Schwergewichts-Boxen:Die Klitschkos sehen es gelassen

Wer darf die Klitschko-Brüder herausfordern? In Erfurt präsentiert sich Alexander Powetkin als möglicher Gegner - er gewinnt einen spannenden, aber unspektakulären Kampf gegen Ruslan Tschagajew. Auch der Finne Robert Helenius bringt sich mit einem Sieg ins Gespräch. Und dann ist da noch Evander Holyfield, der nach dem fünften Comeback Ansprüche stellt.

Jürgen Schmieder

Nach der achten Runde wollte Teddy Atlas seinem Schützling keine taktischen Anweisungen mehr geben, sondern führte eine emotionale Komponente ein. Der legendäre Boxtrainer, der einst Mike Tyson zur Motivation eine Pistole an den Kopf gehalten hatte, baute sich vor Alexander Powetkin auf und sagte: "Glaubst du an Wunder? Wir holen deinen Vater zurück, dafür musst du allerdings Weltmeister werden!"

Boxing Gala In Erfurt

Alexander Powetkin besiegte Ruslan Tschagajew nach Punkten und darf sich nun Weltmeister im Schwergewicht nennen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Zuvor hatte Powetkin beim WM-Kampf im Schwergewicht gegen Ruslan Tschagajew wuchtige Treffer hinnehmen müssen, kurze Zeit hatte er gar auf wackligen Beinen gestanden - also erwähnte Atlas den verstorbenen Vater, um Powetkin zu motivieren. Es half: Powetkin fand zurück in diesen Kampf, mit einer technisch und taktisch guten Leistung besiegte Powetkin seinen Gegner letztlich deutlich und einstimmig (116:112, 117:113, 117:113) nach Punkten.

Es war ein spannendes Duell, jedoch wenig spektakulär und boxerisch wahrlich kein Leckerbissen. Powetkin deutete zu Beginn und am Ende des Kampfes sein Talent als technisch herausragender Kämpfer an, agierte letztlich jedoch weitgehend unbeweglich und verwundbar in der Defensive - weshalb Atlas ihn immer wieder aufforderte, seinen Gegner auf Distanz zu halten und um ihn herum zu tänzeln.

Powetkin befolgte die Anweisungen seines Trainers, agierte diszipliniert und dominierte einen am Ende überforderten und müde werdenden Tschagajew, ohne wirklich zu glänzen. Immer wieder brachte er seine Führhand und einige Aufwärtshaken ins Ziel, selten gelangen ihm schöne Kombinationen. Er brachte deutliche Treffer an den Kopf seines Gegners, die jedoch nicht wuchtig genug waren, um einen Niederschlag zu provozieren.

"Tschagajew war ein schwieriger Gegner, es war ein harter Kampf", sagte der 31-jährige Powetkin nach dem Duell, "ich glaube daran, dass mein Vater mich nun sieht und hört und stolz ist auf das, was ich erreicht habe." Es war der 22. Sieg für Powetkin im 22. Profikampf, nach diesem Erfolg darf er sich Weltmeister des Verbandes World Boxing Association (WBA) nennen.

Es war ein sportlich höchst interessanter Boxabend in Erfurt, weil drei mögliche Herausforderer der Gebrüder Klitschko antraten, zwei gar im direkten Duell gegeneinander. Es war aber auch eine groteske Veranstaltung, weil das Duell zwischen Powetkin und Tschagajew als Weltmeisterschaft des Verbandes WBA deklariert wurde - was nur Menschen mit kindlich-naivem Gemüt ohne Kopfschütteln registrierten.

Alle anderen rieben sich verwundert die Augen und fragten sich: Wie kann das sein? Diesen Titel hat doch gerade erst Wladimir Klitschko gegen David Haye gewonnen! Die einfache wie sportlich höchst fragwürdige Erklärung: Die WBA hatte Wladimir Klitschko nach seinem Erfolg gegen Haye zum so genannten Superchampion befördert und den regulären Titel für vakant erklärt. "Es geht nur um TV-Gelder. Normalen Menschen kann man das nicht erklären", sagte Klitschko-Manager Bernd Bönte.

Freilich können weder der Sauerland-Boxstall, der den Boxabend in Erfurt veranstaltete, noch die boxenden Protagonisten am Samstagabend und schon gar nicht die Klitschkos etwas für die Titel-Inflation durch den in Panama ansässigen Verband. Den Beobachtern blieb deshalb nichts anderes übrig, als den Beinamen Weltmeisterschaft zu belächeln und den Abend als Möglichkeit zu sehen für drei talentierte Schwergewichtler, sich für einen Kampf gegen einen der Klitschkos zu präsentieren.

Überzeugender Sieg von Helenius

Die überzeugendste Vorstellung gab dabei Robert Helenius ab, der Sergei Liakhovich durch Niederschlag in der neunten Runde besiegte. Liakhovich war nach Lamon Brewster und Samuel Peter der dritte ehemalige Weltmeister, den der 27-jährige Finne durch K.o. bezwingen konnte. "Es war am Anfang ein bisschen langweilig", sagte Helenius, "ich weiß, dass ich noch besser boxen kann."

WBA / WBO Intercontinental Meisterschaft im Schwergewicht

16. Sieg im 16. Kampf: Robert Helenius.

(Foto: dpa)

Zu Beginn des Duells agierte Helenius offensiv, aber auch leichtsinnig gegen einen mutigen und durchaus aggressiven Kontrahenten. Ihm gelangen einige schöne Treffer nach sauberen Kombinationen, er musste jedoch auch wuchtige Schläge seines Gegners einstecken. "Im entscheidenden Moment musst Du auch mal zuhauen", sagte Trainer Ulli Wegner vor der achten Runde.

Helenius hörte auf seinen Trainer, er agierte nun souverän und schlug wuchtige Kombinationen, am Ende der achten Runde gelang ihm der erste Niederschlag. Eine Runde später setzte Helenius nach und landete derart harte Treffer, dass der Ringrichter nach einem Niederschlag gar nicht zu zählen begann, sondern das Duell sofort abbrach.

Helenius blieb damit im 16. Profikampf seiner Karriere unbesiegt, elf davon konnte er vorzeitig gewinnen. Ein WM-Kampf gegen einen der Klitschkos käme indes wohl zu früh für Helenius. Seine Gegner bislang waren nicht nur masochistisch veranlagte und gut bezahlte Opfer, sondern durchaus Kämpfer mit herausragender Reputation - Helenius braucht aber noch einige dieser Kontrahenten, um Erfahrung zu sammeln für ein Duell um die höchsten Titel im Schwergewicht.

Apropos Klitschkos: Die dürften den Boxabend recht gelassen verfolgt haben. Einen möglichen Kampf gegen Powetkin - die WBA fordert dieses Duell in den kommenden 18 Monaten - hat Manager Bernd Bönte erst einmal abgelehnt: "Mit Powetkin sind wir durch, der ist zweimal weggelaufen, obwohl wir den Kampf schon ersteigert hatten."

Helenius hat sich erneut als überaus talentierter Schwergewichtler präsentiert, wirklich gefährlich dürfte er den Klitschkos noch nicht werden. Witali boxt nun in zwei Wochen erst einmal gegen den Polen Tomasz Adamek, danach könnte es zu einem Duell mit David Haye kommen. Wladimir ist nach seinem Erfolg gegen Haye noch auf der Suche nach einem adäquaten Gegner.

Am Samstag brachte sich noch ein anderer Boxer für ein Gefecht ins Gespräch. Am Ring in Erfurt saß Evander Holyfield, der kürzlich das fünfte Comeback seiner Karriere gefeiert hatte und nun zum fünften Mal Weltmeister werden möchte. "Ich will der unangefochtene Champion im Schwergewicht sein", sagte Holyfield. Sportlich dürften die Klitschkos diese Aussage mit einem müden Lächeln zur Kenntnis nehmen - Holyfield wird im Oktober 49 Jahre alt. Angesichts des Mangels an Gegnern mit klangvollen Namen mag dieses Angebot allerdings gar nicht so uninteressant klingen.

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