Süddeutsche Zeitung

Schweden bei der WM:Nein danke, Zlatan

  • Die Schweden gehen in ihr erstes großes Turnier nach dem Rücktritt von Zlatan Ibrahimovic.
  • Dem Team um den Leipziger Forsberg fehlt dadurch zwar der größte Name, aber dafür sind sie inzwischen eine eingeschworene Truppe geworden.
  • Das mussten auch die Niederländer und Italiener lernen, sie fahren wegen den Schweden trotz großer Namen nicht nach Russland.

Von Gerhard Fischer

Einmal noch. Ein letztes Mal muss über Zlatan Ibrahimovic im Zusammenhang mit der schwedischen Nationalelf gesprochen werden. Ibrahimovic war 2016 zurückgetreten, er war fast 35, was sollte noch kommen? Schließlich traf Schweden in der WM-Qualifikation auf Frankreich und die Niederlande. Nicht einmal der große Zlatan Ibrahimovic mit dem großen Ego dachte, das kleine Schweden werde das schaffen.

Aber die Blaugelben wurden Zweite, und im Playoff bezwangen sie Italien mit dem wirklich großen Buffon. Kaum war das vollbracht, twitterte Ibrahimovic: "We are Zweden." Zlatan und Sweden also wieder vereint, so wie Abba. Außerdem sagte er: "Eine WM ohne mich wäre keine WM." Er vergaß, dass er 2010 und 2014 auch nicht dabei war - da hatte sich Schweden nicht qualifiziert.

Die Mehrheit war gegen ein Comeback von Ibrahimovic

Trainer Janne Andersson reagierte reserviert, und für das Team, das sich in Qualifikation und Playoff Selbstbewusstsein geholt hatte, sprach Ersatzkeeper Kalle Johnsson. "Wir spielen jetzt wie eine Mannschaft", sagte er, "jeder kämpft für den anderen." Zlatan sei als Mensch und als Fußballer ein Individualist, um den das Spiel kreisen müsse. Das hieß eher: Nein danke, Zlatan. Als dann bei einer Abstimmung der Zeitung Aftonbladet 65 Prozent gegen ein Comeback des selbstverliebten Helden stimmten, war die Sache klar: Ibrahimovic hatte nichts zur WM-Teilnahme beigetragen - er soll sich jetzt nicht die Rosinen herauspicken. Die meisten Schweden lieben Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit.

Sie werden es auch begrüßen, dass ihre Regierung und ihr Königshaus die WM nicht besuchen werden, und zwar "aufgrund der politischen Lage". Sie sei "tief bekümmert über die Situation in Russland, besonders was Demokratie und Menschenrechte angeht", sagte die Ministerin Annika Strandhäll. Janne Andersson und die Spieler haben sich in Schweden mit einer russischen Menschenrechtsgruppe getroffen.

"Was man uns da erzählt hat, ist schon niederschmetternd", sagte der Trainer. "Aber ich bin dafür, dass unsere Mannschaft an der WM teilnimmt und bestimmte Dinge beleuchtet werden, zum Beispiel wie Homosexuelle in der Teilrepublik Tschetschenien behandelt werden."

Janne Andersson war kein großer Spieler, er war ein Amateurkicker in der dritten Liga und noch darunter; sein Ex-Verein, der Siebtligist Alets IK, spielt in diesem Jahr mit einem Janne-Andersson-Autogramm auf den Trikots. Später wurde er Trainer bei Halmstads BK und beim IFK Norrköping - zwei Klubs, die gewöhnlich genauso wenig auffallen wie der Name Andersson in Schweden. Aber 2015 wurde er mit Norrköping Meister und 2016, quasi zur Belohnung, Nationaltrainer. Andersson gilt als umgänglich, aufrichtig und humorvoll. "Er ist ein Freund der Spieler", sagt Mittelfeldspieler Albin Ekdal. "Wir spielen einen besseren Fußball und haben eine bessere Stimmung im Team als 2016."

Damals hörte nicht nur Ibrahimovic auf; es gingen auch andere ewige Nationalspieler wie Kim Kallström (131 Länderspiele) oder Keeper Andreas Isaksson (133). Junge rückten nach, etwa der hoch veranlagte Rechtsaußen Viktor Claessen. Vor dem reaktionsschnellen Robin Olsen, der - wie Torwartübervater Manuel Neuer - gerade noch rechtzeitig zur WM fit wurde, verteidigen schon mal zehn Mann, natürlich gut organisiert, schließlich nennt man die Schweden "die Deutschen Skandinaviens". Und wenn sie den Ball haben, sprinten sie nach vorne - wie die Teams des Überfallfußball-Übervaters Jürgen Klopp.

Unzufrieden mit der Außenseiterrolle

Alle Spieler sind außerhalb Schwedens angestellt, und viele haben eine dürftige Saison hinter sich, etwa Stratege Albin Ekdal, der mit dem HSV abstieg, oft verletzt war und nur 19 Spiele machte. Stürmer Ola Toivonen schoss in Toulouse kein einziges Tor, Stopper Victor Lindelöf saß bei Manchester United oft auf der Bank, Angreifer Marcus Berg spielte "nur" in den Vereinigten Arabischen Emiraten, und Sebastian Larsson, der die viertmeisten Freistoßtore in der Premier-League-Geschichte erzielte (nach Beckham, Zola und Henry) kam bei Hull City kaum zum Zug.

Trainer Andersson mag das nicht: dass es heißt, sein Team bestehe aus Namenlosen, die im Ausland nichts reißen würden und bloß brav machten, was er ihnen auftrage. Ohnehin glaubt er, man könne "nicht nur elf Holzfäller aufbieten, man kann auch Violinisten dabei haben". Wobei Andersson nichts gegen Holzfäller hat, natürlich nicht, er ist doch Schwede.

Aber wer sind die Violinisten? Einer dürfte Emil Forsberg sein, der Legionär in Leipzig, der in der WM-Quali vier Tore erzielte und als bester Offensivspieler Schwedens gilt - und als Scharnier des schnellen Umschaltspiels. Forsberg sagt: "Wir sind nicht der Außenseiter, zu dem uns alle machen wollen."

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Quelle:
SZ vom 14.06.2018/dsz
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