Schwimm-EM:Paul Biedermann versöhnt sich mit Berlin

Schwimm-EM 2014

Freude über Gold: Paul Biedermann nach dem Sieg mit der 4x200-Meter-Staffel bei der Schwimm-EM in Berlin.

(Foto: dpa)

In der Vorbereitung war er krank, im Turnier gab es heftige Kritik: Mit Staffel-Gold über 4 x 200 Meter Freistil kann sich Paul Biedermann doch noch über eine erfolgreiche Schwimm-EM in Berlin freuen. Und auch ein Mann aus der zweiten Reihe prescht nach vorn.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Als Schwimmer erlebt man bisweilen einsame Momente. Auf dem Startblock, im Wasser, es ist eine Auseinandersetzung mit sich selbst, den eigenen Fähigkeiten. Ein bisschen sozialer wird es im Teamwettbewerb, Paul Biedermann mag das gerne, "es ist leichter und macht deutlich mehr Spaß", sagt er. "Das ist unsere gemeinsame Leistung, da geht es nicht um den Einzelnen." Doch als Paul Biedermann muss man bisweilen die Erfahrung machen, dass es auch nach einem Staffelrennen mehr um Paul Biedermann gehen kann als ums Team.

Am Samstagabend standen sie alle gemeinsam auf dem Podest, in der Staffel über 4 x 200 Meter Freistil war Biedermann mit Clemens Rapp, Yannick Lebherz und Robin Backhaus zu Gold geschwommen, der zweiten Goldmedaille bei dieser EM. Die Stimmung im Berliner Velodrom war entsprechend ausgelassen, das Publikum feierte die vier Schwimmer minutenlang, eine Ehrenrunde gönnten sie sich noch. "Die haben wir uns verdient", meinte Biedermann, "ich habe gelernt, man muss die Erfolge feiern wie sie sind und das haben wir heute Abend gemacht."

Versöhnung mit Berlin

Für den Weltrekordmann Biedermann war die Goldmedaille um seinen Hals eine Versöhnung mit Berlin. Der Mann aus Halle an der Saale ist seit Jahren die Vorzeigefigur des Deutschen Schwimmens und so wurde er auch in diese Wettbewerbe geschickt. Die Hoffnungen beim DSV waren groß, obwohl Biedermann wenige Wochen zuvor wegen einer Krankheit hatte pausieren müssen. Und dann, es war der erste EM-Lauf überhaupt in Berlin, erlebte Biedermann plötzlich schon den ersten Dämpfer: Er schied im Vorlauf über 400 Meter aus, hatte sich mit der Zeit "verzockt".

Doch der Fokus hatte ohnehin auf den 200 Meter Freistil gelegen, am Mittwoch holte er Silber. In beeindruckender Manier, mit überzeugender Zeit. Doch er hatte den Titel des Europameisters eben nur um zwei Hundertstel Sekunden verpasst, den schnappte sich der Serbe Velimir Stjepanovic. Das wurmte den Deutschen. Er konnte sich erst mit Abstand über den zweiten Platz freuen, mit jeder Menge Abstand.

Nun also Staffelgold, kein Grund zum Hadern, Biedermann freute sich dieses Mal sofort. Es war auch eine Genugtuung. Denn da hatte ja dieser Vorwurf in der Luft gelegen, den Franziska van Almsick ihm gemacht hatte. Dass er seinen Start über 100 Meter Freistil abgesagt hatte, kommentierte die einstige Schwimm-Ikone mit den Worten: "Früher hätte es das nicht gegeben."

"Ich weiß schon, was ich tue"

Biedermann hatte nach dem Silber am Mittwoch eine Pause eingelegt, um sich auf die Staffel zu konzentrieren. "Ich hätte über 100 Meter nicht so schwimmen können wie heute", erklärte er nun, "ich war einfach platt und brauchte die zwei Tage." Alles sei aufgegangen, führte er weiter aus und schob noch hinterher: "Ich weiß schon, was ich mache, ich bin alt genug und deswegen weiß ich meinen Weg."

Als Schlussschwimmer war er ins Wasser getaucht, auf Position vier liegend. Bis dahin hatte es noch nicht so vielversprechend ausgesehen, nach zwei Starten lag Deutschland auf dem siebten von acht Rängen. "Da habe ich maximal mit Platz zwei gerechnet", gab Biedermanns Heimtrainer Frank Embacher zu. Doch Biedermann pirschte sich in seinem Rennen heran und zog auf den letzten 25 Metern noch am Russen Alexander Sukhorukov vorbei. 1:44,95 Minuten benötigte er in seinem Abschnitt dafür - eine weitere starke Leistung nach seiner Silbermedaille im 200-Meter-Einzelfinale.

Silber aus der zweiten Reihe

"Wir können zufrieden mit unserer Zeit sein", merkte Biedermann noch an, mit Blick auf die Gesamtzeit von 7:09,00 Minuten, die alle vier zusammen im Wasser verbracht hatten. "Wir haben Potenzial nach oben." Was diese Leistung im Vergleich zur Weltspitze wert ist? Bei den Pan-Pazifik-Meisterschaften, die gerade in Australien stattfinden, kamen die Amerikaner fast vier Sekunden schneller ins Ziel.

In Berlin war am Samstagabend dann doch noch ein anderer gefragt als Paul Biedermann: Christian Diener, einer aus der zweiten Reihe, hatte über 200 Meter Rücken die Silbermedaille gewonnen. "Nachdem ich angeschlagen habe, sind alle Sterne vom Himmel gefallen", erzählte er ausgelassen. "ich wollte hier unbedingt noch eine Medaille gewinnen - sonst wäre ich hier nicht weggegangen."

Die ersten 150 Meter war er extrem schnell angegangen, den anderen schon enteilt. Auf der letzten Bahn schwamm ihm zwar noch der Pole Radoslaw Kawecki davon - doch Diener rettete sich mit neuer Bestleistung ins Ziel. "Es war sauanstrengend, so viele Schmerzen hatte ich noch nie", berichtete er. Auch der 21-Jährige erlebte an diesem Tag eine Art Genugtuung: Über 100 Meter war auf Rang vier gelandet, nur acht Hundertstel von Bronze entfernt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: