Schweiz:Alle für alle

Switzerland vs Portugal

Kopf hoch: Breel Embolo (r.) muntert Granit Xhaka nach seinem Platzverweis auf.

(Foto: Jose Sena Goulao/dpa)

Die Spieler zeigen sich beim 2:0 gegen Portugal als Vertreter eines Landes, das von Migranten profitieren kann.

Von Thomas Schifferle

Auf der Tribüne sitzen die Gäste mit großem Namen, Roger Federer und Ottmar Hitzfeld. Auf dem Rasen genießen die Schweizer Spieler den Moment und drehen eine Ehrenrunde. Nicht ausgelassen, nicht wild tanzend, sondern gesetzt, gezeichnet von den 94 Minuten gegen Portugal, die an der körperlichen Substanz gezerrt haben. Admir Mehmedi mag nach seinem Tor zum finalen 2:0 gar nicht jubeln, weil er keine Kraft mehr hat. Kapitän Stephan Lichtsteiner geht vorzeitig vom Platz, weil er, sonst das Perpetuum mobile dieser Mannschaft, von Krämpfen geplagt ist. Valon Behrami lässt den Kopf so sehr hängen, dass er in der Mixed-Zone am liebsten nur noch mit seinen Schuhen reden würde.

Es ist ein stolzer Sieg, mit dem die Schweizer in die Qualifikation zur WM 2018 gestartet sind. Sie haben ihn erspielt und erkämpft, sie haben geglänzt und gelitten, sie haben gezaubert und Glück gehabt. Sie haben Wort gehalten und gezeigt, was in ihnen steckt.

Lange nicht mehr haben sie in einer Qualifikation einen derart prestigeträchtigen Sieg errungen. Das ist bei allem Vorbehalt zu sagen, unabhängig davon, ob dieses Portugal nun wirklich die beste Mannschaft des Kontinents ist; immerhin ist sie als Europameister nach Basel gekommen, und das auch in Abwesenheit des angeschlagenen Cristiano Ronaldo mit einem spielstarken Aufgebot.

Natürlich fehlte dieser Ronaldo, natürlich hatte die Schweiz Glück, dass der Schiedsrichter, der selbstgefällige Spanier Mateu Lahoz, ein elfmeterreifes Handspiel von Johan Djourou übersah oder dass Nani in der Schlussphase aus fünf Metern nur den Pfosten und nicht das leere Tor traf. Die Schweizer hatten dieses Glück, das ihnen bei der EM in Frankreich gefehlt hatte. "Wir haben es provoziert", sagt Trainer Vladimir Petkovic.

Der Abend von Basel darf nun als Beweis dafür dienen, dass Petkovic in der Schweiz als Nationaltrainer angekommen ist. Dass er nicht mehr über fehlenden Respekt klagen muss. Dass er aus dem Schatten des Mannes herausgetreten ist, der auch im Stadion war und sich schwer tat, das auch für ihn bereitgelegte Schweizer Fähnchen zu schwingen - der Nachfolger von Ottmar Hitzfeld.

Für diesen Wandel hat es Zeit gebraucht, die ganze Qualifikation für die EM 2016, in der die Schweiz nur die Pflicht erfüllt hatte. Lange konnte Petkovic nicht nachvollziehen, warum das nicht als Erfolg gewertet wurde. Noch im März, nach Niederlagen in den Testspielen in Irland und gegen Bosnien-Herzegowina, wurde er kritisiert. Bei der Wahrnehmung dieser Nationalmannschaft steht eine Frage im Raum wie nie zuvor: Wie sehr verkörpert dieser Trainer mit diesem Team die Schweiz? Der Trainer aus Bosnien mit den Spielern, von denen viele ihre Wurzeln in Südamerika, Afrika und vor allem auf dem Balkan haben. Petkovic sagte damals: "Wer auf jemanden aus unserer Gruppe schießt, schießt auch auf sich selbst - wenn er ein richtiger Schweizer ist."

Die Korrektur begann im Mai in Lugano, mit der Vorbereitung auf die EM. Heute reden in der Mannschaft alle davon, was seit jenen Tagen gewachsen sei: dieses Gefühl von Gemeinschaft und Zusammenhalt. Sie schwärmen von der Stimmung. Behrami erzählte während der EM vom Trainer, der sich geöffnet habe; von den albanischstämmigen Spielern, die erwachsener und gegenüber den anderen offener geworden sind; von intensivierten Beziehungen und Gesprächen in der Freizeit.

Die Resultate helfen, Team und besonders Trainer nicht mehr nach der Herkunft zu beurteilen, sondern als Vertreter einer Schweiz, die von den Ausländern profitieren kann. "Dass wir so solidarisch sind, ist eine neue Stärke", sagt Mehmedi, der Mann aus Mazedonien, der als eines der vielen Sprachtalente in diesem Team Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch und Albanisch spricht, "wir sind noch mehr zusammengewachsen." Gegen Portugal war gerade die zweite Spielhälfte Ausdruck dieser Bereitschaft, füreinander zu kämpfen, für dieses neue Wir-Gefühl. Alle waren sie dazu bereit, angefangen ganz vorne bei Haris Seferovic, dem Stürmer von Eintracht Frankfurt. Behrami gab auf überragende Art den Krieger, als den er sich selbst gerne sieht. Und Granit Xhaka bestätigte die Eindrücke von der EM, dass er der neue Stratege ist. Die späte rote Karte änderte daran nichts.

Doch sie wissen, dass das nur der Anfang war, das erste von zehn Spielen auf dem Weg nach Russland. Ein Umfaller nächsten Monat in Ungarn oder gar in Andorra ist nicht erlaubt. Darum gehört das letzte mahnende Wort dem Trainer: "Wir müssen mit den Füßen auf dem Boden bleiben."

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