Schweiz in der Krise:Einfallslos von A bis X

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„Es läuft vieles gegen uns“: Nationaltrainer Murat Yakin. (Foto: Zorana Jevtic/Reuters)

Nach ihrem traumhaften EM-Sommer erleben die Schweizer Fußballer einen Herbstblues: Das 0:2 in Serbien ist die dritte Nations-League-Niederlage nacheinander – noch gibt sich Trainer Yakin gelassen.

Von Felix Haselsteiner

Das sogenannte Xhaka-Problem, es blieb am Samstagabend ein Theorem. Serbiens Nationaltrainer Dragan Stojkovic hatte vor dem Spiel noch ausgiebig über die Problematik mit dem Mittelfeldspieler Granit Xhaka referiert: Der Regisseur der Schweiz sei ein „großartiger Spieler“ und fußballerisch nur schwerlich einzuschränken, sagte Stojkovic – auch wenn er aus anderen Gründen auf Xhaka angesprochen worden war. Dessen albanische Wurzeln, in Verbindung mit zwei Vorfällen bei Spielen gegen Serbien in den vergangenen Jahren, waren in der Theorie die andere große Sorge gewesen.

In Leskovac, etwa 280 Kilometer südlich von Belgrad, wurde das Spiel eigens ausgetragen, um zumindest einigen der berüchtigten Hauptstadtultras die Anreise unschmackhaft zu machen. Ohne Nationalismus kam die Nations-League-Partie nicht aus; im serbischen Block etwa war wiederholt eine Flagge zu sehen, die die Umrisse Kosovos vor dem Hintergrund serbischer Nationalfarben zeigte. Aber bis auf ein Pfeifkonzert kam es zu keinen Anfeindungen gegen Xhaka und andere Schweizer Spieler mit albanischer Historie. Die hatten diesmal allerdings auch keine Anlässe für Provokationen in Form des Adlergrußes beim Jubel. Dazu fehlten die Tore gegen Stojkovics Serben, die über weite Strecken nicht nur das Xhaka-Problem lösten, sondern auch dessen Kollegen die Grenzen aufzeigten.

0:2 verloren die Schweizer die Partie und damit das dritte Nations-League-Spiel nacheinander. Am kommenden Dienstag gegen Dänemark braucht die Mannschaft von Murat Yakin bereits einen Sieg, um die Chance auf den Klassenverbleib in der obersten Liga zu haben. Einen beachtlichen Herbstblues ist jetzt schon spürbar bei den Eidgenossen, einige Monate nach einem traumhaften Sommer.

Yakins Mannschaft war eine der Überraschungen der Europameisterschaft gewesen, hatte Deutschland am Rande der Niederlage, Titelverteidiger Italien besiegt und war erst im Viertelfinale im Elfmeterschießen gegen England ausgeschieden. Es war eines der fußballerisch besten Turniere in der Geschichte der Alpennation, mit einem überragenden Xhaka in der Zentrale, umschwärmt von taktisch fein geschulten Spielern wie Michel Aebischer und Remo Freuler. Nur übrig geblieben ist davon derzeit wenig.

Bis auf den sehr agilen Dan Ndoye funkelte gegen Serbien wenig im Spiel der Schweizer. Einfallslos von A wie Aebischer bis X wie Xhaka präsentierten sie sich gegen einen wie erwartet defensiven Gegner in der ersten Halbzeit, das 1:0 für Serbien fiel unglücklich durch ein Eigentor von Silvan Widmer. In der 61. Minute war es ein traumhafter Schuss von Aleksandar Mitrovic, der den Serben das 2:0 brachte. Erst danach wachten die Schweizer auf, Breel Embolos verschossener Elfmeter (72. Minute) allerdings besiegelte die Niederlage.

Die Spieler kritisieren den Trainer diesmal nicht offen – noch nicht

Was bleibt ist einerseits die Erkenntnis einer inzwischen arg porösen Defensive: Fünf Gegentore kassierte die Schweiz in den ersten neun Länderspielen des Jahres, acht in den vergangenen drei Spielen in der Nations League. Andererseits: Die EM scheint innerhalb der Mannschaft zumindest im persönlichen Verhältnis zueinander einiges verändert zu haben.

Anders als bei der vorerst letzten größeren Krise unter Yakin im vergangenen Herbst, als der Trainer kurz vor dem Aus stand, war nun von Spielerseite keine Kritik zu hören. „Ich glaube nicht, dass etwas kaputtgegangen ist“, sagte Ndoye und machte sich lieber an die sportliche Analyse. Manuel Akanji verwies auf den schlechten Rasen, Fabian Rieder sah eine „ärgerliche Niederlage“. Und Yakin bilanzierte, es seien gar nicht die eigenen Fehler der Grund – sondern die äußeren Umstände. Die Hochphase im Sommer, in der alles funktioniert habe, sei zu Ende gegangen, damit müsse man sich abfinden: „Es läuft vieles gegen uns“, sagte Yakin.

Das sollte wohl nach Schweizer Gelassenheit klingen. Ob der Tonfall sich nach dem Spiel am Dienstag ändert, bleibt allerdings abzuwarten.

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