VolleyballParty-Hopping nach der Durststrecke

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Auftakt der großen Party: Schwerins Volleyballerinnen mit Trainer Felix Koslowski (vorne rechts) hinter der Meisterschale.
Auftakt der großen Party: Schwerins Volleyballerinnen mit Trainer Felix Koslowski (vorne rechts) hinter der Meisterschale. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Schwerins Volleyballerinnen sind erstmals seit 2018 wieder deutsche Volleyball-Meisterinnen – trotz großer Verletzungssorgen. In Zukunft kämpfen sie mit der kriselnden Liga gegen schier übermächtige US-Konkurrenz an.

Von Sebastian Winter

Die Sause muss prächtig gewesen sein. Erst eine halbe Stunde Feierei im Kabinentrakt der Palmberg-Arena, als die meisten der 2300 Zuschauer schon heimgegangen waren. Dann oben im VIP-Bereich, und später in der Innenstadt. Schwerin ist klein, also pendelten die Spielerinnen einfach zwischen der Scotsman-Bar, wo sie tranken, und dem Club M8 gegenüber, wo sie tanzten. „Um vier Uhr war ich im Bett“, sagte ihr Trainer Felix Koslowski am Sonntagmittag mit etwas lädierter Stimme am Telefon. Er war sicher nicht derjenige, der den Kehraus machte in der wilden Nacht.

Pure Erleichterung drückte diese überschäumende Party aus, als Schwerins Volleyballerinnen am Samstagabend nach exakt 120 Minuten Spielzeit den Dresdner SC auch im dritten Finalduell bezwungen hatten, im Anschluss an zwei 3:0-Erfolge diesmal sehr knapp mit 3:2 (23:25, 18:25, 25:15, 25:21, 15:11). Für den SSC Schwerin, den Vorzeigeklub im deutschen Frauenvolleyball, ist es immerhin schon der 13. Meistertitel im vereinigten Deutschland. Als SC Traktor Schwerin war der Verein aus Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt siebenmal DDR-Meister geworden. Nach einer siebenjährigen Durststrecke, in der immer nur Stuttgart (2019, 2022, 2023 und 2024) oder Dresden (2021) triumphierten, hat sich Schwerin nun wieder die bronzene Schale gesichert.

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2018 waren die SSC-Frauen letztmals Meister geworden, 2019 hauchdünn im Finale an Stuttgart gescheitert. 2020 hatten sie mit Louisa Lippmann, Kimberly Drewniok und Denise Hanke eine extrem starke Mannschaft, dominierten die Liga – dann wurden die Playoffs Corona-bedingt abgesagt. „Nach diesem Corona-Sommer waren wir im Umbruch“, sagt Koslowski, der schon einige Umbrüche erlebt hat, seit er 2013 in Schwerin ins Traineramt kam.

Vor dieser Saison schien das Team so gefestigt zu sein, dass es wieder um den Titel mitspielen konnte. Dann jedoch musste die neu hinzugekommene Außenangreiferin Fleur Savelkoel erneut an ihrem lädierten Kreuzband operiert werden. Auf derselben Position fiel auch Nova Marring aus: Knorpel- und Meniskusschaden. Und die erste Zuspielerin Vedrana Jaksetic riss sich am Anfang der Saison im Supercup gegen Stuttgart das Kreuzband. „Es war die Hölle für uns. Ich hätte damals nicht gedacht, dass es reichen könnte, Meister zu werden“, sagt Koslowski.

Doch die 21-jährige, unerfahrene Hannah Kohn, die im Sommer aus Vilsbiburg gekommen war, sprang im Zuspiel ein. Und Leana Grozer, die erst 18-jährige Tochter des deutschen Über-Volleyballers Georg Grozer, etablierte sich überraschend schnell im Außenangriff. In den ersten beiden Finalspielen gegen Dresden wurde sie zur wertvollsten Spielerin gekürt. Entscheidend am Samstag waren aber die unnachahmlichen Angriffe von Elles Dambrink.

Überragende Figur im dritten Finalspiel: die Niederländerin Elles Dambrink, die nach dem Finale von der Volleyball-Bundesliga zur wertvollsten Spielerin der Saison gekürt wurde.
Überragende Figur im dritten Finalspiel: die Niederländerin Elles Dambrink, die nach dem Finale von der Volleyball-Bundesliga zur wertvollsten Spielerin der Saison gekürt wurde. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Dresdens Trainer Alexander Waibl hatte den Schlüssel zum Sieg kurz vor der Partie angesprochen: „Wir müssen mehr in die Köpfe der Schwerinerinnen reinkommen. Und wir müssen es schaffen, Elles Dambrink mehr zu stoppen.“ Sonst werde es schwierig. Die Sächsinnen krochen in den ersten beiden Sätzen dann wirklich in die Gedanken ihrer Gegnerinnen. Schwerin spielte nervös, die Annahme wackelte, Grozer scheiterte immer wieder mit ihren sonst so starken Attacken. Die Außenangreiferin, die kürzlich ihren Vertrag verlängerte, hatte eine Angriffsquote von indiskutablen 15 Prozent.

Nach dem 0:2-Satzrückstand übernahm Hauptangreiferin Dambrink, 21, die Verantwortung. Die Niederländerin war nicht mehr zu bremsen, erzielte 33 Punkte, ein Fabelwert. Ohne die Diagonalspielerin hätte Schwerin dieses Spiel nie und nimmer gewonnen. Später wurde Dambrink von der Volleyball-Bundesliga zur wertvollsten Spielerin der Saison gekürt.

Während Schwerin seinen neuen Kader nun um Grozer, Kohn und Anne Hölzig neu formiert, wird Dambrink kaum zu halten sein. Zu begehrt sind Spielerinnen ihres Formats. In den USA etablieren sich ohnehin die League One Volleyball und andere Profiligen, saugen den Markt leer und lassen die Gehälter steigen. Und in Deutschland kämpften die Frauen-Erstligisten nach der Pandemie mit strukturellen und finanziellen Problemen. Die Liga, die hierzulande lange Zeit den populärsten Frauen-Mannschaftssport noch vor dem Fußball präsentierte, verkleinerte sich diese Saison wegen Insolvenzen und Rückzügen auf nur noch neun Klubs. Zuletzt waren die Roten Raben Vilsbiburg vor einem Jahr abgesprungen, weil sie keine Perspektive mehr sahen.

Sie freut sich mit ihren Teamkolleginnen über ihren ersten deutschen Meistertitel:  Leana Grozer (Mitte).
Sie freut sich mit ihren Teamkolleginnen über ihren ersten deutschen Meistertitel:  Leana Grozer (Mitte). (Foto: Ostseephoto/Imago)

Doch es scheint Licht am Ende dieses Tunnels zu geben, auch Spitzenklubs wie Potsdam, Dresden, Stuttgart und Schwerin spüren das. Durch den Paketaufstieg – ähnlich wie vor zwei Jahren bei den Männern – der Zweitligisten Skurios Volleys Borken, ETV Hamburg und Binder Blaubären TSV Flacht spielen kommende Saison zwölf Klubs in der Frauen-Bundesliga. „Gut, dass die Liga wieder größer und attraktiver wird“, sagt Koslowski: „Sie war in den letzten beiden Jahren in Schwierigkeiten, und es wird auch noch Zeit brauchen, bis sie sich wieder stabilisiert.“

Koslowski möchte mit Schwerin weiter an der Spitze dieser Liga stehen. Sein Vertrag läuft bis 2028, zugleich trainiert er die niederländische Frauen-Nationalmannschaft – Synergieeffekte inklusive. Aber zunächst einmal fuhr der 41-Jährige am Sonntag nach Rostock, zum Jugend-Volleyballturnier seiner jüngsten Tochter.

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