Schwimm-WM: Britta Steffen:Deutsche Dilettanten in Shanghai

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Die vorzeitige Abreise von Britta Steffen und die Kritik von Franziska van Almsick haben deftige Schlagzeilen heraufbeschworen. Die unglücklichste Figur gibt jedoch der Deutsche Schwimm-Verband ab: Hier herrscht ein gewaltiges Führungsproblem.

Claudio Catuogno

Paul Biedermann wurde eine klare Frage gestellt, und er gab darauf eine klare Antwort. Hat er seiner Freundin Britta Steffen geraten, aus Shanghai abzureisen? "Ja, hab' ich", sagte Biedermann. "Damit sie hier diesem Dauerfeuer entgeht." Sein Blick war fest, seine Worte klar, sein Ziel definiert.

Vorzeitige Abreise ohne Staffelstart: Britta Steffen. (Foto: dpa)

"Vor allem kann ich einige Aussagen von gewissen Leuten nicht verstehen, die in ihrer Laufbahn genauso durch Tiefs gegangen sind" - das war gegen Franziska van Almsick und ihre Arschbacken-Zusammenkneifen-Kritik gerichtet, mit der die einstige Schwimmerin deftige Schlagzeilen heraufbeschworen hatte im Fall Steffen.

Wäre Paul Biedermann, 24, nicht nachweislich daran interessiert, seine Sportler-Karriere fortzusetzen, man könnte sein souveränes Auftreten in Shanghai als Bewerbung für Führungsaufgaben im Deutschen Schwimm-Verband interpretieren. Im Vergleich jedenfalls gibt das eigentliche DSV-Führungspersonal gerade eine abenteuerliche Figur ab.

Seit ihrem ersten verpatzten Auftritt war absehbar, dass es bezüglich Britta Steffen noch einiger Absprachen bedürfen könnte im weiteren WM-Verlauf. Vor allem: Wie hält man es mit dem Staffelstart, der schnell als Ehrensache gilt?

Steffen sagt ab, van Almsick nörgelt, und dann verrät der Bundestrainer Dirk Lange, dass Steffen eh nicht schwimmen sollte - das war sicher die ungeschickteste aller Varianten. Und ob eine Nationalmannschafts-Schwimmerin dann vorzeitig eine WM verlassen darf, das kann man so oder so sehen. Man darf es allerdings nicht so dilettantisch managen wie das DSV-Führungsteam.

Die DSV-Spitze hat längst nicht nur ein Kommunikationsproblem. Sondern ein Führungsproblem. Sportdirektor Lutz Buschkow, der selbst aus dem Wasserspringen kommt, hat dem gesamten Leistungssportbereich Struktur und Hierarchien verpasst, für die Schwimmer ist er aber "der Wasserspringer" geblieben.

Vor allem Lange lässt keine Gelegenheit aus, sich als der eigentliche Fachmann zu profilieren. Buschkow wiederum macht intern kein Geheimnis daraus, dass er Lange für einen passablen Trainer am Beckenrand hält. Aber nicht für mehr.

Im Grunde ist längst allen klar, dass sie auf dieser Basis nicht weiter zusammenarbeiten können. Genauso wenig kann man aber die Strukturen auseinanderreißen, ein Jahr vor Olympia. Nach 2012, auch das ist absehbar, wird Lutz Buschkow einen Kandidaten für die vakante Stelle des Schwimm-Cheftrainers suchen. Und das wird nicht Dirk Lange sein - sondern Dirk Langes neuer Chef werden. Vielleicht erledigt sich das Problem dann ja von alleine.

© SZ vom 30.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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