Diese Deutschen seien ein Albtraum, sagte ein maßgeblicher Herr vom Schwimmer-Weltverband. Es war Freitagabend, und man wartete auf Britta Steffen. In der Tat schaffen es selbst nicht ganz unbedeutende Athleten wie der Amerikaner Michael Phelps, sich gleich nach dem Rennen ausführlich den heimischen Journalisten zu stellen und auch pünktlich zur internationalen Pressekonferenz zu erscheinen. Deutsche Sieger schaffen das nicht. Denn deutsche Sieger müssen zuerst dem deutschen Fernsehen zur Verfügung stehen.

Sie werden dann in eine Seifenoper eingebaut, dazu gehören Kommentare von der Oma und Glückwünsche der besten Freundin von zu Hause, und, ja, wie schlimm man dieses Doping findet. Für diese Seifenoper zahlt das Fernsehen Geld, und dieses Geld rettet letztlich dem deutschem Schwimmen das Leben. Also kann man sagen, dass Britta Steffen das deutsche Schwimmen in den vergangenen Jahren fast allein am Leben erhalten hat.
Als die neue Weltmeisterin über 100 Meter Freistil am Freitag endlich zur Befragung erschien, gefühlt war es bereits nach Mitternacht, war sie immer noch bester Dinge. Sie formuliert immer druckreif und in einem Höllentempo. Bloß erzählte sie jetzt alles noch einen Tick schneller als sonst, und ihre Stimme klang eine Spur höher. Wie ein Band, das man schneller abspult, um Zeit zu sparen. Man brauchte nun bloß noch das Wort "Ziele" in die Welt zu setzen, und schon legte sie los: neue Anzüge, neue Herausforderung. Spaß am Schwimmen. Suche nach dem perfekten Rennen. Bis Olympia 2012. Mindestens. Kein Rücktritt. Wer kein Aufnahmegerät hatte, war auf verlorenem Posten. Unmöglich, das alles mitzuschreiben, und Britta Steffen machte sich einen Spaß daraus, den Fragesteller mit einem koketten Blick aus ihren blauen Augen zu fixieren. Eure Fragen kenne ich, sagte der Blick, und ich weiß, was ihr hören wollt.
Lieber im Badeanzug
Britta Steffen, 25, ist am Freitag zu einer der großen Figuren des deutschen Sports aufgestiegen. Olympiasiegerin, Weltmeisterin, Europameisterin, mehrfache Weltrekordlerin. Mehr Titel kann man nicht sammeln. Am Sonntagabend gewann sie in Rom auch noch das Finale über 50 Meter Freistil, in Weltrekordzeit von 23,73 Sekunden vor Therese Alshammar aus Schweden (23,88). Aber das war bloß noch eine Zugabe. Britta Steffen hat mehr gewonnen als die zur deutschen Ikone hochgejazzte Franziska van Almsick. Sie hat den Stab von ihr übernommen, mit deren Hilfe.
Van Almsick holte die junge Kollegin aus Schwedt an der Oder nach Berlin zu Trainer Norbert Warnatzsch, und sie vermittelte ihr die Psychologin, mit der sie selbst zusammengearbeitet hatte. Die Fortschritte, die Britta Steffen machte, beginnend mit den Weltrekorden bei der EM 2006 in Ungarn, erweckten zunächst Argwohn, zumal wegen der DDR-Geschichte ihres Trainers. Inzwischen werden sie nicht mehr angezweifelt. Konstant schwimmt sie auf höchstem Niveau, gipfelnd im Weltrekord von 52,07 Sekunden, mit dem sie am Freitag ihren ersten WM-Titel gewann.
Rückkehr zur Badehose
Britta Steffen ist, obwohl sie von ihrem hypermodernen Anzug profitierte, eine glühende Verfechterin der Rückkehr zu Badehose und, in ihrem Fall, zum Badeanzug. Eine Zeit von knapp über 54 Sekunden schwimme sie im Badeanzug, sagte sie. Jedenfalls wird nächstes Jahr ihre australische Freundin Libby Trickett wieder eine Chance gegen sie haben. Ihre Freundschaft zur Rivalin hat Britta Steffens Ruf in der Schwimmszene gemehrt. Sie wird als internationale Athletin wahrgenommen. Im September bricht sie zu einem mehrwöchigen Aufenthalt nach Australien auf, um ihr Englisch zu verbessern. Danach wird sie bestimmt auch ohne Dolmetscher der Weltpresse Rede und Antwort stehen können. Steffen stärkt aber nicht nur ihre Bindungen nach Übersee. Der entscheidende Durchbruch gelang ihr bei dieser WM im eigenen Team.
Britta Steffen gebe viel mehr von sich preis als früher, sagte Daniela Samulski, nachdem die beiden mit Sarah Poewe und Annika Mehlhorn am Samstag Bronze in der Lagenstaffel gewonnen hat. Diese Offenheit komme der ganzen Mannschaft zugute. Britta Steffen hat sich freigeschwommen in Rom. Sie kam ohne die Hilfe ihrer Psychologin aus, obwohl sie kurz vor dem Rennen fast rückfällig geworden wäre. Und als einen der schönsten Augenblicke nannte sie den Sieg von Paul Biedermann über Michael Phelps. "Ich glaube an dich", hatte sie dem Teamkollegen mit auf den Weg gegeben, hinterher feierte sie im schwarz-rot-goldenen Athletenblock. Britta Steffen wusste in dem Moment: Sie muss jetzt nicht mehr allein die Hauptrolle spielen, wenn das deutsche Fernsehen das deutsche Schwimmen inszeniert.