur auf der Vergnügungsinsel Sentosa aufgebaut ist und auf dem sie nun stand, ist weit mehr als 30 Meter hoch. Die 30-Jährige, einzige deutsche Starterin in der Disziplin High Diving, wo die Frauen aus 20 Metern in einen kleinen, runden Pool springen (Männer gar aus 27), hatte von dort oben einen hervorragenden Blick: auf die Universal Studios, die Hotelkomplexe, die an Disney World erinnern und die künstlichen Strände dieses hochpreisigen Freizeitareals, zu dem man immerhin mit dem kostenlosen Sentosa-Expresszug einschwebt. Im Hintergrund: zwei Seilbahnlinien, Frachtschiffe, Raffinerien.
Schmidbauer, die Oberbayerin aus Puchheim, sprang dann rückwärts ab, zeigte einen dreifachen Rückwärtssalto samt Schraube. Als sie ins Wasser klatschte, schauten sofort vier Taucher nach ihr, so sind die Sicherheitsbestimmungen im High Diving. Sie kam heraus, gab das Okay, dass es ihr gut geht, lächelte. 64,6 Punkte, der beste Wert ihrer vier Versuche. Dann wurde ihr gesagt, dass sie 14. ist, dass es also gerade so fürs Finale gereicht hat.
Erst wähnt sie sich im Finale, dann kommt der Schock
In der Interview-Zone im Schatten unter dem Stahlgerüst zog sie ihr Fazit: „Ich bin froh, dass es fürs Finale gerade so gereicht hat, ich hoffe, dass es morgen richtig gut klappt. Platz 14, ich habe es genau ausgenützt“ – sie lachte. Doch da musste ein Betreuer die Information korrigieren. Schmidbauer war doch nur 15. und damit ausgeschieden. Eine Konkurrentin aus der Schweiz war fast unbemerkt an ihr vorbeigezogen. Schmidbauers Reaktion: „Nee? Oaaaah, okay. Das ist was anderes. Ja, schade. Mehr kann ich da jetzt nicht sagen.“

Erst qualifiziert, dann doch nicht, es ist ein wahrlich bitteres Ende für Schmidbauer in Singapur. Ihr erster Sprung am Donnerstag war ihr geglückt, den zweiten hatte sie verpatzt, der Dritte war solide. Wäre sie so konstant gesprungen wie am Anfang und am Ende – es hätte gereicht. So muss sich die alleinerziehende Mutter einer knapp einjährigen Tochter am Sonntag ohne Finalteilnahme auf den Rückweg nach Europa machen, wo Ende August schon der Weltcup auf Sardinien ansteht. Die Kleine hatte sie dabei in Singapur, aber das war auch nicht so einfach, denn das Mädchen kränkelte – und hielt die Mama auch nachts auf Trab. Seit Donnerstag geht es ihr immerhin wieder besser.
Wie es weitergehen wird im kommenden Jahr für die Europameisterin von 2022? Unklar. Kind und Karriere in Einklang zu bringen, ist für die Springerin, die am Wassersprung-Stützpunkt in Dresden trainiert, nicht einfach. Fördergelder sind auch rar, weil High Diving keine olympische Disziplin ist. Und die Angst, doch einen Fehler zu machen bei all den Schrauben und Salti, schwingt immer mit – auch wenn das Springen aus großer Höhe Schmidbauers Leben ist. Ob sie weiterhin ihre Erfüllung darin sieht? Iris Schmidbauer wird es mit ihrer kleinen Tochter entscheiden.

