Die Frage, warum er so selten Fragen beantwortet, wurde natürlich auch gestellt, als Bastian Schweinsteiger am Sonntagmittag Ortszeit erstmals im großen Pressezelt auftrat. Warum er sich denn zuletzt so rar gemacht habe, ob er irgendwie sauer sei, wollte also jemand von dem Münchner wissen.
Ach nö, meinte Schweinsteiger, er habe sich halt erst auf die Gesundheit und seine Fitness konzentriert, und er sei ja auch "nicht so sehr ein Freund von großen Reden"; er wolle "lieber intern die Dinge ansprechen, die wesentlich sind". Und nö, er sei "niemandem böse".
Nachfolger von Carsten Jancker
Schweinsteiger hat die Pressekonferenz gut überstanden, er blieb unverletzt. Leicht war das nicht, denn es waren ein paar herausfordernde Fragen dabei. Zum Beispiel hielt ein brasilianischer Reporter einen als Frage getarnten Vortrag über die göttlichen Segnungen Brasiliens und dabei wollte er anscheinend irgendwie wissen, was der in München "Fußballgott" genannte Schweinsteiger dazu sage, so von Gott zu Gott. "Vor mir haben sie in München Carsten Jancker so genannt", hat Schweinsteiger geantwortet, "ich weiß nicht, ob Sie den kennen."
In dieser Form werden die Deutschen ihren Schweinsteiger gegen Brasilien brauchen. Nach Lage der Dinge werden sie vor allem den kampferprobten Veteranen in ihm brauchen, denn göttliche Segnungen erwartet die DFB-Delegation vom brasilianischen Spiel eher keine.
Die Gastgeber könnten schon auch hinlangen, sagte Löws Assistent Hansi Flick, "sie gehen auch mal an die Grenze des Erlaubten". Und Schweinsteiger hat zwar eine erhebliche Anzahl von ehrlich gemeinten Komplimenten für die Gastgeber, deren Land und deren WM im Saal untergebracht, aber er hat sich auch getraut zu sagen, "dass die Brasilianer nicht mehr so die Zauberer" seien wie früher; die brasilianische Mannschaft spiele anders als frühere brasilianische Teams, "und Härte gehört zu ihrem Spiel definitiv dazu".
Deutsche Duelle gegen Brasilien:Als Kahn der Ball entwischte
Klatschen, Dramen und ein paar Siege: In den bisher 21 Duellen zwischen Deutschland und Brasilien hatte das DFB-Team meist das Nachsehen. Im WM-Finale 2002 litt einer besonders - ausgerechnet ein deutscher Torwart.
Es war keine leichte Aufgabe, die die Pressekonferenz-Gäste Schweinsteiger und Flick zu bewältigen hatten. Sie wollten die Brasilianer erstens würdigen und ehren; sie wollten ihnen zweitens ihr Beileid wegen des Ausfalls von Superstar Neymar ausdrücken; drittens wollten sie mitteilen, dass die Aufgabe für die Deutschen deshalb keineswegs leichter werde; und viertens wollten sie vorsichtig auf etwas hinweisen, was Chefscout Urs Siegenthaler schon vor einem Jahr beim Confed Cup aufgefallen war: dass die Brasilianer durchaus mal zupfen und zerren, und dass nicht alle Schiedsrichter das als Zupfen und Zerren ahnden.
Am Ende haben sie alle vier Punkte in folgender Sprachregelung zusammengefasst: Die Verletzung sei sehr bedauerlich, sagte Schweinsteiger, "denn es ist immer das Beste, wenn in einem großen Turnier alle großen Spieler auf dem Platz stehen"; aber Neymars Ausfall könne "Kräfte freisetzen". Das ist das Argumentationsmuster, das sich die Deutschen zurechtgelegt haben: "Die Verletzung wird die Brasilianer noch mehr zusammenschweißen", sagte Hansi Flick.
Und die Welt soll sich ruhig noch einen Satz dazu denken: Wenn das alles also zusammenschweißt und die Brasilianer also besonders kämpferisch auftreten, dann braucht es bitte auch - einen aufmerksamen Schiedsrichter.