Süddeutsche Zeitung

Schwimm-Weltverband:Mitverschwörer beim Gala-Dinner

  • Bei der Schwimm-WM in Budapest wird auf dem Kongress des Weltschwimmverbandes Fina ein neuer Vizepräsident gewählt, der unter Korruptionsverdacht in mehreren Fällen steht.
  • Das ganze Treffen wird zu einer skurrilen Veranstaltung.
  • Sollte der Vize eines Tages Präsident werden, würde die Fina wohl endgültig in den Strudel der Weltsportskandale hineingesogen.

Von Claudio Catuogno, Budapest

Was für ein Abend! "Das prunkvolle Ambiente nahm den meisten Gästen den Atem, ebenso wie das schöne Programm, das ihnen vom Orchester und den Sängern der Staatsoper dargeboten wurde." Gounod, Mozart, Puccini. Und nicht zu vergessen: "Die angesehenen Gäste an den Tischen rangierten in der Sportwelt auf ebenso hohem Rang wie die vorgenannten Komponisten in der Welt der Musik."

Ja, so war das beim Gala-Dinner des Schwimm-Weltverbands Fina am Samstagabend, jedenfalls steht es so in der Zeitung, die die Fina täglich selbst herausgibt anlässlich ihrer WM in Budapest. Die Veranstaltung war nicht öffentlich. Dass die Fina-Zeitung den Namen Water Wonder trägt, passt allerdings in den Kontext: An Wunder kann man glauben - oder nicht.

Eher war es wohl so, dass die Honoratioren der olympischen Familie im Magyar Állami Operaház mal wieder so taten, als gebe es die Welt da draußen nicht. Die Welt, in der Ermittlungsbehörden auf dem ganzen Globus damit begonnen haben, die Sportsümpfe trockenzulegen, in denen Korruption, Misswirtschaft und Dopingvertuschung gedeihen. Vor allem viele Fußballfunktionäre landen derzeit in Haft. Und weil es in Wahrheit karge Zellen sind, die ihnen den Atem nehmen (Opernhäuser sind sie gewohnt), kommen viele von ihnen ins Plaudern. Das Netz zieht sich zu.

Die Gästeliste von Budapest dürfte auch das FBI interessieren

Die Gästeliste von Budapest jedenfalls dürfte auch das FBI interessieren. Da war der kuwaitische Scheich Ahmed al-Sabah, berüchtigter Strippenzieher, Chef aller olympischen Komitees der Welt, Vertrauter von IOC-Präsident Thomas Bach; in einer Anklage der US-Justiz wird al-Sabah als "Mitverschwörer Nr. 2" in einem Korruptions- und Geldwäsche-Verfahren geführt. Da war Hussein al-Musallam, olympischer Multifunktionär wie al-Sabah, gerade vom Fina-Kongress als erster Vizepräsident bestätigt. In dem US-Verfahren ist er "Mitverschwörer Nr. 3" (SZ vom 20.7.).

Und mittendrin mal wieder: Bach. Der deutsche IOC-Chef bekam im Opernhaus den Fina-Orden verliehen - die höchste Auszeichnung der Schwimmfamilie, die allerdings etwas Glanz eingebüßt hat, seit Fina-Präsident Julio Maglione sie 2014 Wladimir Putin andiente, für dessen "Beitrag zur Brüderlichkeit zwischen den Nationen". Al-Sabah erhielt am Samstag den angeblich kaum weniger prestigeträchtigen Orden "Fina Prize". Der glücklichste Mann von allen war aber der Uruguayer Maglione selbst, der vom Wahlkongress am Nachmittag in eine dritte Amtszeit geschickt worden war. Mit 81 Jahren.

Eigentlich war der einstige Schwimmer Maglione 2009 ja mit dem Versprechen angetreten, in der Fina eine Altersbeschränkung für das Führungspersonal einzuführen. 2015 hatte er diese Altersbeschränkung dann wieder abschaffen lassen.

Water Wonder titelte am Tag danach, der Fina stehe "eine helle Zukunft" bevor. Das sehen allerdings nicht alle so.

"Wir sind im Fokus, und meine Sorge ist, dass die Infektion auch unseren Verband erreicht", sagte etwa der Italiener Paolo Barelli auf einer spontanen Pressekonferenz im Kongresshotel Intercontinental: "Wenn Sie eine Infektion haben, müssen Sie ins Krankenhaus, und entweder Sie sterben dann oder Sie werden wieder gesund. Aber weil Sie das vorher nicht wissen, sollten Sie die Infektion vermeiden."

Barelli, Präsident des Europa-Verbandes LEN, war Magliones einziger Gegenkandidat gewesen, er hatte mit dem Ansinnen Wahlkampf gemacht, in der Fina "Transparenz" und "gute Geschäftsführung" einzuführen. Aber nur eine Minderheit der Delegierten hielt mehr Transparenz und gute Geschäftsführung offenkundig für notwendig, fast alle von ihnen kamen aus Europa. Auch der Fina-Exekutivdirektor Cornel Marculescu freute sich dermaßen, den eher programmfreien Greis Maglione als Sieger der Wahl auszurufen, dass er darüber vergaß, das Wahlergebnis zu verkünden. "Was wollen Sie?", knurrte er einen Zwischenrufer an, der nach den Zahlen verlangte: "Ach so, ich soll das Ergebnis vorlesen." Na gut. Lästige Demokratie. 258 Stimmen waren für Maglione abgegeben worden, 77 für Barelli.

Dann: Pressekonferenz. Maglione sagt, dass alles toll ist. Der Kongress: "Klar und hundert Prozent demokratisch." Und erst die Ungarn: "Immer ein Lächeln auf den Lippen!" Al-Musallam verfolgt das skurrile Schauspiel mit einem stillen Lächeln. Auf die Frage, ob er, wie es informierte Kreise längst für ausgemacht halten, nur einen Teil seiner Amtszeit zu absolvieren gedenke, entgegnet Maglione entrüstet: "Sie müssen verrückt sein! Ich bleibe im Amt, solange mein Herz mitspielt!" Was passieren würde, falls Maglione doch vorzeitig abtritt, steht in den Statuten - und es ist dieses Szenario, das die Fina in die Zukunft begleitet wie ein Sprengsatz, der jederzeit hochgehen kann. Al-Musallam würde ins Präsidentenamt nachrücken. Und die Fina würde wohl endgültig in den Strudel der Weltsportskandale hineingesogen.

Nicht nur, dass sogar Kuwaits Schwimmverband in einer Protestnote gefordert hatte, al-Musallam nicht zu bestätigen; er habe nicht den Rückhalt seiner Heimatorganisation. Nicht nur, dass al-Musallam mit der Bürde der US-Anklage unterwegs ist: Er soll, gemeinsam mit seinem Landsmann al-Sabah, dem Fußballfunktionär Richard Lai aus Guam rund eine Million Dollar Schmiergeld zugeschanzt haben. Lai ist geständig, al-Musallam und al- Sabah bestreiten jedes Fehlverhalten.

Keiner der Kandidaten durfte etwas sagen

Nein, kurz vor dem Kongress war auch noch bekannt geworden, dass al-Musallam durch einen Tonbandmitschnitt aus dem Jahr 2012 belastet wird. Diesmal geht es um mutmaßliche Korruption in seinem Amt als Direktor des Olympischen Rats von Asien (OCA). In dem Gespräch mit einer chinesischen Sportmanagerin, die mit der OCA einen Sponsorendeal einfädeln will, schildert al-Musallam, welchen Teil der im Raum stehenden Millionensumme sie doch bitte als "Kommission" abzweigen solle: 18 Prozent. "Zehn Prozent gehen an uns, acht Prozent an Sie." Die Londoner Times und Spiegel Online hatten über den Fall zuerst berichtet. Auf dem Tonband rät al-Musallam der Chinesin sogar, diskret eine Firma in Hongkong zu gründen, um die Transaktion abzuwickeln. Auch hier bestreitet al-Musallam Korruption.

Und die Fina? Sie teilte mit, man habe sich die Sache angesehen, es seien aber "keine Fina-Belange" betroffen. Keine Bedenken also gegen al-Musallams Wiederwahl. Nur: Sind nicht automatisch Fina- Belange betroffen, wenn die Integrität des Fina-Vizepräsidenten derart konkret in Zweifel gezogen wird?

Paolo Barelli hätte das vor den Delegierten gerne zum Thema gemacht, aber gleich zu Beginn des Kongresses hatte eine Mehrheit beschlossen, dass keiner der Kandidaten etwas sagen darf. Barelli protestierte vergeblich: "Sie hatten panische Angst, dass jemand good governance anspricht, das wollten sie unbedingt verhindern." Also sagte Paolo Barelli es eben nachher: "Die Fina muss begreifen, dass sie schnell die Richtung ändern muss."

Darauf kann er aber wohl lange warten. Jetzt erst mal Oper und Orden.

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SZ vom 24.07.2017/ska
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