Schweinsteiger neuer DFB-Kapitän:Eine Entscheidung, die zu Löw passt

Bastian Schweinsteiger und Joachim Löw

Vertrauensmänner: Bastian Schweinsteiger und Joachim Löw (rechts).

(Foto: dpa)

Joachim Löw umgibt sich mit Vertrauenspersonen und befördert Bastian Schweinsteiger zum neuen DFB-Kapitän. Mit der Ernennung von Thomas Schneider zum Co-Trainer gelingt ihm eine Überraschung.

Von Lisa Sonnabend, Düsseldorf

Joachim Löw verkündete seine Entscheidung beiläufig, als würde er in seinem Freiburger Lieblingcafé einen Espresso bestellen. Der Bundestrainer änderte die Stimmlage kaum, machte nicht einmal eine dramaturgische Pause. Nur die Worte dehnte er, als würde er einer Schulklasse einen Text diktieren. "Nach den Rücktritten mussten wir eine Änderung vornehmen", sagte Löw am Dienstagmittag in Düsseldorf. "Der Bastian Schweinsteiger wird neuer Kapitän."

Schweinsteiger also, nicht Manuel Neuer oder Mats Hummels, wird Nachfolger des zurückgetretenen Philipp Lahm. Joachim Löw beförderte damit Lahms 30-jährigen Stellvertreter zum Chef. Neun Mal führte Schweinsteiger bereits das DFB-Team an, nun werden weitere Auftritte mit der Armbinde hinzukommen. Zumindest, sobald der Mittelfeldspieler seine Verletzung auskuriert hat.

"Diese Entscheidung war für mich immer klar", sagte Löw. Es ist eine Entscheidung, die zu ihm passt. Der Bundestrainer umgibt sich gerne mit Personen, denen er vertraut. Schweinsteiger ist so eine Person, das betonte Löw mehrmals. "Ich weiß, dass ich mich auf Bastian verlassen kann", sagte Löw, "wenn es darauf ankam, war der Basti immer da."

Überraschung: Schneider wird Co-Trainer

Ebenso beiläufig erwähnte Löw, wer neuer Co-Trainer der Nationalmannschaft wird - und das war schon eine größere Überraschung. Nicht Marcus Sorg, der als Favorit galt, sondern Thomas Schneider rückt in den Trainerstab auf. Schneider hatte mehrmals dementiert, dass er der Nachfolger von Hansi Flick wird - wohl eine Finte.

Schneider kommt vom VfB Stuttgart, verdiente sich Anerkennung in der Jugendarbeit, das Experiment mit Schneider als Trainer durfte in der vergangenen Saison eher als gescheitert gelten. Doch beide Trainer kennen sich gut. Schneider spielte unter Löw beim VfB, auch später hielten sie Kontakt. Was den Ausschlag gegeben habe? "Er ist loyal", sagte Löw. "Ich vertraue ihm zu 100 Prozent."

Schneider erklärte artig bei dfb.de: "Schon damals habe ich gemerkt, dass wir sehr ähnlich über den Fußball denken (...). Ich bin der Überzeugung, dass wir uns sehr gut ergänzen und optimal zusammenarbeiten werden." Löw hat auch für diese Position einen Vertrauensmann gefunden.

Kapitän nur bis 2016

Schneider wird seinen Job im Oktober antreten, und damit ebenso wie Schweinsteiger die Duelle in dieser Woche gegen Argentinien und Schottland verpassen. Löw berichtete, wie er in der vergangenen Woche Schweinsteiger in München besucht hatte. Er habe gespürt, dass Schweinsteiger "weiterhin vor Ehrgeiz nur so sprüht". Löw erkundigte sich nach der Verletzung. Doch der Fußballer gab Entwarnung, er werde nicht monatelang ausfallen. Spätestens da stand die Entscheidung für Löw fest, doch getroffen hatte er sie wohl bereits in dem Moment, als Philipp Lahm am Morgen nach dem Finale seinen Rücktritt einreichte.

Schweinsteigers Haltung bei der WM hatte Löw imponiert. Angeschlagen war der Mittelfeldspieler nach Brasilien gereist, doch er absolvierte ein starkes Turnier. Im Finale erwischte ihn in der Verlängerung eine argentinische Faust im Gesicht, Blut tropfte aus der Wunde unter seinem Auge, Schweinsteiger bekam zudem Krämpfe, er konnte sich kaum mehr aufrappeln, wenn er nach einem Zweikampf zu Boden ging. Der Körper wollte nicht mehr, doch er rannte weiter.

"Das gehört dazu, da muss man sich einfach reinhauen", sagte Schweinsteiger nach dem Endspiel: "So ein Spiel spielt man nicht so oft in seinem Leben." Es sind Worte, die ein Trainer in solchen Momenten gerne hört und die die Teamkollegen mitreißen. Schweinsteigers Wort hat Gewicht, er ist anerkannt im Team. Doch der Öffentlichkeit gegenüber gibt der Bayern-Spieler sich medienscheu. In Brasilien sprach er tagelang in keine Kamera, beantwortete keine Frage.

Neuer vertritt Schweinsteiger gegen Argentinien

Als Kapitän muss er sich nun öffnen. "Ich weiß aber auch, dass nun weitere Verpflichtungen dazukommen werden, insbesondere auch außerhalb des Platzes", sagte Schweinsteiger in einer ersten Reaktion: "In Sachen Repräsentation und Medienarbeit hat Philipp diese sehr gut gelöst. Jeder hat da seinen eigenen Stil, seine eigene Persönlichkeit."

Zwei Jahre lang soll Schweinsteiger nun das Kapitänsamt ausfüllen. Es ist also eine Art Übergangslösung, denn sogar Löw hat Zweifel daran, ob der Bayern-Spieler auch nach der EM 2016 genug Kraft hat, weiter in der Nationalmannschaft zu spielen. Am Mittwoch reist der künftige DFB-Kapitän trotz seiner Verletzung nach Düsseldorf. Die Kapitänsbinde wird beim Testspiel gegen Argentinien Manuel Neuer überziehen, der sich selbst Hoffnungen gemacht hatte, die Rolle des Capitano dauerhaft zu übernehmen.

Doch der Torwart wurde von Löw nicht einmal zum Ersatz-Kapitän ernannt. Der Bundestrainer will die Rolle - anders als zuvor - nicht vergeben und von Spiel zu Spiel entscheiden. Neben Neuer kommen Sami Khedira und Mats Hummels in Frage: Sie alle sind neu in den Mannschaftsrat gerückt - und damit auf gutem Weg, ebenfalls echte Vertrauensmänner zu werden.

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