Drittliga-Relegation:Erste Halbzeit

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Der entscheidende Fehler: Schweinfurts Torwart Zwick greift bei einem Freistoß daneben. (Foto: Frank Scheuring/imago)

Ein später Gegentreffer bringt den FC Schweinfurt im Relegations-Duell gegen Havelse unter Druck. Noch ist aber nichts verloren, da sind sich die Beteiligten einig.

Von Christoph Leischwitz, Schweinfurt

Der Weg in den Profifußball ist schmerzhaft. Kevin Schumacher, die Nummer 33 des TSV Havelse, lag in der dritten Minute der Nachspielzeit mit einem Krampf am Boden, die Gäste aus Niedersachsen schienen jetzt mit dem 0:0 beim FC Schweinfurt zufrieden zu sein, klar, es war ein torloses Spiel der anstrengenderen Sorte gewesen, bei sommerlichen Temperaturen und 1000 aufgeheizten Zuschauern. Nur, dass es dann doch nicht 0:0 endete.

Wenige Meter neben dem erschöpften Schumacher nämlich legte sich Havelses Innenverteidiger Tobias Fölster den Ball für einen Freistoß zurecht. Aus 30 Metern drosch er ihn in die Mitte des Tores, er kam direkt auf den Schweinfurter Keeper Luis Zwick zu - und dem rutschte die Kugel doch tatsächlich durch die Finger und fiel neben dem Pfosten ins Netz. Schlusspfiff. "Es gibt angenehmere Gefühle", sagte Schweinfurts Trainer Tobias Strobl auf die Frage, was ihm in diesem Moment durch den Kopf gegangen war.

Im Duell der Unterfranken gegen die Niedersachsen geht es um den letzten freien Platz im Profifußball für die kommende Saison, und nach diesem 0:1 am Samstagnachmittag in Schweinfurt ist klar: Vor dem Rückspiel in Havelse exakt eine Woche später hat nun zwar die Favoritenrolle gewechselt. Insgesamt war die Partie allerdings so ausgeglichen, dass weiterhin noch alles offen ist.

Reiner Amateurklub gewinnt gegen Profimannschaft - zumindest im Hinspiel

Der SC Freiburg II und Borussia Dortmund II - Letztere mit einer kurzen Verzögerung aufgrund von pandemiebedingten Protestnoten anderer Vereine - sind bereits aus der Regionalliga in die dritte Liga aufgestiegen. Havelse hatte wegen Lockdown und anschließendem Saisonabbruch nach nur neun absolvierten Partien 230 Tage lang kein Pflichtspiel bestritten. Die Schweinfurter hatten sich in einer kleinen, rein fränkischen Playoff-Runde gegen die SpVgg Bayreuth und Viktoria Aschaffenburg durchgesetzt. So unterschiedlich die Vorbereitung verlief, so unterschiedlich sind auch die Vereine an sich: In Havelse bezeichnet man sich als einen reinen Amateurklub, die Spieler sind parallel berufstätig. Denis Kina zum Beispiel, ein Verteidiger mit einem prächtig gewachsenen Schnauzbart, ist hauptberuflich Kommunalbeamter. Beim FC Schweinfurt hingegen nennt man sich schon eine Profimannschaft und nimmt seit Jahren Anlauf in die dritte Liga.

Einige hatten es für Taktieren gehalten, dass Havelses Trainer Jan Zimmermann angekündigt hatte, von der ersten Minute an offensiv zu agieren. Doch genau so kam es. Schon nach zehn Sekunden musste die Schnüdel-Abwehr in höchster Not zur Ecke klären. Zu Beginn erspielten sich die Gäste zahlreiche Standards, für die sie aufgrund der vielen großen Spieler bekannt sind. Nach drei Minuten war den Schnüdeln endgültig klar, dass jetzt ein anderer Wind wehte als in den Playoffs. Da mussten Keeper Zwick und Stürmer Adam Jabiri, auf der Linie stehend, eine Doppelchance entschärfen. Für den Jabiri war diese Defensivaktion im Nachhinein die wichtigste Aktion des Spiels: Klare Chancen konnte sich der so gefürchtete 37-Jährige diesmal nicht erspielen. Auch Trainer Strobl fand, dass ihm diesmal einige Bälle unglücklich versprungen seien. Überhaupt habe heute Präzision gefehlt. Und der Torwart? "Ach, Luis hat uns schon so oft den Arsch gerettet", sagte Strobl.

Die Schweinfurter Fans feierten danach ihre Mannschaft, sie riefen sogar dem mit hängendem Kopf in die Kabine schreitenden Torwart tröstend seinen Namen hinterher. Das sei ein Grund, warum er nach Schweinfurt gekommen sei, sagte Trainer Strobl später: Solche Fans hat der erst 33-jährige Coach noch nie im Rücken gehabt. "Da fühlt man sich, als ob man schon im Profifußball angekommen ist." In den Minuten nach dem 0:1 tat er dann alles dafür, dass dies kein Gefühl bleibt. Es ging und geht nun darum, die Schockstarre zu überwinden und weiter an sich zu glauben. Im Mannschaftskreis schrie Strobl seine Spieler an. "Es ist erst Halbzeit", rief er ihnen zu. Sie trugen diese Nachricht hinaus. Der sportliche Leiter Robert Hettich sagte es anschließend, Daniel Adlung sagte es eine Stunde nach dem Spiel auf dem Parkplatz zu einer kleinen Fangruppe. Zur Halbzeit, so die Botschaft, hat noch nie jemand verloren.

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